FRANKFURT/MAIN. Die deutsche Justiz und die NADA haben nach dem Geständnis des österreichischen Ski-Langläufers Johannes Dürr, in Deutschland Blutdoping betrieben zu haben, die Suche nach den Hintermännern aufgenommen.
»Es geht auch darum, ob es diese Handlungsstränge, ominösen Routen und konspirativen Kreise im Wintersport noch gibt oder es in anderen Sportarten ähnlich funktioniert«, erklärte Lars Mortsiefer, Vorstand der Nationalen Anti-Doping-Agentur, am Freitag.
Dürr hatte in der am Donnerstag gesendeten ARD-Doku »Die Gier nach Gold - der Weg in die Dopingfalle« zugegeben, seit 2013 Behandlungen mit Eigenblut auch in und in der Nähe von München sowie im thüringischen Oberhof vor einem Wettkampf gehabt zu haben. Der 31-Jährige war bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi des Blutdopings mit EPO überführt und für zwei Jahre gesperrt worden.
Einen Tag nach der Ausstrahlung der TV-Dokumentation hat die für Doping zuständige Staatsanwaltschaft München ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen der Anwendung von Dopingmethoden eingeleitet. »Die unbekannten Personen, die am Zeugen Johannes Dürr Dopingmethoden angewandt haben, können sich strafbar gemacht haben«, erklärte Oberstaatsanwältin Anne Leiding auf dpa-Anfrage. Sie bestätigte auch den Eingang eine Strafanzeige der NADA.
Die Bonner Agentur versucht zudem Kontakt mit Dürr (»Ich will kein Verräter sein«) aufzunehmen. Er hat bisher keine Namen von Beteiligten genannt, die ihm beim Doping geholfen haben. »Ich habe ihm eine Mail geschrieben, dass er sich bitte melden soll«, berichtete Mortsiefer. »Der NADA geht es darum, an die Hintermänner heranzukommen.«
Dass die österreichische NADA prüft, ob Dürrs Bekenntnis, 2013 und Anfang 2014 Eigenblut-Behandlungen gehabt zu haben, ein eventuell in seinem Heimatland zu sanktionierendes Vergehen sein könnte, dürfte ihn eher schweigsamer als redseliger werden lassen.
Mortsiefer hofft aber auch, dass der ARD-Film ein »Auslöser und Weckruf« für Athleten, Trainer oder Eltern sein kann, sich zum Beispiel über das NADA-Portal »Sprich's an« zu melden und zumindest anonym Hinweise über ähnliche Doping-Vorgänge zu geben.
»Mir ist beim Anschauen viel durch den Kopf gegangen, es ist ein sehr emotionaler Film, der bei mir viel Unverständnis aufwirft«, sagte Biathlon-Rekordweltmeisterin Magdalena Neuner am Donnerstagabend in der ARD. »Für mich als ehemalige Leistungssportlerin sind ein paar Dinge dabei, bei denen ich wirklich schlucken muss.« Sie tue sich aber schwer damit zu sagen, das ist so oder das ist nicht so, weil man es nicht weiß: »Johannes Dürr hat seine Sicht der Dinge erzählt.«
Nach dessen Doping-Beichte, in der er auch erzählt, wie er zum Doper wurde, wie er damit haderte und welche Ängste er hatte, hält Neuner ein von Dürr angestrebtes Comeback nicht für richtig. »Ich finde nicht, dass er zurück sollte in den Leistungssport, weil er ganz genau wusste, was er tat«, betonte sie. Er hat sich ganz bewusst dafür entschieden, zu unerlaubten Mitteln zu greifen. »Ich finde es menschlich schon schwierig, anderen Sportlern wieder unter die Augen zu treten und wieder antreten zu wollen.«
Für den Nürnberger Doping-Experten Fritz Sörgel ist es keine Überraschung, dass Dürr Eigenblut-Behandlungen in Deutschland vornehmen ließ. »Wir haben in Deutschland eine gewisse Historie«, sagte er. So habe 2006 der Radprofi Patrik Sinkewitz gestanden, mit Hilfe von Ärzten der Freiburger Universitätsklinik Eigenblut-Doping betrieben zu haben. »Das es dafür Know-how in Deutschland gibt, wissen wir seitdem«, meinte Sörgel. (dpa)