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Amtsenthebungsverfahren gegen Trump: Was jetzt passiert

Der Auftakt des historischen Amtsenthebungsverfahrens gegen Donald Trump steht unmittelbar bevor. Auch wenn der Ausgang absehbar scheint: In Washington dürfte sich in den kommenden Wochen praktisch alles um ein Thema drehen.

US-Präsident Trump
Donald Trump muss sich als dritter Präsident in der Geschichte der USA einem Impeachment-Verfahren stellen. Foto: Evan Vucci/AP/dpa
Donald Trump muss sich als dritter Präsident in der Geschichte der USA einem Impeachment-Verfahren stellen. Foto: Evan Vucci/AP/dpa

Washington (dpa) - Mit vier Wochen Verzögerung macht das US-Repräsentantenhaus den Weg für das Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump im Senat frei.

Nach Angaben der Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, der Demokratin Nancy Pelosi, will die Kammer an diesem Mittwoch die Übermittlung der beiden Anklagepunkte gegen Trump an den Senat beschließen. Außerdem soll bestimmt werden, welche Abgeordneten als Ankläger des Repräsentantenhauses im Senat auftreten werden. Die 100 Senatoren sind es letztlich, die über eine Amtsenthebung Trumps entscheiden. Fragen und Antworten zum Impeachment-Verfahren:

- Was ist der Hintergrund des Impeachment-Verfahrens?

Die Ukraine-Affäre. Die Demokraten beschuldigen Trump, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu Ermittlungen gegen seinen politischen Rivalen Joe Biden gedrängt zu haben, um die US-Präsidentschaftswahl 2020 zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Sie sehen es als erwiesen an, dass Trump von der Ankündigung solcher Ermittlungen ein Treffen mit Selenskyj im Weißen Haus und die Freigabe von Militärhilfe für die Ukraine abhängig gemacht habe. Als das herausgekommen sei, habe Trump alles daran gesetzt, die Ermittlungen des Repräsentantenhauses zu blockieren.

- Wie läuft der Prozess?

Eingeleitet hatte die Impeachment-Ermittlungen gegen den Republikaner Trump am 24. September vergangenen Jahres das Repräsentantenhaus, das von den Demokraten kontrolliert wird. Auslöser war die Ukraine-Affäre. Im Repräsentantenhaus wurden die Untersuchungen geführt, es kam zur Anhörung von zahlreichen Zeugen und zu kontroversen Debatten. Am 18. Dezember beschloss das Repräsentantenhaus mit der Mehrheit der Demokraten zwei Anklagepunkte gegen Trump: Machtmissbrauch und Behinderung der Ermittlungen des Kongresses. Damit waren die Voraussetzungen für das eigentliche Verfahren geschaffen, das im Senat stattfindet.

- Warum hat Pelosi die Übermittlung der Anklagepunkte verzögert?

Das kam überraschend, eigentlich sollten die Anklagevertreter im Anschluss an die Abstimmung am 18. Dezember bestimmt und die Anklagepunkte dann an den Senat übermittelt werden - vorher kann das Verfahren dort nicht beginnen. Mit der Verzögerungstaktik wollte Pelosi den Mehrheitsführer im Senat, den Republikaner Mitch McConnell, dazu bringen, sich mit den Demokraten auf Regeln zum Verfahren im Senat zu einigen. Das ist ihr nicht gelungen. McConnell sagte in der vergangenen Woche, er habe die notwendigen 51 Stimmen - also eine einfache Mehrheit der 100 Senatoren - zusammen, um die Regeln auch ohne eine Einigung mit den Demokraten festzulegen.

- Worüber gibt es Streit?

Die Demokraten wollen im Senat neue Zeugen hören. Das Weiße Haus hatte die Anhörung zahlreicher Zeugen im Repräsentantenhaus blockiert, die die Demokraten vorgeladen hatten - etwa die von Trumps Stabschef Mick Mulvaney. In der vergangenen Woche sorgte Trumps früherer Nationaler Sicherheitsberater John Bolton für Schlagzeilen, als er erklärte, er würde in einem Impeachment-Verfahren im Senat aussagen, wenn er vorgeladen würde. McConnell sagte am Dienstag, über die Vorladung von Zeugen werde erst entschieden, wenn die Senatoren die Argumente der Anklage und der Verteidigung gehört hätten.

- Wann beginnt das Verfahren im Senat?

Formell wird das Verfahren mit der Übermittlung der Anklagepunkte und der anschließenden Vereidigung des Obersten Richters der USA, John Roberts, als Vorsitzendem eröffnet. Roberts vereidigt dann wiederum die Senatoren, die schwören müssen: »Ich werde gemäß der Verfassung und den Gesetzen unparteiisch Gerechtigkeit üben: so wahr mir Gott helfe.« McConnell rechnet mit diesen Schritten noch in dieser Woche. Der republikanische Mehrheitsführer geht davon aus, dass der inhaltliche Teil des Verfahrens am kommenden Dienstag beginnt - nach dem landesweiten Feiertag, dem Martin-Luther-King-Tag, am Montag.

- Wie stehen Roberts und Trump zueinander?

Trump hat Roberts in der Vergangenheit kritisiert. Im Wahlkampf 2016 nannte Trump den Obersten Verfassungsrichter »einen Alptraum für Konservative« und »eine absolute Katastrophe«. Im November 2018 sah sich Roberts zu einer außergewöhnlich deutlichen Stellungnahme veranlasst, als Trump einen Richter als »Obama-Richter« bezeichnet hatte. »Wir haben keine Obama-Richter und keine Trump-Richter, Bush-Richter oder Clinton-Richter«, teilte Roberts damals mit. Die unabhängige Justiz sei etwas, »wofür wir alle dankbar sein sollten«.

- Wie sind die Rollen im Senatsverfahren verteilt?

Das Verfahren im Senat ähnelt einem Gerichtsprozess. Anklagevertreter sind die sogenannten Impeachment Manager, also jene Abgeordneten, die das Repräsentantenhaus nun dazu bestimmen wird. Es wird damit gerechnet, dass die Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses und des Justizausschusses, Adam Schiff und Jerry Nadler, dazugehören werden - sie spielten zentrale Rollen bei den Impeachment-Ermittlungen. US-Medienberichten zufolge dürften zu Trumps Verteidigerteam der Anwalt des Weißen Hauses, Pat Cipollone, und sein persönlicher Anwalt Jay Sekulow gehören. Verfassungsrichter Roberts leitet das Verfahren, er entscheidet es aber nicht. Das obliegt den Senatoren, die die Rolle Geschworener einnehmen.

- Wie ist der weitere Ablauf?

Die Impeachment-Regeln des Senats von 1886 legen einige Punkte fest, die meisten Aspekte obliegen aber den Senatoren. »Quintessenz des Verfahrens: Wenn man 51 Stimmen hat, kann man machen, was man will«, schreibt das Portal »Politico«. Trumps Republikaner verfügen über 53 der 100 Sitze im Senat. Allerdings sind darunter einige moderate Republikaner, die nicht in jedem Punkt mit McConnells Linie konform gehen müssen. McConnell sagt, der Senat werde voraussichtlich am kommenden Dienstag Verfahrensregeln festlegen. Fest steht, dass die Anklage und die Verteidigung gehört werden - und dass beide Seiten von Senatoren nur schriftlich befragt werden dürfen. Die Senatoren dürfen bei den Anhörungen nicht sprechen, was für einige von ihnen »eine gute Therapie« sein werde, wie McConnell sagt.

- Wird Trump des Amtes enthoben werden?

Nach jetzigem Stand rechnen weder Republikaner noch Demokraten damit. Eine Zweidrittelmehrheit von 67 Senatoren müsste Trump in mindestens einem der beiden Anklagepunkte für schuldig befinden. Dafür müssten 20 Republikaner ins Lager der Demokraten wechseln - derzeit scheint das undenkbar. Tatsächlich sind die Senatoren keine unabhängigen Geschworenen, auch wenn sie einen entsprechenden Eid ablegen. McConnell sagte im Dezember offen heraus: »Ich bin kein unabhängiger Juror. Das ist ein politischer Prozess.« Senatoren sowohl der Republikaner als auch der Demokraten haben bereits vorab deutlich gemacht, wo sie in der Frage des Impeachments stehen.

- Was bringt das Verfahren den Demokraten dann überhaupt?

Die Demokraten im Kongress argumentieren, ihr Amtseid habe ihnen angesichts der Schwere der Vorwürfe keine Alternative zu einem Amtsenthebungsverfahren gelassen. Sie hoffen aber zugleich auf weitere Zeugenaussagen, die Trump belasten. Und sie bauen darauf, dass die Vorwürfe Trump bei der Präsidentschaftswahl im November Stimmen kosten. Ob die Rechnung aufgeht, ist unklar: Umfragen haben gezeigt, dass die USA gespalten sind, was das Impeachment angeht. Für Trumps Regierungsbilanz ist allerdings schon ein Makel, dass er sich überhaupt einem Amtsenthebungsverfahren stellen muss - als dritter Präsident in der Geschichte der USA. Trump schrieb am Sonntag auf Twitter: »Warum sollte ich das Stigma Impeachment an meinem Namen haften haben, wenn ich nichts falsch gemacht habe?«

- Muss das Verfahren mit einem Urteil enden?

Theoretisch könnte eine einfache Mehrheit der Senatoren das Impeachment abweisen. Dann würde das Verfahren eingestellt. Trump schien sich zuletzt mit seinem Tweet vom Sonntag dafür auszusprechen. Allerdings wäre er damit nicht freigesprochen - ein Freispruch würde nur erzielt, wenn in keinem der beiden Anklagepunkte eine Zweidrittelmehrheit der Senatoren zustande kommt. McConnell machte am Dienstag deutlich, dass es in seiner Fraktion keine Mehrheit dafür gibt, das Verfahren ganz abzuweisen. »Unsere Mitglieder haben das Gefühl, dass wir verpflichtet sind, die Argumente anzuhören.«

- Ist absehbar, wie lange das Verfahren dauern wird?

Nein. Das hängt unter anderem von der Frage ab, ob Zeugen gehört werden. Das bislang letzte Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Bill Clinton im Senat dauerte 1999 vom 7. Januar bis zum 12. Februar, also rund fünf Wochen. Bei diesem Verfahren wurden Zeugen angehört. Sollte das jetzige Verfahren ähnlich lange dauern, würde es noch laufen, wenn Trump am 4. Februar seine Ansprache zur Lage der Nation im Kongress hält - Clinton war das damals ebenfalls widerfahren.

- Wurde schon einmal ein US-Präsident des Amtes enthoben?

Nein. Trump ist nach Andrew Johnson, Richard Nixon und Bill Clinton erst der vierte Präsident in der Geschichte der USA, gegen den überhaupt Impeachment-Ermittlungen geführt wurden. Formell eröffnet wurde ein Amtsenthebungsverfahren im Senat bislang nur gegen Johnson und Clinton. In Johnsons Fall fehlte 1868 nur eine Stimme für die nötige Zweidrittelmehrheit zur Amtsenthebung. Bei Clinton fehlten 1999 erheblich mehr Stimmen für eine Zweidrittelmehrheit.

Impeachment-Regeln des Senats von 1886, ergänzt 1986

Bolton-Statement

Anklagepunkte in der Impeachment-Resolution des Repräsentantenhauses

Bericht bei Politico