Rom (dpa) - Im Kolosseum von Rom posierte Frank Stäbler mit seiner Goldmedaille stolz für Erinnerungsfotos - bei seinem fulminanten EM-Triumph hatte er sich schon auf dem Pfad der alten Gladiatoren gewähnt.
Seine allergrößte Herausforderung steht dem Ringer aber in den nächsten Monaten noch bevor. Angetrieben vom Gold-Schwung bei den Europameisterschaften will er in einem halben Jahr zum Finale seiner Karriere auch noch Olympiasieger werden. Eine Medaille bei Sommerspielen fehlt dem dreimaligen Weltmeister und zweimaligen Europameister noch. Stäbler glaubt fest an den ganz großen Wurf.
»Ich nehme die Motivation und Euphoriewelle mit und schwimme darauf die nächsten fünfeinhalb Monate nach Tokio«, kündigte er an. Am Tag nach seinem beeindruckenden Final-Coup besuchte der Mattenkämpfer standesgemäß das Kolosseum und meinte: »Ich bin einfach nur happy.«
Dieser Frank Stäbler ist ein Phänomen: Sorgte er mit seinen drei WM-Titeln in drei verschiedenen Gewichtsklassen bereits für ein Novum in der langen Ringer-Geschichte, so schrieb er auch bei seiner letzten Europameisterschaft noch eine Erfolgsstory. »Bombastisch, hammermäßig, unglaublich - mir gehen die Superlative aus«, sagte er nach seinem hart erkämpften Finalsieg über den Georgier Iuri Lomadze. Dabei war die EM vor allem ein Teil der Vorbereitung für Olympia.
In der Ewigen Stadt war dem 30-Jährigen ein Auftakt nach Maß gelungen in die letzte Tortur seiner Laufbahn, die nach einem Urlaub mit der Familie beginnen wird. Mit der Aussicht auf Monate voller Entbehrungen und Leiden genoss Stäbler die Momente seines Finalerfolgs, drehte mit der Deutschland-Fahne und den Trainern eine kleine Ehrenrunde auf der Matte. Dann stieg er hoch auf die Tribüne, wo er seine Frau Sandra herzte und Töchterchen Alia stolz hochhob.
Stäbler will Olympiasieger werden, dafür wird er sich quälen. Weil seine ideale Gewichtsklasse bis 72 Kilogramm in Tokio nicht olympisch sein wird, muss der Baden-Württemberger in den nächsten Monaten kontinuierlich abnehmen, ehe in den letzten Tagen vor Olympia eine Extrem-Diät inklusive Nahrungs- und Wasserentzug ansteht. Von seinem Normalgewicht von rund 75 Kilogramm muss er auf die olympischen 67 Kilogramm runter - dabei hat Stäbler schon jetzt kaum Fett am Körper.
Und als wäre das Extrem-Hungern nicht schwer genug, dürfte es in Tokio bei Hitze und hoher Feuchtigkeit noch härter werden. »Wir haben einen Masterplan«, berichtete Stäbler. Dennoch gebe es bei seinem Vorhaben »ganz, ganz viele Fragezeichen. Es wird spannend werden.«
Aber der ehrgeizige Athlet glaubt an sich - diese Einstellung ließ ihn schon fünf große Ringertitel gewinnen und etliche Hürden überwinden. Jüngst erzählte er von einem Auswahltrainingslager, als der Familienvater anders als zwei junge Sparringspartner in der Früh vor Muskelkater und Rückenschmerzen kaum seine Socken anziehen konnte. »Ich werde zu alt für diesen Scheiß«, sagte er scherzhaft.
Wegen einer skurrilen Provinzposse darf er zu allem Überfluss nicht in die Trainingshalle seines Heimatortes Musberg. Er baute sich deshalb im alten Hühnerstall des elterlichen Bauernhofes einen eigenen Ringerraum und taufte diesen »Frank Stäbler Worldcamp«.
»Er kann jeden auf der Welt schlagen«, sagte Jannis Zamanduridis. Der Verbands-Sportdirektor erklärte der Deutschen Presse-Agentur, das EM-Gold sei für Stäbler ein »Meilenstein in Richtung Olympia, der ihn weiter festigt. Er hat sich schon so einen Namen erkämpft, dass jeder, der gegen ihn antritt, automatisch verhaltener ringt.«
Im Finale von Rom ließ er auch dem unorthodox starken Lomadze keine Chance und gewann 6:2 nach Punkten, obwohl er eineinhalb Minuten vor Schluss »stehend k.o.« war, wie er erzählte. Aber Frank Stäbler ist ein Motivations- und Mentalitätsmonster. »Mein fünfter Titel... unglaublich«, stammelte er danach. »Die Road to Tokyo läuft!«