NÜRNBERG. Erst schlug Günther Schäfer mit der Faust auf Michael Reschkes Brust, dann schlug er ihm mit der Hand auf den Rücken. Ein seltener Ausbruch der Freude, rechts neben der 20 Sitze langen Bank im Nürnberger Max-Morlock-Stadion, kurz vor dem Abpfiff zwischen dem 1. FC Nürnberg und dem VfB Stuttgart. Die Gefühle mussten raus bei Schäfer, dem offiziellen Teammanager und inoffiziellen Maskottchen der Stuttgarter – der neben dem 56-Jährigen stehende Sportvorstand Reschke hatte nichts dagegen.
Als der Abpfiff kam, der 2:0 (0:0)-Sieg Fakt war, feierten Spieler, Betreuer und Trainer ausgelassen wie der Vorfeierer Günther Schäfer. Keine Frage, die drei Punkte waren am vom Aufstand der Kellerkinder geprägten elften Spieltag überlebenswichtig für den VfB. Aber was waren die Stellschrauben, an denen Trainer Markus Weinzierl gedreht haben musste, dass der erste Sieg seit dem 29. September gelungen war?
Zunächst einmal stellte Markus Weinzierl nach dem phasenweise ansehnlichen »Befreiungsschlag« »sehr erleichtert« fest: »Das war ein wichtiger Beginn und ein wichtiges Zeichen, dass man es kann.« Aber der VfB Stuttgart bleibt weiterhin Tabellenletzter. »Es wird noch lange dauern, bis man diese Phase aus den ersten Monaten wiedergutmacht.«
Gut auf- und eingestellt – Markus Weinzierl hat diese Woche richtig viel richtig gut gemacht: Er hat richtig aufgestellt (in der Abwehr mit Viererkette spielen lassen), richtig eingestellt, richtig eingewechselt. Und offensichtlich mit der Verpflichtung von Halil Altintop als Assistenztrainer einen richtigen Impuls von außen gesetzt: Der VfB war bis Samstag in der Bundesliga noch ohne Tor nach einer Standardsituation. Altintop soll seit vergangenen Dienstag in diesem Kerngebiet des modernen Fußballs den VfB wieder konkurrenzfähig machen. Beide Treffer – in der 68. Minute erzielte Timo Baumgartl sein erstes Bundesligator, in der 82. Minute traf der kurz zuvor eingewechselte Erik Thommy – entstanden indirekt nach Eckstößen. »Ja, das ist der Altintop-Effekt«, witzelte VfB-Schlussmann Ron-Robert Zieler, der ernsthaft nachschob: »Standards sind ein Puzzleteil von vielen.«
Bei der Stellschrauben-Frage zuckte der zum zweiten Mal diese Saison ohne Gegentor gebliebene Torhüter die Schultern. Dann sagte er: »Wir bereiten uns jede Woche gewissenhaft vor. Heute hat es endlich mal geklappt.« Gegen limitierte Nürnberger. Ohne Fitnessprobleme. Mit Disziplin. Und mit zunehmendem Selbstvertrauen.
Erst der Anfang
Die Anfangsviertelstunde unfallfrei überstanden zu haben, half enorm. Und die Führung veränderte alles. Alles in allem ein Prozess, den Kapitän Gentner so beschrieb: Das Zutrauen wachse, in engen Situationen den Ball zu fordern und zu kontrollieren. Es spiele sich nun mal sehr viel im Kopf ab. Und der wurde vor dem Spiel auf Erfolg gepolt: »Wir haben uns in der Kabine das Gefühl des Gewinnes, positive Gedanken und Energie ins Gedächtnis gerufen«, sagte Christian Gentner. Die Stuttgarter wissen, dass sie noch viele Siege brauchen. »Es wird ein Prozess sein, der noch ein paar Wochen andauert«, sagte Christian Gentner. »Mit acht Punkten steigt man nach wie vor ab.« Alle, die sie frisch geduscht auf dem Weg zum VfB-Bus Auskunft gaben, sprachen unisono von »einem kleinen Schritt in die richtige Richtung«. War die Rückkehr zur Viererkette der Schlüssel? Ein Kapitänsschulterzucken mit den Worten: »Nein, das ist immer abhängig vom Gegner und anderen Faktoren. Es ist wichtig, sich Selbstsicherheit über ein funktionierendes System zu holen.« Ein Anfang ist gemacht. (GEA)