Logo
Aktuell Unglück

Die tödliche Dosis Alkohol am Steuer

Nach dem tödlichen Unfall in Südtirol wird in Italien über das Risiko Alkohol im Verkehr debattiert. In Deutschland hat sich das Problem in eine andere Richtung verschoben, wie ein Experte sagt.

Ermittlungen
Einsatzkräfte der Carabinieri rekonstruieren den Unfallhergang in Luttach. Foto: Lino Mirgeler/dpa
Einsatzkräfte der Carabinieri rekonstruieren den Unfallhergang in Luttach. Foto: Lino Mirgeler/dpa

Luttach/Rom (dpa) - Der beschauliche Touristenort Luttach liegt langgezogen im Ahrntal. Die Tempo-50-Schilder dort sind kaum zu übersehen: Sobald jemand rast, blinken zusätzlich gelbe Lichter.

Auf die tödlichen Gefahren von Alkohol am Steuer weisen die Behörden in Südtirol ebenfalls hin. Sätze wie »Wer fährt, trinkt nicht« am Straßenrand klingen dabei noch recht harmlos. Denn nach der tödlichen Alkoholfahrt eines 27-jährigen Südtirolers, bei der mehrere junge Urlauber aus Deutschland starben, diskutiert Italien neu, ob da etwas aus dem Ruder läuft. Zeitungen und das Fernsehen brachten am Montag Berichte, wonach das Risiko durch betrunkene Fahrer und Drogen am Steuer steige.

Urlauber wissen aus Erfahrung, dass der Straßenverkehr in dem Mittelmeerland besonders im Süden oft schwer kalkulierbar wirkt. Trotzdem hatte sich die Zahl der Verkehrstoten - ähnlich dem Trend in Deutschland - im vergangenen Jahrzehnt in etwa halbiert. Nach dem Unfall in Luttach mahnte der Verkehrsverband Asaps, der sich für mehr Sicherheit stark macht, dennoch: »Alkohol und Raserei werden gerade am Wochenende zu absoluten Knackpunkten.«

Die Zeitung »La Stampa« wies darauf hin, dass die Behörden 2019 bei rund 11.000 von fast 200.000 Alkoholkontrollen an Wochenenden positive Resultate hatten. Ein Jahr zuvor sei der Anteil der Alkoholfahrer - meist Männer und seltener Frauen - niedriger gewesen.

Direkt an der Zufahrt zu dem Hotel, in dem die jungen Touristen aus Deutschland untergebracht waren, befindet sich ein Tempo-50-Schild. Auf dem Boden darunter stehen nun Grablichter im Gedenken an die Toten, die der Sportwagenfahrer mit fast 2 Promille umgefahren hatte.

Die Staatsanwaltschaft geht von überhöhter Geschwindigkeit aus. Die Polizei betonte am Montag in Bozen, noch stehe das genaue Tempo aber nicht fest. Der Mann wurde in ein Gefängnis gebracht. In Italien gibt es extra einen Paragrafen zu Morden im Straßenverkehr. Wer betrunken oder unter Drogen einen Menschen tötet, muss mit acht bis zwölf Jahren rechnen. Bei vielen Opfern drohen dem Fahrer bis zu 18 Jahre Haft.

Luttachs Bürgermeister Helmut Klammer sagte der dpa, die Gemeinde könne nicht mehr tun, als Schilder aufzustellen. Manche Anwohner sehen das anders. Immer wieder gebe es Beschwerden, weil Leute betrunken und zu schnell unterwegs seien, sagen sie. Doch die Polizei kontrolliere zu selten.

In Bruneck im Krankenhaus, wohin die sechs Toten zur Identifizierung gebracht wurden, empörte sich ein Einheimischer ebenfalls über zu laxe Verkehrskontrollen. Das Problem sei seit 30 Jahren bekannt, aber nichts passiere. »Es wird sich auch jetzt wieder nichts ändern«, sagte der Mann, der nicht namentlich genannt werden wollte. Nun sei der Aufschrei groß, doch danach werde es weitergehen wie zuvor. »Das ist ein gesellschaftliches Problem.« Betrunken Auto zu fahren, werde toleriert.

Auf die gesellschaftliche Sicht verwies auch Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der deutschen Versicherungswirtschaft. Alkohol sei in Deutschland immer weniger Ursache für tödliche Verkehrsunfälle, berichtete er. Starben 1998 noch 1114 Menschen bei alkoholbedingten Verkehrsunfällen, waren es 2018 hierzulande 244.

»Es gibt eine veränderte Einstellung der Gesellschaft zum Thema Fahren mit Alkohol«, sagte Brockmann. »Das ist ein ziemlicher Erfolg.« In Deutschland habe sich die Zusammensetzung der Alkoholtäter jedoch verändert.

»Wir haben weniger ein Problem mit trinkenden Fahrern als mit fahrenden Trinkern«, erläuterte er. Diese Gruppe könne man nicht erreichen mit mehr Aufklärung oder schärferen Promillegrenzen. »Das liegt daran, dass sie Alkohol gewöhnt sind«, sagte der Unfallforscher. Für diese Gruppe gebe es in Deutschland die MPU - die Medizinisch-Psychologische Untersuchung - die eine Verhaltensänderung oder einen Alkoholentziehung bewirken solle. Die Rückfallquote sei aber hoch.

Er forderte, dass Neufahrzeuge obligatorisch eine Alkoholwegfahrsperre bekommen sollten. Damit würden mittelfristig Alkoholfahrten unterbunden, sagte Brockmann. Autofahrer müssten vor dem Losfahren zur Kontrolle in ein Röhrchen pusten. »Das halte ich für hinnehmbar angesichts des großen Problems mit alkoholgewöhnten Fahrern.«

In Italien hat jetzt - nach zahlreichen schweren Unfällen auch in anderen Regionen - ein Bündnis für mehr Verkehrssicherheit zu einer Demo aufgerufen. Die Kundgebung soll am 23. Februar in der Hauptstadt Rom stattfinden.

In Luttach trafen am Montag neue Busse mit Skiurlaubern ein. Jugendliche zogen im Gänsemarsch ihre Koffer hinter sich her - vorbei am Unfallort, wo Grablichter, Blumen und Bilder an die Katastrophe erinnern. (dpa)