Neu Delhi (dpa) - Wer in Indiens Hauptstadt Neu Delhi günstig die letzten Kilometer zurücklegen will, fährt elektrisch. Genauer gesagt mit Elektro-Rikschas. Die schaute sich Kanzlerin Angela Merkel während ihrer Indien-Reise auch an.
Könnten die Elektro-Taxis helfen, unseren CO2-Ausstoß zu verringern und unsere Klimaziele zu erreichen?
In Indien nutzen Schätzungen zufolge 60 Millionen Menschen jeden Tag die mindestens 1,5 Millionen bunten Elektro-Taxis. Und es werden immer mehr. Viele warten bei Metro-Stationen und von dort aus kosten die Passagiere die zwei, drei Kilometer bis zur Arbeit gerade mal ein paar Rupien, umgerechnet also nur einige Cents. Für sie ist das um ein Vielfaches günstiger als die mit Benzin betriebenen schnelleren Rikschas.
Die Kanzlerin besuchte mit einer Delegation und einem Tross Journalisten eine Metrostation in Neu Delhi und sprach dort einen E-Rikscha-Fahrer an. Wie weit denn die Reichweite sei, wollte sie wissen. 70 Kilometer - nach drei Stunden laden, antwortete der Fahrer. Er sagte ihr auch, dass die Tuk-Tuks moderne Lithium-Ionen-Akkus benutzten, wie E-Autos. Merkel nickte.
Mit solchen Batterien und entsprechender Infrastruktur wollen indische Firmen wie das von Merkel besuchte Unternehmen SmartE den Mobilitätsmarkt für kurze Distanzen professionalisieren. SmartE habe Ladestationen in der ganzen Stadt, wo die Fahrer ihre Fahrzeuge über Nacht laden können, erzählte ihr Gründer. Ein indischer Konkurrent des Fahrdienstvermittlers Uber baute Batteriewechselstationen, an denen Fahrer ihre leeren Batterien gegen aufgeladene tauschen können.
E-Rikschas gibt es in Indien seit gut zehn Jahren. Damals importierten Hersteller günstig Teile aus China, heute werden sie auch von heimischen Produzenten beliefert. Die E-Rikschas wurden gekauft - obwohl es seinerzeit noch gar keine Ladestationen und staatlichen Anreize gab, wie Mobilitätsforscherin Megha Kumar vom indischen Energy and Resources Institute sagt. Für viele Fahrrad-Rikscha-Fahrer sei es ein willkommener Aufstieg gewesen - und günstiger als die benzinbetriebenen Rikschas.
Das bestätigt der 49 Jahre alte Amar Singh, der vor zwei Jahren umgestiegen ist. »In meinem Alter wurde es mir einfach zu anstrengend, immer in die Pedale zu treten.«
Für das Ladeproblem haben die Inder schnell eine Lösung gefunden - etwas chaotisch und improvisiert, wie so oft in dem Land. Anders als bei den schicken Gefährten, die sich Merkel anschaute, laden viele Fahrer ihre Batterien illegal, weiß Kumar. Fahrer Singh zeigte den E-Rikscha-Parkplatz, wo er in der Nacht oft seine Batterien lädt - für umgerechnet etwa einen Euro. Der Ort befindet sich in einem ärmeren Viertel in Neu Delhi, wo die Betreiber direkt Stromleitungen anzapfen. Stromanbieter beklagen das, wie lokale Medien berichten.
E-Rikschas werden immer beliebter - auch weil die indische Regierung inzwischen Käufer unterstützt. Für ein Gefährt, das je nach Hersteller rund 1200 bis 2500 Euro kostet, gibt es knapp 380 Euro. So liegt Indien bei Elektrofahrzeugen inzwischen nach China an zweiter Stelle, wie es in einem Bericht der Internationalen Energieagentur heißt.
Die meisten E-Rikschas nutzen aber keine modernen Akkus wie die der Bundeskanzlerin präsentierten, sondern alte Bleibatterien. Diese halten gerade mal ein halbes Jahr, wie Chemikalienspezialist Satish Sinha der Umweltgruppe Toxics Link sagte. Die Fahrer verkauften sie dann an Wiederverwerter, die daraus wieder das Schwermetall gewinnen - wodurch oft giftige Gase entstünden, die ohne große Sicherheitsvorkehrungen in die Umwelt gelangten. Auch Wasser und Erde würden so verschmutzt.
Ganz sauber sind die E-Rikschas auch sonst nicht - denn in Indien besteht der Strommix ähnlich wie in Deutschland noch zu einem beträchtlichen Teil aus Kohle, was CO2 verursacht. Doch wie Deutschland möchte auch Indien mehr in erneuerbare Energien investieren und dabei künftig auch enger zusammenarbeiten.
Mittlerweile gibt es E-Rikschas auch in Europa. In Berlin und anderen Städten etwa fahren damit Touristen. So alltagstauglich wie in Indien und anderen asiatischen Städten sind sie aber nicht - wohl auch, weil Menschen in Deutschland es gewohnt sind, die letzten Meter zu laufen.