GENKINGEN. »Das ist eine tolle Idee«, schreibt Ulli Herrmann, als er Post von der Schwäbischen Alb bekommt. »Wir grüßen alle, die in Genkingen wohnen, zum 1 250. Jubiläum. Wenn man das den Amerikanern erzählt, dass unser Ort schon so alt ist, können die das fast nicht glauben. Für ihre junge Geschichte klingt das wie eine Ewigkeit. Wir erinnern uns gerne: an die schönen Konzerte und Chorfeiern, die wir mit dem Kirchenchor Genkingen erleben durften. An gemeinsame Feste und Treffen mit unseren Verwandten und Freunden. Und natürlich an die wirklich wunderschöne Schwäbische Alb und die Gegend um Genkingen.«
Der Beruf war es, der Ulli und Bettina, »eine waschechte Genkingerin«, ins Ausland führte. »Unsere Rundholzfirma besteht seit 2002. Wir verkaufen amerikanisches Rundholz an Kunden weltweit, das wir von Sägewerken und Loggern beziehen. Wir kaufen auch ›standing Timber‹. Das heißt, wir kaufen ganze Wälder. Das Holz wird gefällt, kommt auf unseren Holzplatz, wird dort abgelängt. Danach werden die Stämme in Container verladen und von den jeweiligen Häfen zum Kunden verschifft.«
Ulli Herrmann pendelte zwischen Alb und Amerika. »Am Anfang hatten wir Kunden aus Europa. Die habe ich teilweise zu Holzübernahmen mit in die USA genommen. Ich war die ersten Jahre jeden Monat für drei Wochen in den USA und eine Woche zu Hause. Schon damals wurde klar, dass man nicht in Deutschland leben und in den USA ein zeitaufwendiges Geschäft betreiben kann. Wir haben den großen Schritt gewagt auszuwandern. 2008 haben wir uns ein zehn Hektar großes Grundstück außerhalb von Mifflintown gekauft. Von hier aus verkaufen wir Holz an Kunden in Italien, Deutschland, der Schweiz, Österreich, China, Vietnam, Malaysia, Indonesien, Taiwan, Südkorea und Indien.«
Die USA sind nicht Genkingen. Als Neigschmeckte ist es nicht einfach, 6 540 Kilometer weit entfernt Fuß zu fassen. Die selbst gebackenen Brezeln versüßen aber das Heimweh. »Es ist echt schwierig, hier richtigen Anschluss zu bekommen. Das vermissen wir. Die Amerikaner sind da ein bisschen oberflächlich. Nach dem Motto: ›Komme ich heute nicht – sehen wir uns vielleicht morgen oder nächste Woche‹.« Genkingen ganz den Rücken gekehrt haben die Herrmanns nicht. Am Jubiläums-Wochenende geht’s in die Heimat. »Wir wünschen dem Ort, dass es sich weiterhin lohnt, dort zu wohnen, und dass jeder Einzelne eine Bereicherung für die Dorfgemeinschaft ist.«
Sascha Capo meldet sich aus Amerika – ohne Umschweife. Grüße in seine Heimat schicken: Klar macht er das. "Seit 2017 lebe ich in Waukegan Illinois, einem Vorort vom 40 Autominuten entfernten Chicago. 2015 lernte ich meine Frau Jacqueline kennen und entschied nach zwei Jahren, zu ihr zu ziehen. Von der kleinen Gemeinde zur Großstadt, von der schwäbisch-deutschen zur amerikanischen Kultur: Das war kein einfacher Umzug. Das Wetter: auch eine Herausforderung. Nicht umsonst wird Chicago die ›windy city‹ (windige Stadt) genannt. Doch habe ich vor Kurzem auf der DVD ›Genkingen – Ein Schwäbisches Volksmärchen‹ gesehen, dass auch in Genkingen die Türen im Wind schlagen.
War es in Genkingen ein Katzensprung zum Bäcker und Metzger, ist man hier fast täglich aufs Auto angewiesen. ›In Genkingen ist man immer gleich in der Natur‹, begeistert sich meine Frau über meine alte Heimat. Auch ich weiß das, bei meinen Besuchen nun mehr zu schätzen. Einander aushelfen, ob beim Bau oder bei alltäglichen Dingen, schätze ich an allen Genkingern sehr. Das gibt es in größeren Städten und hier selten.
Deutsche Süßigkeiten sind in den USA Mangelware. Deswegen schicke ich meiner Familie aus Deutschland immer eine lange Liste von Mitbringseln, bevor sie zu Besuch kommt. Andere Dinge wie Schwarzwurst oder Wurstsalat – Fehlanzeige. Wenn man sich nach deutschem Essen sehnt, gibt es eine kleine Ecke in Chicago mit deutschen Restaurants. Deutsches Bier gibt’s zum Glück in jedem Getränkemarkt, wobei ich an die Firma Goldochsen appelliere, Auslieferungen nach Chicago zu starten.
Die Eltern meiner Frau zogen aus Mexiko in die USA. Bei uns treffen drei verschiedene Kulturen und Sprachen aufeinander. Alle in der ersten Generation Einwanderer. Zu unserer Hochzeit 2017 hatten wir 15 Genkinger zu Gast. In Genkingen bin ich immer noch Mitglied im Sportverein, der für mich seit der Kindheit ein zweites Zuhause ist. Ich war auch beim CVJM im Ausschuss und als Jungscharleiter.
Meiner alten Arbeitsstelle, dem Druckzentrum Neckar-Alb, möchte ich auch Grüße schicken. Drucker bin ich geblieben, arbeite in einer modernen Etiketten- und Kartonagen-Druckerei, die sich in der Pharmaindustrie spezialisiert hat.
Unser Caleb (4) fühlt sich in beiden Orten zu Hause. Er freut er sich jedes Mal auf Omis Haus, wenn wir in die Heimat zu Besuch kommen." Beim 1 250-Jahr-Fest sind Sascha, seine Frau und sein Sohn nicht dabei, 2023 wollen sie aber eine Reise in die Heimat zum TSV-Jubiläum planen. "Ich wünsche allen Genkingern eine gute Feier und für die Zukunft alles Gute. Für die nächsten 1 250 Jahre wünsche ich mir, dass alle tatkräftig ihren Ehrenämtern nachgehen, Sport und Aktivitäten fördern und Genkingen weiter so wächst und gedeiht wie die letzten 1 250 Jahre. Von Chicago nach Genkingen die besten Grüße, euer Sascha."
Silas Bauers Motivation, ins Ausland zu gehen, war eine ganz andere als die von Ulli Herrmann. Er meldet sich aus Neuseeland. »Die Genkinger singen ihr Schwäbisch, und ich als Genkinger singe selbst mein Englisch – sagt zumindest meine Frau. Man kann den Mann aus dem Dorf entfernen, aber niemals das Dorf aus dem Mann. Und wieso wollte irgendjemand das tun? Ich bin stolz, dass mein Heimatort Genkingen seit über 1 250 Jahren existiert. Das ist etwas Besonderes, wenn man mit Menschen lebt, deren Städte knapp an die 200 Jahre alt sind. Man fühlt sich als Teil einer großen Familie mit einer langen Geschichte, und dadurch fühle ich mich noch immer verbunden und als ein Teil Genkingens. Insbesondere die enge Gemeinschaft ob im Fußball, bei der Leichtathletik, dem CVJM oder im Chor und traditionelle Feste wie das Maibaum aufstellen sind mir in Erinnerung. Und samstagmorgens zum Bäcker und Metzger gehen, dabei halb Genkingen zu sehen und zu hören, was es Neues gibt.«
Neues – ein gutes Stichwort, denn vieles ist für Silas Bauer neu. Seine Heimat Genkingen hat er mit Neuseeland getauscht. Ein neuer Lebensabschnitt. Auch privat. »Meine Frau Amy und ich sind seit über vier Jahren in Tauranga, Neuseeland, als Missionare und sind Leiter einer Bibelschule von Marine Reach (Youth with a Mission). Wir haben uns hier in Neuseeland gefunden, zusammengearbeitet und haben hier vor 16 Monaten geheiratet.« Allein, ohne Familie. Aber die ließ das Paar über soziale Medien am privaten Fest teilhaben, hört man aus gut unterrichten Genkinger Kreisen. Silas Bauer schreibt weiter: »Es ist ein Privileg für uns, Hoffnung nach Neuseeland zu bringen, ein Land, das in vielen Teilen des Landes mit Armut, Drogenkartellen und einer hohen Rate an psychischen Erkrankungen zu kämpfen hat.«
Eine große Aufgabe in einem Land, von dem die Menschen hier zumeist von Schafzucht wissen oder die schönen Seiten kennen: Kiwis, vielfältige Landschaft, »Herr der Ringe«-Drehorte. Von Genkingen ist Tauranga etwa 18 400 Kilometer entfernt. »Ich vermisse besonders die Natur, vom Albtrauf runterzuschauen, mit dem Fahrrad im Ort alles zu erreichen und die Nebelhöhle. Oder in anderen Worten: ›Wohna, mo andere Urlaub macha wellat.‹ Und so wünsche ich Genkingen zum 1 250-Jährigen alles Gute und weiterhin einen guten Zusammenhalt!« Ein Wiedersehen ist geplant. »Coronabedingt konnten wir noch nicht seit unserer Hochzeit nach Deutschland und in die USA zu Amys Familie reisen, und so freuen wir uns, am Ende des Jahres Genkingen für einige Wochen zu besuchen.« (GEA)