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Nationalmannschaft: Die Zeitenwende steht bevor

Als Mitternacht schon fast vorbei war in Gelsenkirchen, hat sich Joachim Löw dann doch noch verdribbelt.

Leroy Sané
Leroy Sané (r) zieht ab und trifft zum 2:0 gegen die Niederlande. Foto: Marius Becker
Leroy Sané (r) zieht ab und trifft zum 2:0 gegen die Niederlande. Foto: Marius Becker

GELSENKIRCHEN. Also sprach der Bundestrainer nach dem 2:2 (2:0) gegen die Niederlande und dem Ausgleich durch Kapitän Virgil van Dijk in der Schlussminute, man müsse den forschen Nachwuchskräften gegen eine Mannschaft wie die Niederlande zugestehen, das am Ende die Kräfte nachlassen.Diese Analyse stimmte allerdings für dieses Spiel ausgerechnet nicht. Es waren in Gelsenkirchen nicht die jungen Kräfte, die nachließen, sondern die anderen. Nicht die Jungen trugen für das 2:2 die Verantwortung sondern die Alten. Und der Bundestrainer.

Leroy Sané, Timo Werner und Serge Gnabry, die wie gegen Russland auch gegen die Niederlande stürmten als gebe es kein Morgen, gingen aus dem Spiel. Und fortan versuchten Marco Reus und Thomas Müller, es genauso zu machen. Was ihnen aber nicht gelang.

Da denkst du wirklich, du bist im falschen Film

Wenn von Müller und Reus die Rede ist, spricht der Bundestrainer gerne von Erfahrung, die jede gute Mannschaft braucht. »Wir müssen den jungen Spielern alle Möglichkeiten geben,  sich zu entwickeln. Das können sie aber nur, wenn die Etablierten helfen. Erfolgreich ist eine Mannschaft immer dann, wenn man die richtige Mischung findet«, sagt Löw. Das gelang Löw gegen die Niederlande nicht. Als der Ausgleich in der Schlussminute fiel, spielten Manuel Neuer, Mats Hummels, Toni Kroos, Reus und Müller, außerdem Joshua Kimmich und Niklas Süle, die auch schon ein wenig etablierter sind. Eine entsprechende Frage, warum er die komplette Offensivreihe auswechselte, ließ Löw vornehm unbeantwortet. Klar war aber, dass der Bundestrainer die Verantwortung dafür trug, dass das 2:0 am Ende keinen Bestand hatte.

Löw nannte das 2:2 »enttäuschend, aber ich habe gegen die Niederlande viel mehr Positives als Negatives gesehen. Wir hätten das Spiel im zweiten Durchgang entscheiden müssen, Chancen hatten wir genug. Trotzdem ist das eine Basis, auf der wir aufbauen können.« Löw ging in Gelsenkirchen sogar noch einen Schritt weiter: »Wir haben das gut gemacht, wir waren über 80 Minuten die klar bessere Mannschaft, ich beende dieses schlechte Jahr mit einem guten Gefühl.«

Was nichts daran ändert, das Löw vor schweren Aufgaben steht. Irgendwie passten die späten Tore der Niederländer in das verkorkste Jahr des Ex-Weltmeisters. Löws Kurs-Korrektur vier Monate nach dem Debakel von Russland zeigte in Frankreich (1:2), gegen Russland (3:0) und gegen den Erzrivalen aus den Niederlanden trotzdem erste positive Wirkungen. Doch das neue Konzept steht noch keineswegs auf einem soliden Fundament. Allein die Dynamik von Leroy Sané, Serge Gnabry und Timo Werner reicht nicht, um zügig in die Weltspitze zurückzukehren. »Da denkst du, du bist im falschen Film«, sagte Thomas Müller nach seinem 100. Länderspiel zum Rückschlag von Gelsenkirchen.

Fünf Minuten reichten, um den Holländern noch zwei Tore durch Quincy Promes und van Dijk zu schenken. »80 Minuten haben gezeigt, dass wir die Niederlande in Bedrängnis bringen können«, sagt Löw. Noch gar nicht so lange her, dass ihm so ein Satz nie über die Lippen gekommen wäre. (GEA)