LEVERKUSEN. Es war ein besonderer Abend. Reiner Calmund feiert seinen 70. Geburtstag und sein fußballerischer Ziehsohn Michael Reschke kommt in die BayArena, die ihm Jahr und Tag Arbeitsplatz und sportliches Zentrum war. Reschke ist inzwischen bekanntlich Sportvorstand des VfB Stuttgart und wird nicht mehr unkritisch gesehen, seit er in der ersten Reihe steht. »Es ist nicht einfach für Michael, aber da muss er durch, er hat das so gewollt«, sagt Jubilar Calmund. Michael Reschke reiste mit der Mannschaft des Tabellenletzten trotzdem optimistisch nach Leverkusen. Über 76 Minuten wehrte sich der VfB Stuttgart vor 24632 Zuschauern gegen einen spielerisch überlegen Favoriten mit großem Einsatz, dann traf Kevin Volland per Kopf nach Flanke von Kai Havertz zum 1:0 und in der 84. Minute entscheidend zum 2:0. Die Krise in Stuttgart intensiviert sich.
Die Zeiten bleiben schwierig für den VfB und man darf gespannt sein, wie lange sich Präsident Wolfgang Dietrich das noch anschaut, zumal auch der zweite Trainer, den der Sportvorstand verpflichtete, noch kein Erfolgstrainer ist. Tayfun Korkut musste gehen, und Nachfolger Weinzierl hat auch noch nicht alle notwendigen Stellschrauben gefunden. Die Begegnung mit Bayer Leverkusen war das fünfte Spiel für Weinzierl als Stuttgarter Cheftrainer. Nach dem 2:0-Erfolg beim Aufsteiger 1. FC Nürnberg hatten sich alle an den Glauben geklammert, dass sie auf Kurs sind. Aber Bayer Leverkusen ist eine andere Kategorie von Mannschaft, eine andere fußballerische Klasse, fast schon eine andere Liga.
Und dennoch machte es der VfB zunächst gut, stand weitgehend sicher in der Defensive, obwohl das gegen Spieler wie Karim Bellarabi, Kai Havertz, Kevin Volland und Julian Brandt nun wirklich keine einfache Aufgabe war. Sie wehrten sich, aber im Duell der Enttäuschten waren die Stuttgarter am Ende die verdienten Verlierer.
Fünf Spiele, drei Punkte, 2:13 Tore, letzter Tabellenrang, es bleibt nur die Hoffnung. Weinzierl musste in Leverkusen die Defensive umstellen. Holger Badstuber ist verletzt, Timo Baumgartl war wegen eines Magen-Darm-Virus gar nicht im Kader. Daniel Didavi fällt auf unbestimmte Zeit aus, und auch Anastasios Donis ist weiter verletzt. Emiliano Insua rückte nach Rotsperre wieder in die Startformation, die Innenverteidigung bildeten Weltmeister Benjamin Pavard und Marc Oliver Kempf, rechts spielte Andreas Beck.
In dieser problematischen Lage des Clubs kommt es auf die Routiniers im Team an. »Wir sind es, die dem Gegenwind in dieser Situation standhalten müssen«, sagt Kapitän Christian Gentner. Volland (7.) und Havertz (12.) hatten die ersten Großchancen für Leverkusen. Als Lars Bender Insua überspielen wollte (15.), unterlief Insua ein Handspiel. Schiedsrichter Robert Schröder entschied auf Elfmeter, nach Videobeweis nahm er die Entscheidung aber korrekt wieder zurück, weil Insua die Hand außerhalb des Strafraums zu Hilfe nahm.
Bayer erarbeitete sich eine Chance nach der anderen, aber der VfB wehrte sich. Offensiv fand die Mannschaft von Weinzierl zwar auch statt, aber so gut wie nie zwingend. Von Ex-Nationalspieler Mario Gomez sah man erneut fast gar nichts. Erst kurz vor der Halbzeit ein Kopfball nach einer Flanke von Beck. Torwart Lukas Hradecky fing den Ball ohne Mühe. Und die anderen Stuttgarter vergaben ihre Chancen meist kläglich. Im zweiten Durchgang brachte Weinzierl Erik Thommy für Pablo Maffeo, was offensiv für etwas mehr Schwung sorgte. Aber der reichte trotzdem nicht für mehr Torgefahr. Bis sich Gomez endlich einmal etwas zutraute, sein Schuss (52.) von der Strafraumgrenze zwang Hradecky zur ersten und einzigen Parade des Spieles. Auf der Gegenseite vergab Volland (60.) nach einem Bilderbuchkonter eine 1000-Prozent-Chance, als er eine präzise Hereingabe des überragenden Bellarabi aus vier Metern nicht nutzen konnte. Bayer-Trainer Heiko Herrlich brachte in Lucas Alario und Mitchell Weiser weitere offensiv orientierte Akteure, und dann traf Kevin Volland. (GEA)