Melbourne (dpa) - Der Gang ins Eisbad war für Angelique Kerber ein Muss. Nach ihrem wechselhaften und mehr als zwei Stunden zehrenden Auftritt in der dritten Runde der Australian Open rückte schnell die notwendige Regeneration für den erhofften Einzug ins Viertelfinale in den Fokus.
Vom sportlich schwachen Jahr 2019 will sich Kerber Down Under befreien. »Ich weiß, was ich kann«, sagte die dreimalige Grand-Slam-Siegerin am Samstag in Melbourne. »Das Turnier ist noch nicht zu Ende. Wir haben noch ein paar Runden zu spielen.«
Gelöst und gar nicht mehr so unsicher wie oft in den vergangenen Monaten erzählte die deutsche Nummer eins, dass sie sich nach dem »schwierigen Kampf« und dem 6:2, 6:7 (4:7), 6:3 gegen die Italienerin Camila Giorgi erst einmal im Eisbad erholte. Ebenso erleichtert hatte Kerber in der Margaret-Court-Arena gewirkt, als sie sich nach dem verwandelten Matchball mit der Faust aufs Herz klopfte.
»Ich hatte keine großen Erwartungen, die ich immer noch nicht habe. Ich habe alles zur Seite gelegt, auch den Druck und alles, was auf meinen Schultern gelastet hat«, sagte die 32-Jährige. Understatement hat ihr bei ihren Erfolgen stets geholfen.
Einen solch passiven Auftritt wie gegen Giorgi wird sich Kerber am Montag gegen die Russin Anastasia Pawljutschenkowa vermutlich nicht erlauben dürfen, soll nicht wie im Vorjahr beim ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres im Achtelfinale Schluss sein.
Pawljutschenkowa bewies auch mit ihrem Sieg über die an zwei gesetzte tschechische Mitfavoritin Karolina Pliskova, dass sie nicht nur Kerber zur Verzweiflung treiben kann. »Es ist eine große Herausforderung. Es ist nie einfach für mich, gegen sie zu spielen«, sagte Kerber. »Sie spielt sehr unangenehm. Ich muss gucken, wie ich das hinbekomme.« Insgesamt sieben Siege und sieben Niederlagen stehen in der Bilanz. Fast die Hälfte der Partien zog sich über drei Sätze.
Die Linkshänderin verbindet mit der Nummer 30 der Welt auch unschöne Erinnerungen. Das bisher letzte Duell vor vier Monaten ging in zwei Sätzen an die Russin, die das druckvolle Powertennis deutlich besser beherrscht als Giorgi.
Die 28-Jährige aus dem italienischen Macerata schenkte Kerber reihenweise Punkte, auch als im dritten Satz wenige Ballwechsel über Sieg oder Niederlage, über Heimreise oder Achtelfinale entschieden. Elf Doppelfehler und 65 vermeidbare Fehler listete die Statistik für Giorgi auf. Für Kerber nur 16.
Dennoch wackelte die Schleswig-Holsteinerin zwischenzeitlich. »Ich kann nicht mehr. Es geht nichts mehr«, fluchte Kerber zu Beginn des dritten Satzes. Sie quälte sich mit der Unsicherheit, wie und ob ihre Oberschenkelblessur mitmachen würde: »Es hat zum Glück gehalten. Es steht an oberster Stelle, dass es meinem Körper gut geht und dass ich für die nächste Runde wieder bereit bin.«
Immerhin folgten auf den holprigen Saison-Auftakt mit mehr negativen als positiven Eindrücken drei Siege beim ersten Grand-Slam-Turnier der Saison. Und anders als eine Reihe von besser gesetzten Spielerinnen wie Titelanwärterin Pliskova, Vorjahressiegerin Naomi Osaka oder Grand-Slam-Rekordjägerin Serena Williams stolperte Kerber noch nicht. »Ich versuche, meine großartigen Erinnerungen mit auf den Platz zu nehmen. Ich denke, dass ist der Grund, warum ich hier gut spiele«, sagte die Nummer 18 der Welt.