Augsburg (dpa) - Alexander Gauland greift mal wieder in die historische Kiste. Der AfD-Chef beschwört beim Parteitag in Augsburg die Endzeit der Bundesrepublik, wie man sie bisher kennt, und vergleicht Angela Merkel mit Erich Honecker.
Vor den etwa 500 Delegierten warnt Gauland vor einem »Bevölkerungsaustausch« - die Horrorvision der AfD. Doch so richtig taufrisch ist die Rede nicht. Den gleichen Vortrag hat der 77-Jährige - von tagesaktuellen Einsprengseln abgesehen - schon einmal gehalten: beim »Kyffhäusertreffen« des rechtsnationalen Flügels einige Tage zuvor.
Was soll die AfD auch tun? Die Musik spielt an diesem Wochenende woanders: in München und Berlin, wo der Machtkampf zwischen Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer um die Asylpolitik womöglich entschieden wird. Gaulands Co-Chef Jörg Meuthen bringt es auf den Punkt, wenn er sagt, momentan sei die Union der Hort der Zerstrittenheit unter den Parteien - und nicht der »gärige Haufen« AfD, wie Gauland seine noch recht junge Partei nennt.
Selbst die Proteste der AfD-Gegner gehören inzwischen fast schon zur Parteitagsfolklore. Die Demonstranten warnen vor dem Messegelände auf einem Transparent: »Faschismus verursacht Haarausfall und gefährdet Sie und Ihre Mitmenschen«. Doch anders als bei früheren Parteitagen in Stuttgart oder Hannover gelangen die Delegierten diesmal weitgehend unbehelligt zum weiträumig abgesperrten Veranstaltungsort.
Im Saal ist einiges, was vor Jahresfrist noch für Aufregung sorgte, inzwischen durch ständige Wiederholung zur Routine geworden. Als Meuthen über die »links-rot-grün verseuchte 68er-Denke« lästert, spenden die Delegierten nur vorsichtig Applaus. Und so widmet sich der deutlich männerdominierte Parteitag aktuellen politischen Fragen wie Diesel-Abgasen und der Syrien-Politik. Bei den drögen Diskussionen um die Geschäftsordnung könnte man meinen, man sei auf Parteitagen von CDU und SPD, die die AfD wahlweise Kartell- oder Altparteien nennt.
In puncto Sozialpolitik ist die AfD noch weitgehend blank. Dass wollen sowohl Meuthen als auch die Leute vom rechtsnationalen Flügel ändern. Flügel-Mann Andreas Kalbitz sagt: »Ich kann auch das Gerede von der jungen Partei nicht mehr hören«, die AfD müsse endlich ein Rentenkonzept vorlegen.
Der Wirtschaftsprofessor Meuthen will bei der Rente vor allem weniger Staat. Rechtsaußen Björn Höcke und seine Mitstreiter fordern das Gegenteil. Sieht man davon ab, dass sie deutsche Beitragszahler bevorzugen wollen, stehen die Leute vom rechtsnationalen Flügel in diesen Fragen ungefähr so weit links wie die Linken-Politikerinnen Katja Kipping und Sahra Wagenknecht.
Überhaupt Wagenknecht: Nicht nur die inzwischen aus der Partei ausgetretene Ex-AfD-Chefin Frauke Petry kann sich vorstellen, dass Wagenknecht ihre Idee einer linken Sammlungsbewegung vor den drei Ost-Landtagswahlen 2019 in die Tat umsetzt - und der AfD damit Protestwähler abspenstig macht.
Auch der Thüringer Partei- und Fraktionschef Höcke sieht die Gründung einer Wagenknecht-Bewegung »im Bereich des Möglichen«. Vielleicht haben er und seine Unterstützer es auch deshalb so eilig, bei der Sozialpolitik voranzukommen. In der AfD ist aufmerksam registriert worden, dass die Linksfraktionschefin gesagt hatte, es sei »weltfremd«, dass jeder nach Deutschland kommen und Anspruch auf die hier üblichen Sozialleistungen haben könne.
Höcke hat mit seiner »Partei des sozialen Friedens« - wie er die AfD nennt - Großes vor. Das Ziel der »historischen Erfolgsmission« müsse sein, »den ersten blauen Ministerpräsidenten der Bundesrepublik Deutschland zu stellen«, sagte der Rechtsaußen. In Brandenburg war die AfD in der letzten Umfrage nur knapp hinter CDU und SPD gelandet, in Sachsen auf Rang zwei hinter der CDU. »Werden wir die einzige relevante Volkspartei in Deutschland«, ruft Höcke. Doch Begeisterungsstürme löst selbst das nicht aus.