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Nicht mit aller Gewalt

Vor dem Heim-Weltcup in Oberhof gilt für Denise Herrmann, den Druck nicht zu groß werden zu lassen

Denise Herrmann hat Sieg-Potenzial, aber beim Schießen fehlt die Konstanz.  FOTO: WITTERS
Denise Herrmann hat Sieg-Potenzial, aber beim Schießen fehlt die Konstanz. FOTO: WITTERS
Denise Herrmann hat Sieg-Potenzial, aber beim Schießen fehlt die Konstanz. FOTO: WITTERS

OBERHOF. Erst mal einen Kaffee. Mitunter sind es die kleinen Dinge im Leben, die Freude bringen. Aufwärmen. Weil sich der Regen und der Wind binnen einer Stunde durch diverse Textilschichten gefressen und die Haut ausgekühlt haben. »Das ist Oberhof, wie wir es kennen«, sagt Florian Steirer, Disziplintrainer der deutschen Biathlon-Frauen. Nass. Neblig. Nicht nett. Daher haben sie die Einheit gestern in der Arena am Rennsteig auf das Nötigste reduziert. Um schnell wieder ins Trockene zu kommen – und vor dem Sprint heute (14.30 Uhr/ARD) keine Infekte zu riskieren.

Preuß ist krank

Darum geht es, denn nach den hohen Anforderungen im ersten Weltcup-Drittel und den Witterungsbedingungen vor Weihnachten in Frankreich haben einige Athleten mit Erkältungssymptomen gekämpft. Heftiger erwischt hat es Franziska Preuß. Die Nasenneben- und Stirnhöhlen der 25-Jährigen sind entzündet. Die 13. im Gesamtweltcup sei zwar gemeldet für den Heim-Weltcup in Thüringen, doch eine Teilnahme wäre frühestens für Sonntag im Massenstart realistisch, meint Steirer.

Gesunde Athletinnen haben Priorität, denn die wichtigste Aufgabe von Florian Steirer und seinem Kollegen Kristian Mehringer ist es, die deutschen Frauen nach den teils historisch schlechten Ergebnissen wieder in die Spur zu bringen – und die Lücke, die nach dem Rücktritt von Olympiasiegerin Laura Dahlmeier klafft, zu minimieren. Eine Ausnahmeathletin ist aber nicht auf die Schnelle zu ersetzen. »Nehmen wir mal bei Italien die Doro Wierer weg oder bei Schweden eine Hanna Oeberg, dann bleibt auch nicht mehr so viel«, sagt Florian Steirer zum Thema Spitzenklasse.

Etwas Druck rausnehmen, um die hohen öffentlichen Erwartungen zu drosseln. Insbesondere bei Denise Herrmann. Vor drei Jahren ist sie vom Langlauf gewechselt – und im Eiltempo zur Medaillenfrau gereift. Im März in Östersund feierte die 31-Jährige WM-Gold, flog gar mit einem edelmetallenen Satz zurück. Ein jeder attestiert Herrmann das Potenzial zur Siegläuferin. »Vom Charakter und der Laufstärke ist sie auf jeden Fall eine Führungsperson«, sagt Florian Steirer. Nur am Schießstand fehlt es an Konstanz. »Denise will mit aller Gewalt zeigen, was sie kann. Der Schuss geht auch mal nach hinten los.« Wie in Hochfilzen, wo sie in Sprint und Verfolgung Erste wird – und in der Staffel drei Strafrunden schießt. Zuletzt hat Herrmann nach Absprache mit Blick auf die WM einen Höhen-Trainingsblock in Davos eingeschoben.

Junge Athletinnen wie Janina Hettich und Marion Deigentesch sollen im (Wind-) Schatten von Herrmann und Preuß behutsam aufgebaut werden. Ihr Job ist es noch nicht, in die Bresche zu springen. Es wäre zu viel Druck, vor zwei Jahren sind sie noch nicht mal im zweitklassigen IBU-Cup gestartet. »Es ist für sie schwer, in die Top 15 zu laufen«, sagt Steirer und nennt Rang 23 von Hettich im Sprint von Le Grand Bornand »sehr ordentlich«.

Es gilt zu differenzieren. Zwischen den Neulingen und den Arrivierten wie einer zuletzt völlig außer Form laufenden Franziska Hildebrand. Mal ist der Psychologe und Aufbauer Steirer gefragt, mal der Trainer, der Klartext redet. (GEA)