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Aktuell Olympia

»Paris ist bereit«

Kurz vor Beginn der Spiele scheint die Seine weiter ungeeignet für Wettbewerbe. Bundestrainer warnt

Sicherheit wird in Paris groß geschrieben. Soldaten einer Anti-Terror-Einheit auf Posten vor dem Arc de Triomphe.  FOTO: SCHULDT
Sicherheit wird in Paris groß geschrieben. Soldaten einer Anti-Terror-Einheit auf Posten vor dem Arc de Triomphe. FOTO: SCHULDT/DPA
Sicherheit wird in Paris groß geschrieben. Soldaten einer Anti-Terror-Einheit auf Posten vor dem Arc de Triomphe. FOTO: SCHULDT/DPA

PARIS. Noch eine Woche, dann hat das Warten ein Ende. Olympische Spiele 2024 in Paris. Aber die Metropole diskutiert momentan nicht etwa über Verkehrs- oder Sicherheitsprobleme, noch weniger über Doping, sondern fast ausschließlich über: Wasser. Und zwar über das, was in der Seine durch Paris fließt. Schön anzusehen ist das, aber ob es auch sauber genug ist? Die olympischen Macher wollen, dass die Wettbewerbe im Freiwasserschwimmen, eine der wenigen Disziplinen mit nahezu garantierten deutschen Medaillenaussichten, in der Seine stattfinden.

Die Politik setzt alles daran, das ehrgeizige Ziel zu realisieren. Milliarden wurden in die Wasserqualität investiert, Anne Hidalgo, die umweltbewegte Bürgermeisterin der Stadt, die vor wenigen Tagen an der Seite des Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in der Kirche de la Madeleine um die olympische Waffenruhe betete, sprang zuletzt, wie lange versprochen, in den Fluss, die die Pariser weiterhin für eine bessere Kloake halten.

»Wir haben die Seine zu einem sauberen Fluss gemacht. Das wird ein Erbe der Spiele sein«

Um zu zeigen, dass die Wasserqualität gut genug ist für die Langstrecken-Schwimmer und die Triathleten, die dort um olympisches Gold kämpfen, kraulte Hidalgo vor Hunderten Schaulustigen nahe dem Hotel de Ville gegen die Strömung. Frankreichs Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra, früher professionelle Tennisspielerin, war bereits vor ihr mutig in die Seine gesprungen. Präsident Emmanuel Macron wollte auch längst gesprungen sein, aber der hat momentan andere Sorgen. »Wir haben die Seine zu einem sauberen Fluss gemacht, das wird ein großes Erbe der Spiele sein«, sagt Hidalgo stolz. Was die Politik nicht beantwortet, ist die Frage, ob die Seine, in der über ein Jahrhundert das Baden wegen der Verschmutzung und wegen Gefahren durch den Schiffsverkehr verboten war, wieder ein öffentlich zugänglicher Badeort werden kann.

Florian Wellbrock ist vor drei Jahren vor Tokio Olympiasieger über zehn Kilometer geworden, zum Schwimmen in der Seine hat der 26 Jahre alt Vorzeigeschwimmer aus Magdeburg eine klare Meinung. »Das Ganze ist eine politische Wunschvorstellung, die auf den Schultern der Sportler ausgetragen wird, aber in der Realität nicht umzusetzen ist«, sagte Wellbrock der Süddeutschen Zeitung. Selbst das Internationale Olympische Komitee (IOC) denkt inzwischen über das Wassersportzentrum Vaires-sur-Marne im Osten von Paris als Ersatzstandort für das Freiwasserschwimmen nach.

1,4 Milliarden Euro hat der Staat investiert, um die Seine, in die nach wie vor das Abwasser der Millionenmetropole geleitet wird, sauberer zu machen. Ein Rückhaltebecken wurde im Mai eröffnet. Aber selbst, wenn das Wasser der Seine weitestgehend bakterienfrei sein sollte, was eine Woche vor Beginn der Spiele einer Wunschvorstellung gleichkommt, die Strömungsgeschwindigkeit bleibt ein unüberwindlich scheinendes Hindernis. »Wir haben immer noch eine sehr hohe Strömungsgeschwindigkeit in der Seine, was den Wettkampf eigentlich unmöglich macht«, kritisiert der deutsche Schwimm-Bundestrainer Bernd Birkhahn.

Und sonst? »Paris ist bereit«, sagt Thomas Bach, der deutsche Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). »Die Vorfreude steigt«, sagt Organisationschef Tony Estanguet. Auf 4,5 Milliarden Euro beziffert der dreimalige Kanu-Olympiasieger die Kosten für die dritten Sommerspiele in der französischen Metropole nach 1900 und 1924. Alles sei privat finanziert, nichts aus Steuergeldern, versichert Estanguet. Polizei und Sicherheitskräfte patrouillieren in der Stadt, auch Militär ist überall zu sehen. Deren Präsenz vor Beginn der Spiele wurde massiv verstärkt – dazu kommen noch bis zu 20.000 private Sicherheitskräfte.

»Soweit uns bekannt ist, gibt es keine charakteristische Bedrohung der Sicherheit«

Genaue Zahlen werden in Paris nicht genannt, Spekulationen gehen von über 100.000 Sicherheitskräften aus. Nichts Genaues weiß man nicht. Zumindest nicht öffentlich.

Paris gleicht einer belagerten Stadt, für Touristen gibt es oft kein Durchkommen. Bewaffnete Soldaten patrouillieren zum Schutz vor Terror und Gefahren, Polizisten sichern Straßensperren, Hubschrauber sind in der Luft und Schnellboote mit Beamten auf der Seine unterwegs. Das in Sicherheitsfragen erprobte Nachbarland setzt auf totale Mobilisierung. 45.000 Sicherheitskräfte werden zur Eröffnung der Spiele am Freitag im Einsatz sein. Frankreich hatte schon im März die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen.

Wie Innenminister Gérald Darmanin sagte, bleibe die terroristische Bedrohung in Frankreich »extrem hoch«, immer wieder gab es in den letzten Tagen Zwischenfälle, die die Einsatzkräfte alarmierten. Mit Terror und Olympia hatte das aber nichts zu tun, versichern die verantwortlichen Stellen. »Soweit uns bekannt ist, gibt es keine charakteristische Bedrohung der Sicherheit der Olympischen Spiele«, beteuerte Darmanin im Journal du Dimanche. Frankreich gibt sich maximal gerüstet. Neben den Zehntausenden Polizisten, die aus dem ganzen Land nach Paris und in die anderen Austragungsstätte der Spiele beordert wurden, hat die Armee in der Hauptstadt ein Lager für 4.500 Soldaten eingerichtet. Während der gesamten Dauer Olympias mobilisieren die Streitkräfte insgesamt 15.000 Soldaten. Hunderte Spezialkräfte der französischen Luftwaffe überwachen den Luftraum. (GEA/dpa)