GELSENKIRCHEN. Verletzungen, Platzverweise und der Vorwurf rassistischer Entgleisungen - die lange Pokal-Nacht auf Schalke wird ein Nachspiel haben. Der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) kündigte am Mittwoch Ermittlungen an.
Und auch der Revierclub will die Vorfälle in aufgeheizter Atmosphäre untersuchen. Man nehme die Aussagen von Hertha-Profi Jordan Torunarigha »hinsichtlich rassistischer Aussagen und Laute gegen ihn« sehr ernst, hieß es am Mittwoch in einer Stellungnahme des Fußball-Bundesligisten.
Schalke hob seine Null-Toleranz-Politik hervor. »Gemeinsam mit der Polizei, dem Sicherheitsdienst und internen Quellen, wie beispielsweise der kürzlich eröffneten #stehtauf-Anlaufstelle, wird der Fall ausführlich geprüft«, schrieb der Club.
Während die Behörden und der Verein versuchen, die oder den Urheber zu ermitteln, nimmt die Debatte um Rassismus im Fußball neue Fahrt auf. »So was gehört sich nicht«, schimpfte Hertha-Trainer Jürgen Klinsmann, der seinen Spieler durch das Schiedsrichtergespann um Harm Osmers (Hannover) nicht ausreichend geschützt sah. »Da braucht man dann Fingerspitzengefühl, muss den Jungen schützen, ihn beruhigen und ihm nicht später noch die zweite Gelbe Karte geben.« Der 22-jährige dunkelhäutige Torunarigha hatte in der Verlängerung des Pokal-Krimis, den Schalke nach einem 0:2-Rückstand noch 3:2 gewann, die Gelb-Rote Karte gesehen.
Nach einem Foul von Schalkes Omar Mascarell nahe der Seitenlinie war Torunarigha in Schalke-Coach David Wagner gerutscht und hatte wütend eine Getränkekiste auf den Boden geschmettert. Doch nicht nur der ehemalige deutsche Junioren-Nationalspieler mit nigerianischen Wurzeln musste vom Feld (100. Minute), auch Wagner wurde nach Videobeweis auf die Tribüne geschickt.
Was dieser gar nicht verstand. »Ich habe null Erklärung für die Rote Karte«, sagte Wagner. »Der Schiedsrichter hat mir erklärt, dass ich den Spieler am Nacken gepackt habe. Aber ich wollte ihm nur auf die Beine helfen und ihn beruhigen.«
Schalke-Sportvorstand Jochen Schneider hatte sich wie Wagner bereits nach der Partie bei den Berlinern und Torunarigha entschuldigt und das Fan-Verhalten verurteilt. »Da gibt es null Toleranz. Das ist nicht akzeptabel und ganz ehrlich, es ist auch nicht zu verstehen. Da fehlt mir jegliches Verständnis für Vollidioten dieser Art«, stellte Schneider klar. »Wir werden alles dafür tun, dass wir diejenigen, die dafür verantwortlich sind, ausfindig machen und mit Konsequenzen belegen. Wir werden mit Sanktionen reagieren und die Vorfälle auch entsprechend zur Anzeige bringen.«
Ein solches Verhalten verstoße nicht nur gegen Stadionordnung, Leitbild und Satzung des Clubs, sondern widerspreche auch »all unseren Werten«, teilte Schalke mit. Wagner war ebenfalls entsetzt: »Das geht nicht, das brauchen wir nicht, das wollen wir nicht«, sagte er. »Wenn so was aufkommt, ist da in der Regel auch was dran. Da bin ich ganz bei Jürgen. So etwas gehört sich nicht.«
Etwas unklar blieb, warum Osmers nicht eingriff und - wie in solchen Fällen empfohlen - eine Durchsage über das Stadion-Mikrofon veranlasste. Immerhin sei er von ihnen auf die Affenlaute aus dem Zuschauerbereich aufmerksam gemacht worden, betonten die Berliner.
Laut Peter Sippel, beim DFB als Leiter Training und Qualifizierung der Schiedsrichter tätig, erfuhr Osmers »erstmals nach der regulären Spielzeit und vor der Verlängerung von dem Vorfall«. Das sagte er im Gespräch mit »sportschau.de«. Er sei von Hertha-Sportdirektor Michael Preetz auf die Beleidigungen hingewiesen worden. Da sich der Vorfall laut Osmers schon etwa in der 70. Minute ereignet hatte, wäre bei einer Durchsage »der Kontext nicht mehr herzustellen gewesen«, sagte Sippel.
Grundsätzlich sehen die Verhaltensrichtlinien der Verbände FIFA und UEFA bei diskriminierenden und rassistischen Vorfällen für den Schiedsrichter die Möglichkeit des Einschreitens vor - in drei Stufen: Er kann das Spiel unterbrechen und die Zuschauer per Stadiondurchsage auffordern, das diskriminierende Verhalten zu unterlassen; das Spiel im Wiederholungsfall für eine weitere Durchsage erneut unterbrechen und die Spieler für einen angemessenen Zeitraum in die Umkleidekabine schicken; das Spiel nach Rücksprache abbrechen, falls das diskriminierende Verhalten anhält oder erneut einsetzt.
Für Schneider trübt die Rassismus-Affäre in jedem Fall die Freude über den vierten Einzug ins Pokal-Viertelfinale in Serie, was sogar einen Clubrekord bedeutet. »Ich finde, das überschattet den Sieg ein wenig«, sagte Schneider. (dpa)