Chemnitz (dpa) - Es ist ganz still - obwohl Tausende Demonstranten in einem Straßenzug von Chemnitz stehen. Nur Motorengeräusche von Polizeiwagen sind zu hören.
Dem Aufruf der rechtspopulistischen AfD und des fremdenfeindlichen Pegida-Bündnisses sind viele am Samstag gefolgt. Es soll ein schweigender Trauermarsch sein - nach dem gewaltsamen Tod eines 35-Jährigen vor rund einer Woche. Die Demonstration, die schon verspätet startete, gerät ins Stocken. Schließlich wird sie vorzeitig aufgelöst. Doch viele wollen nicht gehen, sind verärgert.
Wasserwerfer fahren heran, ein großes Polizeiaufgebot am Karl-Marx-Denkmal in der Innenstadt steht wütenden Gruppen gegenüber, die »Widerstand« und »Lügenpresse« rufen. Die Stimmung ist zunächst angespannt am Abend.
Schon am Nachmittag wurde der eigentliche Plan der vielen Kundgebungen in der Stadt über den Haufen geworfen: Eine Demo der rechtspopulistischen Bürgerbewegung Pro Chemnitz am Karl-Marx-Denkmal wurde vom Organisatoren unerwartet aufgelöst. Die Teilnehmer wurden animiert, sich der AfD-Demo anzuschließen. Die Versammlungsbehörde hatte nämlich nicht genehmigt, dass sich die Demonstranten auf ihren beiden Routen begegnen, wie die Stadtverwaltung bestätigt. So kommt es nun, dass Tausende doch zusammenströmen. Und dann müssen sie erst einmal lange warten - bis der neue Demonstrationszug organisiert ist.
Einige Straßen weiter in der Innenstadt finden sich Stunden zuvor viele Menschen zu einer anderen Kundgebung zusammen, das Motto lautet »Herz statt Hetze«. Viele Politiker sind dort. Die Stadtspitze und sächsische Landespolitiker sind darunter, aber auch Bundespolitiker von SPD, Grünen und Linken. Sie wollen Präsenz zeigen - hier in Chemnitz.
Der sächsischen Stadt, die seit Tagen die Nachrichten und Schlagzeilen beherrscht. Rund eine Woche, nachdem der 35 Jahre alte Deutsche bei einer Messerattacke getötet und zwei weitere verletzt worden waren. Als Tatverdächtige sitzen ein Iraker und ein Syrer in Untersuchungshaft. Nach der Tat hatte es Ausschreitungen in der Stadt gegeben.
Auf der Kundgebung wollen die Demonstranten ein Zeichen gegen rechts setzen. Zwischen den unterschiedlichen Kundgebungen liegt der Tatort. Auch an diesem Samstag legen Bürger weitere Blumen an der Gedenkstelle nieder und zünden Kerzen an - halten inne. Als die Innenstadt im Zeichen der Demonstrationen und Kundgebungen steht, bietet sich ein bizarres Bild. Dort und auch im Umfeld muss immer wieder die Polizei einschreiten, um Scharmützel und Auseinandersetzungen zwischen den Lagern zu verhindern. In Gruppen rennen Polizisten immer wieder los, in verschiedene Richtungen. Berittene Polizei kommt. Chemnitz kommt an diesem Samstag lange nicht zur Ruhe.