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Kampf für homosexuelle Kollegen: Fußball-Solidaritätsaktion

Spektakuläre Solidaritätsaktion des Magazins 11Freunde. Hitzlsperger: Ein Schritt in die richtige Richtung

Almuth Schult.  FOTOS: 11FREUNDE
Almuth Schult. Foto: 11FREUNDE
Almuth Schult.
Foto: 11FREUNDE

BERLIN. Früher gab es Schlagzeilen, die fragten: »Wie schwul ist die Bundesliga?« Oder es wurde spekuliert, wann sich der erste Profi outet. Heute gibt es das Magazin 11Freunde, das am Mittwoch in einer aufsehenerregenden Aktion das Thema Homosexualität vom Kopf auf die Füße stellt. Es ist eine Solidaritätsbekundung von über 800 Profis mit schwulen Kollegen, denen sie Unterstützung zusichern und ihnen zurufen: »Ihr könnt auf uns zählen!« Das ist das Motto der Aktion, es prangt auf handgeschriebenen Zetteln, hochgehalten von bekannten Fußballern und einer Fußballerin. Sie sind abgebildet auf sechs verschiedenen Covern der neuesten Ausgabe das Magazins, dessen Schriftzug in den sechs Farben des Regenbogens gehalten ist.

»Auch im Jahr 2021 gibt es keinen einzigen offen homosexuellen Fußballer in den deutschen Profiligen der Männer«, heißt es in der Erklärung. »Die Angst, nach einem Coming-out angefeindet und ausgegrenzt zu werden und die Karriere als Profifußballer zu gefährden, ist offenbar immer noch so groß, dass schwule Fußballer glauben, ihre Sexualität verstecken zu müssen.«

Spieler aus über 60 Vereinen aus der Bundesliga, der 2. Bundesliga, der 3. Liga und der Frauen-Bundesliga hatte die Redaktion um Unterstützung gebeten. Zu den Unterzeichnern gehören bekannte Spieler wie Max Kruse, Christopher Trimmel (beide Union Berlin), Niklas Stark (Hertha BSC), Jonas Hector (1. FC Köln), Bakery Jatta (Hamburger SV), die Nationalspielerinnen Almuth Schult und Alexandra Popp (VfL Wolfsburg). »Wir werden euch unterstützen und ermutigen und, falls notwendig, auch gegen Anfeindungen verteidigen. Denn ihr tut das Richtige, und wir sind auf eurer Seite«, heißt es in dem Solidaritätsschreiben an homosexuelle Kollegen.

Mannschaftsräte unterschrieben für das ganze Team und fügten Erklärungen an, wie zum Beispiel Hannover 96: »Wir sind im Jahr 2021! Jeder sollte lieben dürfen, wen immer er lieben möchte. Das sollte etwas ganz Normales sein. Am Ende profitieren wir alle von einem offenen Miteinander in einer vielfältigen Gesellschaft. Aber diese Offenheit darf nicht nur ein Wort sein, sie muss auch von uns allen gelebt werden.« Es unterzeichneten beispielsweise Lars Stindl, Matthias Ginter, Breel Embolo, Yann Sommer, Tony Jantschke und Trainer Marco Rose für Borussia Mönchengladbach sowie Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke für Borussia Dortmund und alle 850 Mitarbeiter des Vereins.

Neue Perspektive Ziel des Magazins

Einige wenige Vereine tauchen in der Liste nicht auf, doch das ändert nichts an der außergewöhnlichen Signalkraft der Aktion. »Wir wollten weg von dem Blickwinkel der schwulen Fußballer, die man zum Outing ermuntert und über deren Lage im Profisport man spekuliert«, erklärt Chefredakteur Philipp Köster, »wir wollten eine neue Perspektive, indem wir die Spieler in die Pflicht nehmen. Sie sagen: Wir stellen uns schützend vor euch und erklären das in aller Öffentlichkeit!«

Es ist die ebenso einfache wie geniale Idee dieses Perspektivwechsels, die der Aktion Aufmerksamkeit verschafft. Mehr als jede durchgestylte Kampagne von Vereinen und Verbänden gibt das persönliche Bekenntnis von über 800 Spielern dem Aufruf Kraft und Wirkung. Wenn Max Kruse sagt »Wenn sich einer meiner Kollegen outen würde, würde ich ihn vor Idioten draußen schützen«, dann stiftet das mehr Identität als jede Bande mit dem Slogan einer Werbeagentur.

Aus Köln meldete sich Ex-Nationalspieler Jonas Hector mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Charta seines Vereins, in der es heißt: »Herzlich willkommen in der schönsten Stadt Deutschlands. Egal, woher du kommst, was du glaubst, was du hast oder bist, wie du lebst und wen du liebst.« Auch die Profis von Mainz 05 unterschrieben nicht nur, sondern betonten, es sei der Kern der Identität ihres Clubs, Toleranz vorzuleben.

Zum Outing soll ausdrücklich niemand gedrängt werden, heißt es in dem Schreiben: »Das ist die freie Entscheidung jedes Einzelnen. Aber wir wollen, dass sich jeder, der sich dafür entscheidet, unserer vollen Unterstützung und Solidarität sicher sein kann.« Als erster prominenter deutscher Fußballer hatte Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger 2014 seine Homosexualität öffentlich gemacht, nach dem Ende seiner sportlichen Karriere. »Wieder ein Schritt in die richtige Richtung – well played,@11Freunde«, twitterte der heutige Sportvorstand des VfB Stuttgart. »Starke und wichtige Aktion«, schrieb der DFB bei Twitter.

Am selben Tag hatte der ehemalige Nationalspieler Philipp Lahm bei der Präsentation seines Buchs dagegen nicht viel Neues zu sagen. Er begrüßte zwar die Initiative, warnte aber zugleich schwule Fußballer vor dem Outing: »Gegenwärtig schienen mir die Chancen gering, so einen Versuch in der Bundesliga mit Erfolg zu wagen und nur halbwegs unbeschadet davonzukommen«. Es klang ein bisschen nach gestern. Heute ist »Ihr könnt auf uns zählen!«. (GEA/dpa)

 

Christopher Trimmel.
Christopher Trimmel.
Christopher Trimmel.
Max Kruse.
Max Kruse. Foto: 11FREUNDE
Max Kruse.
Foto: 11FREUNDE
Dedryck Boyata (links) und Niklas Stark.
Dedryck Boyata (links) und Niklas Stark. Foto: 11FREUNDE
Dedryck Boyata (links) und Niklas Stark.
Foto: 11FREUNDE