FRANKFURT. Julian Nagelsmann ist trotz seines jungen Alters als Trainer schon so lange im Geschäft, um sich auf diese Fährte gar nicht erst locken zu lassen. Präferenzen als Gegner gibt es beim 36-Jährigen angeblich keine, weil ihm jede Aussage doch nur um die Ohren fliegen würde. Recht hat er, dass es in der Gruppe B spannender zugeht als gedacht.
- England (4 Punkte, 2:1 Tore)
Gareth Southgate bewirbt sich als derjenige Nationalcoach, der bislang den größten Verrat an der EM auf deutschem Boden begangen hat. Sein Minimalismus ist doppelt störend. Zum einen nehmen fast alle Teilnehmer die fürwahr prächtige Stimmung zum Anlass, das Limit auszureizen. Zum anderen steht so viel individuelle Qualität in diesem Kader, dass es verwundert, wie schlecht das Kollektiv agiert. Auch die vielen mitgereisten Fans sind mächtig frustriert. Deshalb wird unweigerlich darüber spekuliert, dass der 53-Jährigen seinen Job nach dem Turnier los ist. Sollte England auf Platz zwei abrutschen, käme unweigerlich die Erinnerung ans Achtelfinale gegen Deutschland vom 29. Juni 2021 auf: In Wembley sorgten Raheem Sterling und Harry Kane für einen Jubelsturm, der noch am Big Ben zu hören war. Southgate hatte damals Jack Grealish gebracht, den er diesmal ganz zuhause gelassen hat. Was ansonsten für ihn spricht: Als der Ex-Nationalspieler 2016 startete, hatten sich die Three Lions gerade bei der EM 2016 gegen Island blamiert. Das ist bis jetzt noch nicht passiert.
- Dänemark (2 Punkte, 2:2 Tore)
Kasper Hjulmand hat in Deutschland gearbeitet und kann Deutsch sprechen – was er aber bei Pressekonferenzen nur höflichkeitshalber tut und sich dann gleich entschuldigt, weil es ihm an Praxis mangele. Irgendetwas fehlte ihm einst auch beim FSV Mainz 05, um eine volle Bundesliga-Saison zu überstehen. Nach nicht einmal acht Monaten war im Februar 2015 schon wieder Schluss. Gerade ist dort übrigens mit Bo Henriksen ein weiterer Däne am Werk, der wie ein Derwisch coacht. Hjulmand gibt lieber den Ruhepol, vertieft sich in seine Arbeit – erklärt aber öffentlich auch gerne, wie diese Gemeinschaft funktioniert. Die Leistungen? Bislang wechselhaft. Gegen England sah es besser aus als gegen Slowenien, auch wenn das Resultat (1:1) dasselbe blieb. Hjulmand ist (noch) nicht besorgt. Der seit August 2020 für Dänemarks Verband arbeitende Fußballlehrer hat Gefallen an seiner Tätigkeit. Meisterhaft, wie er vor drei Jahren für die Nation das Drama um Christian Eriksen moderierte und gleichzeitig noch einen Lauf bis ins Halbfinale orchestrierte. Die Dänen wären unter dem 52-Jährigen auch jetzt ein richtiger unbequemer Gegner für die Deutschen.
- Slowenien (2 Punkte, 2:2 Tore)
Matjaz Kek hat früher Libero bei NK Maribor gespielt. Er konnte noch in aller Ruhe den Ball annehmen und schauen, wo der besser postierte Mitspieler steht. Nicht, dass der Nationaltrainer eine solche Philosophie predigt, ganz im Gegenteil, aber Erhabenheit strahlt der 62-Jährige immer noch aus. Vielleicht auch, weil er ja von 2007 bis 2011 schon mal Nationalcoach war, dann nach einer verpatzten EM-Qualifikation gehen musste. Die Rückkehr erfolgte 2018. Sein durch viel Hingabe und gute Ordnung auftrumpfendes Team hat sich gegen Dänemark und Serbien mutig gezeigt. Es sind nicht nur der Weltklassetorhüter Jan Oblak oder der Ausnahmestürmer Benjamin Sesko, die überzeugen. Genau wie der Basketballer Luka Doncic oder der Radfahrer Tadej Pogacar sind die Fußballer beseelt davon, die sportliche DNA des kleinen Landes ganz Europa vorzuführen.
- Serbien (1 Punkt, 1:2 Tore)
Dragan Stojkovic ist eine Legende des serbischen, früher des jugoslawischen Fußballs. Viele in Deutschland lebenden Landsleute nennen ihn bis heute nur »Piksi«. Sein Spitzname, als Roter Stern Belgrad Ende der 80er Jahre eine große Nummer in Europa war. Und Stojkovic mit seinem Ballgefühl einer ihrer Besten. Doch auch wegen vieler Verletzungen blieb die Karriere unvollendet, viele Jahre in Japan haben ihn als Mensch geprägt. Es war ein Glücksgriff, dass der serbische Verband ihn im März 2021 einstellte, weil auch die Auslandsstars zu ihm aufschauen. Die meisten nennen ihn »Mister«. Stojkovic hat die Serben zur WM 2022 und zur EM 2024 geführt, jetzt wie in Katar so früh auszuscheiden, wäre eine Enttäuschung. Kritiker bemängeln, dass seiner Elf das Tempo fehle. War das nicht genau das Problem des Spielmachers früher? (GEA)