Peking (dpa) - Die heftigen Reaktionen in China auf die kritischen Tweets von Mesut Özil zur Lage der Uiguren haben das Dilemma des Sports beim Umgang mit dem Riesenstaat erneut verdeutlicht.
Kritik - egal von welcher Seite - wird von der Pekinger Regierung nicht geduldet. Doch mit den Mächtigen der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft wollen es sich auch die Verbände, Vereine und Funktionäre nicht verscherzen. In China leben 1,4 Milliarden potenzielle Kunden.
Der ehemalige Fußball-Weltmeister Özil hatte den Umgang Chinas mit der muslimischen Minderheit der Uiguren und die zurückhaltende Reaktion der muslimischen Staaten kritisiert. Der Staatssender CCTV strich daraufhin die Übertragung des Spiels des FC Arsenal gegen Manchester City. Die »falschen Kommentare« hätten die chinesischen Fans und den nationalen Fußballverband »enttäuscht«.
Der FC Arsenal distanzierte sich von Özil. Der Premier-League-Club halte sich an das Prinzip, keine politischen Statements abzugeben. Immerhin verdient die Premier League beispielsweise durch einen Vertrag mit einem chinesischen Streamingdienst (PP Sports) seit Beginn dieser Saison umgerechnet etwa 630 Millionen Euro. Da könnten Özils Ausflüge auf das Minenfeld Politik geschäftsschädigend wirken.
Am Donnerstag wurde Özil auch noch aus der chinesischen Version des Videospiels »eFootball PES 2020« gestrichen. »Seine Worte haben die Gefühle der chinesischen Fans verletzt und gegen den Sportgeist der Liebe und des Friedens verstoßen«, teilte der chinesische Betreiber des Spiels mit. »Wir können es nicht verstehen, akzeptieren oder entschuldigen!«, hieß es in der Erklärung des Projektteams der Internetfirma NetEase, die in China die Lizenz für das Spiel hat.
Nach offiziell unbestätigten Schätzungen sind Hunderttausende Uiguren in Umerziehungslager gesteckt worden, die China allerdings nur als Fortbildungszentren beschreibt. Uiguren sind ethnisch mit den Türken verwandt und fühlen sich von den herrschenden Han-Chinesen unterdrückt.
Kritische Töne aus dem Sport? Sind selten bis gar nicht zu hören. Dass am Mittwoch bekannt wurde, dass der Bundesligist 1. FC Köln seine geplante Kooperation mit dem chinesischen Fußball stoppt, war dann auch eher ein zeitlicher Zufall und hatte keinen inhaltlichen Zusammenhang zu Özil. »Wir haben beschlossen, dieses Projekt in der derzeitigen sportlichen Situation nicht zu machen«, hatte Präsident Werner Wolf dem »Kölner Stadt-Anzeiger« gesagt.
Der DFB verwies am Donnerstag auf Anfrage auf die Grundlagenvereinbarung auf Staatsebene sowie auf Abkommen des DFB und der Deutschen Fußball Liga (DFL) mit dem chinesischen Bildungsministerium und dem chinesischen Fußball-Verband (CFA). Diese waren 2016 beschlossen und laufen bis 2021. »Die Zusammenarbeit zielt auf den Austausch zwischen beiden Ländern ab«, schrieb der DFB. »Das heißt, die Partnerschaft besteht weiterhin.« Das Engagement der Kölner war Teil des Abkommens.
Auch die DFL hält sich mit Kommentaren zu China zurück. Der Ligaverband muss letztlich auch Vermarktungsinteressen im Blick haben. Seit März hat er eine Repräsentanz in Peking. Clubs wie der FC Bayern München, Borussia Dortmund, der VfL Wolfsburg, FC Schalke 04, Borussia Mönchengladbach und Eintracht Frankfurt sind selbst in China vertreten.
Dem deutschen Fußball dürfte auch daran gelegen sein, eine ähnliche Konfrontation wie die nordamerikanische Basketball-Profiliga NBA mit China zu vermeiden. Daryl Morey, Manager der Houston Rockets, hatte auf Twitter kurzzeitig ein Bild mit den Worten »Fight for Freedom - Stand with Hong Kong« (»Kämpft für die Freiheit, unterstützt Hongkong«) veröffentlicht. Der chinesische Basketballverband beendete daraufhin die Zusammenarbeit mit dem NBA-Team, chinesische TV-Sender ignorierten zu Saisonbeginn einige Partien.
NBA-Commissioner Adam Silver verteidigte öffentlich das Recht von Morey, sich frei äußern zu dürfen. Dazu räumte der Ligamacher Mitte Oktober ein, dass die Liga bereits »substanzielle« finanzielle Verluste wegen des Vorfalls spüre.
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat sich an einer fragwürdigen Menschenrechtssituation in einem Land selten gestört. Die Geschäfte sollen laufen. Angesprochen auf die Situation der Uiguren und den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking sagte IOC-Sprecher Mark Adams Anfang Dezember: »Wir haben weder das Mandat noch die Kapazität, um uns in größerem Stil um das Thema zu kümmern. Das überlassen wir internationalen Organisationen und Regierungen.«