Leverkusen (dpa) - Jürgen Klinsmann grinste und stand zufrieden von der Berliner Bank auf. Nach einem Überraschungssieg gegen seinen alten Kumpel Rudi Völler darf der frühere Bundestrainer auf ein sorgenfreies Weihnachtsfest mit Hertha BSC hoffen.
Dank des 1:0 (0:0)-Erfolgs bei Bayer Leverkusen und nun sieben Punkten aus den vergangenen drei Partien ist das Tabellen-Mittelfeld für Klinsmann, der mit Leverkusens Sportchef Völler beim WM-Triumph 1990 das Sturmduo der Nationalmannschaft gebildet hatte, in greifbare Nähe gerückt.
Abwehrchef Karim Rekik (64.) erzielte vor 24.472 Zuschauern in einem insgesamt schwachen Spiel den Siegtreffer für diszipliniert auftretende Berliner, die zum Hinrunden-Abschluss am Samstag Borussia Mönchengladbach empfangen. Die Leverkusener, die nach dem Abpfiff von den eigenen Fans wütend ausgepfiffen wurden, kassierten dagegen den nächsten Rückschlag im Kampf um die Champions-League-Qualifikation.
»Am Ende sind wir natürlich überglücklich mit den drei Punkten. Wir haben auf die Konter gesetzt und hatten trotzdem einige gute Chancen. Das eine Tor reicht am Ende«, sagte Herthas Marvin Plattenhardt beim TV-Sender Sky. Ex-Profi Stefan Kießling, inzwischen Assistent der Bayer-Geschäftsführung, haderte dagegen: »Ich kann es mir nicht erklären, man hatte das Gefühl, schwere Beine zu haben, und es funktionierte nichts. Leider haben die Berliner auch noch das Tor gemacht.«
Die Gastgeber waren schon mit der Hypothek der Niederlage beim 1. FC Köln in die Partie gegangen. »Willenlose Derby-Versager«, stand auf einem Banner im Stadion. Gegen die abstiegsbedrohten Berliner sah Trainer Peter Bosz die Chance zur Wiedergutmachung und schickte sein Team in einem sehr offensiven 4-3-3-System aufs Feld. Der starke Moussa Diaby prüfte Hertha-Torwart Rune Jarstein in der neunten Minute erstmals mit einem Distanzschuss.
Klinsmann, der die erste Halbzeit auf der Berliner Bank sitzend verfolgte, hielt mit einer kompakten Defensive dagegen. Davie Selke lauerte als einzige Spitze gegen die zunächst aber sehr ballsicher auftretende Werkself auf Fehler und Konter. Wenn die Berliner die seltene Chance dazu bekamen, wurde es gefährlich: Javairo Dilrosun verpasste die Führung nur um Zentimeter (21.), anschließend parierte Hertha-Torwart Lukas Hradecky glänzend gegen Selke (23.).
»Die Realität« sei der Abstiegskampf, hatte Klinsmann vor Spielbeginn beim TV-Sender Sky betont, nachdem er zuletzt in einem Videochat mit Fans das Ziel ausgegeben hatte, »in drei bis fünf Jahren« um Titel mitspielen zu wollen. Am Mittwochabend begnügten sich die Gäste mit der Rolle des Außenseiters, der das Spiel nicht gestalten musste.
Leverkusen, das kurzfristig auf die erkrankten Julian Baumgartlinger und Karim Bellarabi verzichten musste, war über weite Strecken überlegen. Die Werkself machte aber zu wenig aus ihren Möglichkeiten. Der ins Team gerückte Lucas Alario scheiterte von links aus abseitsverdächtiger Position an Jarstein (18.), Sekunden später bekam Kai Havertz den Ball im Strafraum nicht entscheidend unter Kontrolle.
Wenn ein Bayer-Profi in Abschlussposition kam, schmissen sich gleich mehrere Berliner dazwischen - oder Jarstein war zu Stelle wie gegen Diaby (37.). Alario näherte sich zu Beginn der zweiten Hälfte, in die beide Mannschaften mit gleicher Taktik gingen, dem Leverkusener Tor an (48.). Die Gäste beschränkten sich zwar weiterhin auf die Risikominimierung, waren aber gefährlicher. Dilrosun (57.) verpasste die Führung, Rekik machte es besser. Leverkusen drängte im Anschluss nicht energisch genug auf den Ausgleich, die Berliner lauerten auf weitere gefährliche Konter.