FRANKFURT. Mitunter ist der Blick zurück ja überaus erkenntnisreich. Und wenn einer fast ein Vierteljahrhundert später über die Anfänge seiner Amtszeit schmunzeln darf, dann Peter Fischer. Seine Verabschiedung als Präsident am kommenden Montag bei der Mitgliederversammlung von Eintracht Frankfurt könnte ähnlich emotional werden wie beim letzten Heimspiel gegen den FSV Mainz 05, als dem 67-Jährigen die Tränen nur so über die Backen kullerten. Was er vor dem letzten Applaus mit Fug und Recht rückblickend sagen kann: »Wir sind sportlich, personell und wirtschaftlich so gut aufgestellt wie nie, nie, nie zuvor.«
Das war beileibe nicht so, als der Werbekaufmann am 26. Juli 2000 zu diesem Amt kam wie die Jungfrau zum Kinde. Die launische Diva vom Main wechselte damals als echter Sanierungsfall die Führung, weil Rolf Heller den Club mit seinem Kurs bis an den Rand des Konkurses getrieben hatte. Sieben Teilnehmer auf einer Verwaltungsratssitzung stimmten aus Mangel an Alternativen für einen extrovertierten Unternehmer mit Zweitwohnsitz auf Ibiza.
»Dieses Thema berührt mich stark. Wer Charakter hat, hat Feinde«
Auf der Geschäftsstelle am Riederwald fand eine tatendurstige Führungskraft damals acht Mitarbeiter, eine Kaffeemaschine, einen Computer vor – und kein Geld. »Es gab nichts, keine Struktur, keine Ablage, keine Organisation, keine Idee, keine Chefs«, erzählt Fischer. Als der neue Präsident auf seiner ersten Pressekonferenz davon sprach, der Klub müsse mehr als 10.000 Mitglieder haben und ein Trainingszentrum bauen, musste der Mittelhesse tags darauf in der Zeitung lesen, dass er doch »liebe wieder surfen« solle.
Die Entwicklung seitdem ist beeindruckend. Kein Traditionsverein wuchs zuletzt sportlich und wirtschaftlich so rasant. Die Marke mit dem Adler vereint 130.000 Menschen hinter sich, liegt bei mehr als 300 Millionen Euro Umsatz und überdies sammelte der Europa-League-Sieger 2022 in den vergangenen Jahren nach Bayern München die meisten Punkte für die Uefa-Fünfjahreswertung ein.
Wie Fischer nach dem DFB-Pokalsieg 2018 – der erste Titel nach 30 Jahren – auf dem Römer den Cup über seinen Kopf reckte, ist auf Aufklebern verewigt, die überall in der Stadt hängen. Der gesundheitlich angeschlagene Frontmann ist mit seinem Lebenswandel gewiss kein Vorbild, aber gilt längst als Identifikationsfigur für die Eintracht und für Frankfurt. Lange hatte er mit seinem Etikett als feiersüchtiger Party-Präsident (»Peter gibt einen aus«) gut gelebt, in den vergangenen Jahren war er als engagierter Demokratiebewahrer in aller Munde. Vor allem sein Kampf gegen Rassismus, Diskriminierung, Antisemitismus und Rechtsextremismus bescherte ihm ein Andenken über den Sport hinaus.
Als einer der ersten Fußballfunktionäre stellte sich Fischer gegen den Aufstieg der AfD. Wann immer dieses Thema zur Sprache kommt, schwillt ihm die Zornesader. Bei seinem gesellschaftspolitischen Engagement will er auch als Ehrenpräsident oder Redner nicht nachlassen. »Dieses Thema berührt mich stark. Dieser Kampf gegen rechts ist und bleibt meine Lebensaufgabe, selbst wenn ich über 1.000 Anzeigen gegen mich aushalten musste«, sagte er der Frankfurter Rundschau. Für sich hat er geschlussfolgert: »Wer Charakter hat, hat Feinde.«
Auf vielen Ebenen hat dieser laute, schrille Präsident polarisiert, dem der Geschäftsmann Mathias Beck folgen soll. Die Gewalt der Ultras hat er gerne mal verharmlost (»Unsere Jungs wehren sich und hauen auch mal drauf«) oder vor dem unrühmlichen Abstieg 2011 ins Mikrofon gebrüllt: »Dann schlagen wir halt den Scheiß-BVB.«
Als persönlicher Tiefpunkt müssen die staatsanwaltschaftlichen Drogenermittlungen gelten. Auch wenn das Verfahren vor knapp einem Jahr eingestellt wurde, blieb für den Beobachter irgendwie ein fader Beigeschmack. Für Fischer war es »eine reine Luftnummer« – gleichwohl ein letzter Anstoß, von seinem Amt mit langem Anlauf zurückzutreten. (GEA)