Berlin (dpa) - Mehr Investitionen nach Afrika lenken, die Zusammenarbeit intensivieren - das ist das Ziel der Initiative »Compact with Africa«. Die Lebensbedingungen auf Europas Nachbarkontinent sollen verbessert, Armut verringert und Reformstaaten beim Wandel geholfen werden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ermutigte deutsche Firmen am Dienstag zu Investitionen und zitierte auf dem »Afrika-Gipfel« ein afrikanisches Sprichwort: »Wenn du wissen willst, wie die Geschäfte auf dem Markt laufen, musst du dort hingehen.«
Doch bis mehr deutsche Unternehmen auf den Markt gehen, bleibt noch einiges zu tun. Merkels Formel: Mehr Transparenz werde auch mehr deutsche Investitionen bringen. Sprich: mehr Rechtsstaatlichkeit etwa und ein transparenteres Finanz- und Steuersystem. Es sei einiges in Bewegung gekommen in den Staaten Afrikas, aber es seien auch noch viele Probleme zu lösen. Merkel nannte etwa Sicherheitsfragen durch die terroristischen Herausforderungen in der Sahelzone sowie das rasante Bevölkerungswachstum.
ZUSAMMENARBEIT: Die Initiative »Compact with Africa«, an der zwölf afrikanische Länder teilnehmen, wurde 2017 unter der deutschen G20-Präsidentschaft ins Leben gerufen. Ziele sind bessere Bedingungen für Handel und Investitionen sowie eine »Partnerschaft auf Augenhöhe«. Ein beim vergangenen Gipfel angekündigter Entwicklungsinvestitionsfonds mit bis zu einer Milliarde Euro wurde eingerichtet. Das Entwicklungsministerium hat bereits mit drei der »Compact with Africa«-Länder sogenannte Reformpartnerschaften geschlossen – Tunesien, Ghana und der Republik Elfenbeinküste. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will zudem mit Senegal und Äthiopien neue Reformpartnerschaften unterzeichnen. Mit Marokko stehe die Einigung kurz bevor.
HILFSORGANISATIONEN: Die Entwicklungsorganisation ONE fordert eine Kurskorrektur von der Bundesregierung, weil die »Compacts« keine Schlagkraft erlangt hätten. Deutschland solle sich verpflichten, die Ziele und Pläne der afrikanischen Partnerländer in den Mittelpunkt zu stellen und die Initiative stärker auf die Reduzierung extremer Armut auszurichten. Es müssten zudem auch Bildung, Gesundheit und soziale Sicherung gefördert werden, um Armut zu reduzieren.
DEUTSCHE WIRTSCHAFT: Die deutschen Direktinvestitionen in Afrika haben in den vergangenen Jahren zugelegt. 2017 lag der Bestand nach Angaben des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft bei 10,8 Milliarden Euro - das wichtigste Ziel ist Südafrika. Zum Vergleich: In China lag der Bestand deutscher Direktinvestitionen im Jahr 2017 bei 81 Milliarden Euro. China spielt auch eine starke Rolle in Afrika: Die Chinesen haben dort nach Angaben der deutschen Außenwirtschaftsgesellschaft GTAI etwa viermal so viel investiert wie Deutschland. Besonders stark ist China beim Bau neuer Brücken oder Straßen sowie bei Rohstoffen.
Das wirtschaftliche Potenzial Afrikas sei »erheblich«, so das Wirtschaftsministerium. Die Außenwirtschaftsförderung sei verbessert worden. Dabei geht es um bessere Beratungsleistungen und staatliche Exportkreditversicherungen. Die deutsche Wirtschaft sieht noch große Probleme für mehr Investitionen in Afrika. »Vielfach verhindern hohe Bürokratiehürden, Korruption oder Sicherheitsfragen, dass deutsche Unternehmen den ersten Schritt nach Afrika überhaupt wagen«, sagte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK).
WANDEL UND POLITISCHE LAGE IN AFRIKA: Der Präsident ÄGYPTENS, Abdel Fattah al-Sisi, warb in Berlin für mehr Investitionen in seinem Land. Ägypten sei das »Tor« nach Afrika. Die Wirtschaft in Ägypten erholt sich nur langsam, es geht darum, Jobs zu schaffen. Ein Drittel der ägyptischen Bevölkerung lebt offiziellen Zahlen zufolge in Armut. Das Land ist zudem hoch verschuldet und hatte im Sommer die letzte Tranche eines zwölf Milliarden Dollar schweren Kreditpakets vom Internationalen Währungsfonds erhalten.
Der wegen der Menschenrechtslage umstrittene Al-Sisi ist sich seines Einflusses bewusst: Als bevölkerungsreichstes Land in Nordafrika ist Ägypten ein gewaltiger Markt, etwa für Energie, Konsumgüter und Waffen aus Europa. Ägypten ist außerdem - auch als Nachbarland Libyens - für viele Migranten ein Transitland auf ihrem Weg nach Europa. Ägypten gilt deshalb als wichtiger Partner der EU-Länder beim Versuch, Migrationsströme von den nordafrikanischen Küsten einzudämmen.
Auch ÄTHIOPIEN befindet sich im Wandel. Nach Jahren einer autokratischen Regierung mit einer nach innen gerichteten Politik ist nun ein junger, reform-orientierter Regierungschef an der Macht, der Äthiopien zum wichtigsten regionalen Player verwandeln möchte. Abiy Ahmed hat der Region schon zu mehr Stabilität verholfen, etwa durch den Friedensschluss mit Langzeit-Rivale Eritrea - dafür bekam er jüngst den Friedensnobelpreis. In seinem Land sieht es aber weniger rosig aus: Während seiner Amtszeit sind in dem Vielvölkerstaat ethnische Spannungen gestiegen, viele angestoßene Reformen blieben unvollendet, er hat Feinde. Abiys Regierung könnte sich mehr Rückendeckung von Berlin wünschen, um dessen Kurs zu unterstützen.
TUNESIEN: Mit Tunesien hat Deutschland bereits seit 2017 enge Beziehungen über eine sogenannte »Reformpartnerschaft«. Die Partnerländer dieses Programms verpflichten sich, im Gegenzug für finanzielle Unterstützung weitreichende Reformen umzusetzen. So hat Tunesien beispielsweise seine Antikorruptionsbehörde reformiert und ausgebaut. Deutschland zählt zu den wichtigsten Geldgebern des kleinen nordafrikanischen Landes, das trotz Reformen mit großen wirtschaftlichen Problemen kämpft.
Afrikas wichtigste Volkswirtschaft SÜDAFRIKA befindet sich nach jahrelangem Niedergang nun unter Präsident Cyril Ramaphosa auf Reformkurs und wirbt um dringend benötigte Investitionen. Das Land sucht dabei den Schulterschluss mit Deutschland als einem seiner traditionell wichtigsten Handelspartner. Der Kap-Staat gilt auch mit Blick auf den geplanten afrikanischen Binnenmarkt mit seinen 1,2 Milliarden Verbrauchern als Sprungbrett für den Kontinent.