BERLIN. Das nächste Testspiel-Heimspiel gegen Italien abgesagt, die Auswärts-Partie in Spanien praktisch unmöglich und auch die Fußball-EM im Sommer nicht vorstellbar.
Bundestrainer Joachim Löw muss abwarten - höchstwahrscheinlich sogar bis zum September. Bis dahin werden die deutschen Fans ihre Lieblinge um Serge Gnabry, Toni Kroos und Manuel Neuer wohl nicht mehr im Adler-Trikot spielen sehen.
»Aktuell sollen auch unsere anstehenden Länderspiele vor leeren Rängen stattfinden. Dieses Szenario, ausgerechnet gegen große Fußballnationen wie Spanien und Italien, kann ich mir gar nicht vorstellen. Ich gehe davon aus, dass die Spiele auf Basis der heutigen Faktenlage nicht stattfinden können«, hatte DFB-Präsident Fritz Keller bereits vor der Nürnberg-Absage zu den Auswirkungen der Coronavirus-Krise auch für die Nationalmannschaft und Bundestrainer Löw gesagt.
Die Pandemie bringt auch die Nationalelf für lange Zeit zum Erliegen. Es wird erwartet, dass am Dienstag die Europäische Fußball-Union UEFA nicht nur den vom Weltverband empfohlenen Verzicht auf die beiden März-Länderspieltermine beschließt, sondern auch die Alternative für die EM-Endrunde behandelt. Dass bei der steigenden Gefahr durch das Coronavirus das geplante paneuropäische Turnier in gleich zwölf Ländern wie geplant am 12. Juni in Rom angepfiffen wird, halten derzeit auch die Verantwortlichen des DFB für quasi unmöglich.
Erste Alternative ist die Verlegung der EM in den Sommer 2021. Das würde auch den Deutschen Fußball-Bund als Mitgastgeber in die Lage versetzen, die schon jetzt enormen personellen und wirtschaftlichen Aufwendungen für die drei Gruppenspiele der deutschen Mannschaft und ein Viertelfinale in München nicht umsonst zu betreiben. Allerdings müsste die UEFA für den Fall bei der FIFA durchsetzen, dass die für 2021 angesetzte Club-WM zu einem anderen Termin stattfindet.
Zweites mögliches Resultat des UEFA-Videomeetings, an dem für den DFB Vizepräsident Rainer Koch teilnimmt, ist die EM-Komplettabsage. So oder so wäre der nächste Auftritt von Löws Team am 3. September zum Start der neuen Nations League gegen Spanien - ein knappes halbes Jahr später als eine geplante Begegnung mit den Iberern.
Der für den 26. März angesetzte Spanien-Test ist zwar noch nicht abgesagt. Doch die angespannte Situation in Madrid, seit Samstag Risikogebiet, schließt das Spiel aus. Unter anderen stehen die Profis von Real derzeit unter Quarantäne, der Spielbetrieb ist auch in Spanien eingestellt. Die für den 31. März terminierte Partie gegen Italien hat die Stadt Nürnberg verboten. Die fränkische Metropole, in der gespielt werden sollte, hat wegen der Epidemie alle Veranstaltungen mit mehr als 100 Menschen verboten. Ohnehin sollten Zuschauer keinen Einlass haben.
Dass der DFB beide Partien nicht schon selbst offiziell abgesagt hat, steht auch mit versicherungstechnischen Dingen in Zusammenhang. Ein Länderspiel beschert dem Verband allein TV-Einnahmen von bis zu zehn Millionen Euro. Für den DFB ist die Nationalmannschaft die mit weitem Abstand größte Einnahmequelle. Wenn die 55 UEFA-Mitgliedsländer am Dienstag wegen der weltweiten Coronavirus-Krise die Generalabsage beschließen, könnte der Versicherungsfall greifen.
Die sonst gültige Abstellungspflicht für Profis für die geplanten Länderspiele im März hob der Weltverband bereits auf. »Die FIFA ist sich bewusst, dass die Austragung von Spielen in der derzeitigen Lage ein Gesundheitsrisiko für die Spieler (und die Öffentlichkeit) darstellt und darüber hinaus sehr wahrscheinlich auch die sportliche Integrität dieser Spiele beeinträchtigt, da bestimmte Teams im Gegensatz zu anderen nicht mit ihren besten Spielern antreten können«, hieß es in einer FIFA-Mitteilung.
Zuletzt war ein Länderspiel der DFB-Auswahl am 17. November 2015 abgesagt worden. Die Partie gegen die Niederlande konnte vier Tage nach den Anschlägen von Paris wegen einer Terrorwarnung in Hannover kurzfristig nicht stattfinden. Abgesagt worden waren zuvor im Jahr 2009 ein Test gegen Chile wenige Tage nach dem Suizid von Nationaltorwart Robert Enke und ein Spiel gegen England im April 1994 wegen befürchteter rechtsradikaler Fan-Ausschreitungen.
Zudem wurde im November 1990 das geplante Vereinigungs-Spiel des DFB-Teams gegen eine Auswahl von ehemaligen DDR-Spielern gestrichen, nachdem es bei Zusammenstößen zwischen Polizisten und Hooligans nach einer Oberligapartie in Leipzig einen Toten gegeben hatte. (dpa)