REUTLINGEN. Seit dem vergangenen Dezember ist Guido Buchwald beim Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart wieder mittendrin, statt nur dabei. Der Weltmeister von 1990 ist einer von insgesamt vier Markenbotschaftern des Clubs aus Bad Cannstatt. Der in Walddorfhäslach wohnende Buchwald spricht im exklusiven GEA-Interview über die enorme Power des VfB, seinen Rat an Top-Torjäger Serhou Guirassy, ob Sportdirektor Fabian Wohlgemuth befördert werden sollte und die jüngsten Turbulenzen im Aufsichtsrat.
GEA: Herr Buchwald, was machen Sie eigentlich gerade?
Guido Buchwald: Ich bin seit Dezember Markenbotschafter des VfB Stuttgart. Dann habe ich noch eine Sportmarketing-Agentur, wo ich meine Kontakte und Erfahrung im Sport weiter gebe, Impulsvorträge halte über Motivation im Spitzensport und in Unternehmen. Außerdem sitze ich noch im Aufsichtsrat der Morgenstern AG. Grundsätzlich bin ich natürlich sehr nah am Fußball. Beispielsweise stehe ich auch noch mit vielen Leuten aus meiner Zeit in Japan im Austausch. So etwa mit dem General Manager meines Ex-Vereins Urawa Red Diamonds. Und dann kommt noch eine Kooperation mit der Fußballschule von der Sparkassen-Versicherung dazu. Wir organisieren ungefähr 20 Fussballcamps in Baden-Württemberg, Hessen und Thüringen im Jahr.
Zur Person
Guido Buchwald (63) wurde am 24. Januar 1961 in West-Berlin geboren. Ab 1962 lebte Buchwald in Wannweil, wo er auch das Fußballspielen erlernte. Über die Stuttgarter Kickers kam Buchwald 1983 zum VfB Stuttgart. Der Verteidiger wurde mit dem Club zweimal Meister (1984 und 1992) und absolvierte 325 Spiele. Anschließend zog es ihn drei Jahre zu den Urawa Red Diamonds nach Japan, bevor er seine Karriere beim Karlsruher SC 1999 beendete. Seinen größten Erfolg feierte Buchwald 1990, als er mit der deutschen Nationalmannschaft Weltmeister wurde. Insgesamt stand er für das DFB-Team in 76 Partien auf dem Platz. Buchwald ist der einzige Ehrenspielführer des VfB Stuttgart. (ott)
Seit Dezember 2023 sind Sie neben Cacau, Hansi Müller und Timo Hildebrand einer von vier Markenbotschaftern beim VfB Stuttgart. Was ist ihre genaue Aufgabe?
Buchwald: Wir nehmen viele Termine wahr, bei denen der VfB Stuttgart angefordert wird. Sei es kleine Vorträge zu halten oder Besuche bei Fanclubs, Sponsoren und Messen abzustatten. Das sind sehr vielfältige Dinge und ist in der Zwischenzeit ein sehr großes Feld geworden, wo sich der VfB als großer Club präsentieren sollte. Wir helfen mit unseren Namen dabei den Verein zu repräsentieren und die Tradition sowie die Werte für die der VfB steht, an die Leute weiterzugeben. Das sind in der Regel drei bis vier Termine im Monat. Für mich persönlich hat sich gar nicht viel geändert. Als einziger Ehrenspielführer des VfB wurde ich bereits in den vergangenen Jahren immer wieder für bestimmte Anlässe angefragt.
Wie wird der VfB Stuttgart wahrgenommen? Vor allem durch den großen Aufschwung in dieser Saison.
Buchwald: Ich glaube, dass der VfB schon immer eine unglaubliche Power bei uns im Ländle gehabt hat. Es ist unglaublich viel Potenzial an Fans und VfB-Liebe vorhanden. Ich finde es super, das die neue Führung unter Alexander Wehrle den Gedanken aufgegriffen hat, dass man mit der großen erfolgreichen Tradition noch offensiver umgehen kann, um damit die Fan-Bindung weiter zu verbessern.
»Ein Verein mit einer solchen Power wie dem VfB ist außergewöhnlich und gibt es kein zweites Mal hier im Ländle«
Was meinen Sie genau damit?
Buchwald: Diese Erfolgsgeschichte und die Tradition, die der Verein hat, ist im Endeffekt eine Power. Man muss sie nur richtig bündeln. Das hat man in den letzten Jahren gar nicht so richtig nach außen tragen können oder auch wollen. Das haben die neuen Vorstände nun deutlich besser aufgegriffen. Bei allem Respekt und Sympathie vor dem SC Freiburg oder der TSG Hoffenheim: Ein Verein mit einer solchen Power wie dem VfB ist außergewöhnlich und gibt es kein zweites Mal hier im Ländle. Es gibt Fans von ganz jung bis sehr alt. Dieses Potenzial von fast 100.000 Mitglieder ist eine Stärke die nur der VfB in Baden-Württemberg hat.
Wie wichtig ist der sportliche Erfolg vor allem für die junge Fan-Generation?
Buchwald: Natürlich wollen wir alle einen erfolgreichen VfB. Aber es ist schon unheimlich wichtig, dass die junge Generation jetzt wieder merkt, dass da nicht nur eine riesige erfolgreiche Tradition hinter dem Verein ist und der VfB früher regelmäßig unter den Top fünf war. Sondern, dass man da auch wieder hinkommen kann und sich mal wieder andere Ziele setzen kann.
Das Stadion war selbst immer ausverkauft, als es in den vergangenen Jahren schlecht lief.
Buchwald: Ja, das ist der helle Wahnsinn. Mit dieser Begeisterung kann auch der Fan helfen, Spieler an den VfB zu binden. Wenn man sieht, wie ein Serhou Guirassy diese ganze Stimmung aufsaugt, kann das auch ein Stück weit helfen, dass man diese Spieler zumindest für eine Weile noch im Verein halten kann.
Welchen Rat würden Sie Guirassy mit Blick auf die Sommer-Transferperiode mitgeben?
Buchwald: Da spricht wieder mein großes VfB-Herz. Natürlich soll er so lange wie möglich hier bleiben. Bei uns genießt er eine unheimlich große Anerkennung. Wenn wir in die Champions League kommen, dann ist er Stammspieler und Leistungsträger auf allerhöchstem Niveau. Wenn er im Sommer hingegen zu einem ganz großen Verein gehen sollte, dann muss er sich da erst wieder beweisen. Gegenüber Platzhirschen, die ebenfalls die Champions-League-Teilnahme erspielt haben. Serhou ist unfassbar beliebt, da kann er für sich sehr viel Power und Kraft schöpfen. Und dadurch auch seine persönliche Reputation nochmals weiter stärken.
»Da ist man als Spieler in der zweiten Halbzeit der Karriere angekommen. Er hat jetzt die Möglichkeit, vermutlich einen der letzten großen Verträge zu unterschreiben«
Gleichzeitig ist er mit seinen 28 Jahren nicht mehr der Jüngste.
Buchwald: Ja, da ist man als Spieler in der zweiten Halbzeit der Karriere angekommen. Er hat jetzt die Möglichkeit, vermutlich einen der letzten großen Verträge zu unterschreiben. Wir als VfB können ihm nur das optimale Paket drumherum bieten. Als Club und Fan müsste man es daher auch akzeptieren und verstehen, wenn er sagen würde: Ich habe ein solches riesen, riesen, riesen Angebot, das ich einfach annehmen muss.
Sollte man Sportdirektor Fabian Wohlgemuth eigentlich zum Sportvorstand befördern?
Buchwald: Ja, er hat eindrucksvoll gezeigt, wie man eine sportliche Abteilung führt. Auch die enge Zusammenarbeit mit Sebastian Hoeneß imponiert mir. Man muss nur einen Blick zurück in den vergangenen Sommer werfen. Wataru Endo ist gegangen, da hat man Angelo Stiller als Ersatz gehabt. Borna Sosa ist gegangen, da hat man bereits Maximilian Mittelstädt verpflichtet gehabt. Bei Serhou Guirassy war nicht ganz sicher, ob man ihn halten kann, da hat er Deniz Undav aus dem Hut gezaubert. Fabian hat ein unheimlich gutes Verständnis von einer Mannschaft, arbeitet super akribisch und verfügt über sehr tolle Kontakte national als auch international.
»Gerade das gefällt mir. Nach dem Motto: Arbeite, während andere Manager sich lieber im Fernsehen sehen«
Wird er manchmal gar nicht so wahrgenommen und womöglich sogar unterschätzt?
Buchwald: Gerade das gefällt mir. Das ist typisch Schwäbisch, auch wenn er kein Schwabe ist (lacht). Nach dem Motto: Arbeite, während andere Manager sich lieber im Fernsehen sehen. Das braucht er nicht. Zudem hat er bislang auf allen Stationen bewiesen, dass er einen Verein erfolgreich im sportlichen Bereich führen kann. Für mich wäre es ein Fehler, ihm in der erfolgreichen sportlichen Entwicklung jetzt einfach irgendjemand vor die Nase zu setzen. Vielleicht braucht er den einen oder anderen Helfer, aber er selbst muss der Kopf sein. Fakt ist: Seitdem Vorstandsboss Wehrle, Marketingchef Rouven Kasper und Wohlgemuth das Zepter in der Hand haben, läuft es beim VfB.
Und das, obwohl Wehrle zunächst von vielen kritischen Stimmen begleitet wurde. Schließlich musste nach seiner Ankunft nur kurze Zeit später das Duo Matarazzo/Mislintat gehen, das die zuvor verlorengegangene Kontinuität reingebracht hatte.
Buchwald: Aber auf welchem Niveau war die Kontinuität denn gegeben? Das war vielleicht Kontinuität in Sachen Abstiegskampf. Aber das ist doch nicht der VfB Stuttgart mit seiner großen Tradition, seinen überragenden Fans und auch den vielen Sponsoren drumherum. Wir sind in dieser Zeit nie aus diesem unteren Niveau rausgekommen. Da muss man dann doch auch mal was aufbrechen.

Das Aus von Trainer Pellegrino Matarazzo und Sportdirektor Sven Mislintat war die Folge.
Buchwald: Bezüglich Mislintat. Man hat gesehen, dass er zuvor schon bei anderen Vereinen gescheitert ist. Auch anschließend bei Ajax Amsterdam. Er hat zahlreiche Spieler nach dem Gießkannenprinzip geholt. Und wenn es ein Spieler gepackt hat, hat er nur von diesem Spieler gesprochen. Dass jedoch gefühlt 20 Spieler, die teilweise für großes Geld gekommen sind, es nicht geschafft haben, hat man nicht erwähnt. Außerdem wurde in dieser Zeit die eigene Jugend vernachlässigt. Er konnte sich aber sehr gut vor der Kamera präsentieren. Man hat ja beinahe gemeint, er sei der Mister VfB Stuttgart.
Als ehemaliges Aufsichtsrat-Mitglied des VfB: Wie bewerten Sie die jüngsten Turbulenzen auf der Führungsebene?
Buchwald: Es ist ganz einfach: Wenn sich die eigene e.V.-ler und auch der Vize-Präsident im Aufsichtsrat alle gegen den Präsidenten Claus Vogt abwenden, dann muss irgendwas gravierendes vorgefallen sein. Für mich ist klar, dass keine Person über dem Verein stehen darf.
»Porsche will den Chefposten im Aufsichtsrat gar nicht. Das haben sie nach außen jetzt schon mehrfach kommuniziert«
Wie könnte es nun weitergehen?
Buchwald: Wir als Mitglieder können das alles bewerten und haben bei der Mitgliederversammlung die Chance, unseren Unmut zu äußern und als Folge auch jemanden abzuwählen. Man sollte jetzt Ruhe bewahren, sich genau informieren was passiert ist und dann im Juli bei der Mitgliederversammlung gegebenenfalls darauf reagieren.
Trotzdem steht nach wie vor das Gerücht im Raum, Porsche strebe den Chefposten im Aufsichtsrat an. Was gegen das Versprechen an die Mitglieder verstoßen würde, wonach der gewählte Präsident federführend den Verein im Aufsichtsrat vertritt.
Buchwald: Aber das geht doch gar nicht. Allein schon von der Mitgliederzahl im Aufsichtsrat. Die Mehrheit hat der eingetragene Verein. Und: Porsche will den Chefposten im Aufsichtsrat gar nicht. Das haben sie nach außen jetzt schon mehrfach kommuniziert. Der Aufsichtsratsvorsitzende kommt immer vom Verein, weil der e.V. der große Aktionär von der AG ist. Meiner Meinung nach sollte es auch immer der Präsident sein.
Dann trifft es aktuell zwar zu, dass das Versprechen gebrochen wurde. Aber spätestens nach der nächsten Mitgliederversammlung im Juli und einer möglichen Abwahl von Claus Vogt dürfte das ja wieder der Fall sein, oder?
Buchwald: Genau. (GEA)