AMSTERDAM. Die dänischen Fußballer wollten den Rasen der Amsterdam Arena einfach nicht verlassen. Immer wieder machte sich einer von ihnen auf den Weg in eine der beiden Fankurven, in denen ihre Landsleute auch eine halbe Stunde nach Schlusspfiff noch ausgelassen ihre Lieder schmetterten.
Doppel-Torschütze Kasper Dolberg, Torwart Kasper Schmeichel, Trainer Kasper Hjulmand - vor allem die Kasper-Truppe wurde nach dem Einzug ins EM-Viertelfinale frenetisch gefeiert. »Das waren einfach unglaubliche Szenen«, sagte Dänen-Coach Hjulmand am Samstag nach dem 4:0 (1:0) gegen desolate Waliser. »Es ist schwer zu glauben, dass das wirklich Realität ist.«
Getragen auf einer Welle der Euphorie
Zwischen den dramatischen Momenten rund um den Kollaps ihre Kapitäns Christian Eriksen und den Partyszenen von Amsterdam, wo Eriksen einst seine Profikarriere begann, liegen gerade einmal zwei Wochen. 14 Tage, in denen aus einem soliden Kandidaten für die K.o.-Runde eine Mannschaft geworden ist, die auf einer Welle der Sympathie und Euphorie durch das Turnier reitet. Diesen Dänen ist bei der Fußball-EM nun alles zuzutrauen. Ganz Dänemark träumt von einer Wiederholung der märchenhaften Europameisterschaft 1992, in der Danish Dynamite im Endspiel gegen Deutschland den Titel holte.
»Der Kollaps von Christian hat alles verändert. Wir brauchten in diesem Moment die Liebe und die Unterstützung. Das hat uns Flügel gegeben«, sagte Hjulmand voller Pathos. Auf diesen Flügeln schweben sie nun erst einmal bis nach Baku, wo im Viertelfinale am nächsten Samstag der Gegner Niederlande oder Tschechien heißt. »Natürlich haben wir jetzt ganz viel Selbstvertrauen und sind optimistisch, dass wir das nächste Spiel gewinnen«, sagte Dolberg.
Der Stürmer ist ein Beispiel dafür, wie den Dänen derzeit einfach alles gelingen will. Nur weil Leipzigs Yussuf Poulsen kurzfristig wegen einer Verletzung passen musste, rutschte der Angreifer in die Startformation. Und wurde dort, wo er von 2016 bis 2019 für Ajax Amsterdam gespielt hatte, zum Matchwinner. »Ich habe schon auf dem Weg zum Stadion gemerkt, dass das heute etwas ganz Besonderes ist«, sagte Dolberg, inzwischen in Frankreich bei Nizza unter Vertrag.
Besondere Party-Stimmung
Auf dem Weg zur Arena wurden die Dänen bereits von einem rot-weißen Fahnenmeer begleitet. Tausende Dänen hatten den Kurztrip in die Niederlande auf sich genommen, wo sie sich wegen der aktuellen Corona-Bestimmungen nur für zwölf Stunden aufhalten durften. Doch diese zwölf Stunden werden sie so schnell nicht vergessen. Die Dänen brachten die Partystimmung aus dem Kopenhagener Stadion Parken einfach mit in die Grachtenstadt. »Ich kann unseren Landsleuten gar nicht genug danken«, sagte Hjulmand, »diese besondere Stimmung bedeutet uns unglaublich viel«.
Dass es auch in Baku so stimmungsvoll weiter geht, ist angesichts der Entfernung und der strengen Einreiseregelungen schwer vorstellbar. Doch zumindest einige Dänen-Fans werden auch das möglich machen. »So geht es nach Baku«, schrieb die Zeitung »Ekstra Bladet« schon am Sonntag auf ihrer Homepage. »Wir müssen einfach alles aufsaugen, was wir erleben und es für das nächste Spiel nutzen«, sagte Hjulmand.
Am Samstag war der EM-Triumph von 1992 auf den Tag genau 29 Jahre her. Kaum einer hätte es für möglich gehalten, dass die Dänen knapp drei Jahrzehnte später plötzlich wieder vom ganz großen Coup träumen können. Zumindest die Reise nach London zu den Halbfinals scheint mit dieser Energie und Geschlossenheit nicht ausgeschlossen.
»Ich kann keine Ergebnisse versprechen, aber ich kann versprechen, dass wir wieder fighten werden. Die Jungs sind Krieger«, sagte Hjulmand über seinen verschworenen Haufen. »Wir werden am Samstag wieder alles geben«, versprach den Dänen-Coach - »mit allen Kaspers, die wir haben«. (dpa)