Frankfurt/Main (dpa) - Ein cooler und geschmeidiger Riese wie Erling Haaland, ein Brecher wie Wout Weghorst, eine Kante wie Bas Dost und ein Modellathlet wie Robert Lewandowski sowieso: In der Fußball-Bundesliga sind die lange verschmähten Mittelstürmer wieder gefragt.
Von der »falschen 9« wie einst bei Mario Götzes Glanzzeiten spricht niemand mehr, sondern von der Rückkehr der 9.
THESE: Der Typ des echten Mittelstürmers ist zurück in der Bundesliga.
BEWERTUNG: Die 9 feiert zwar ein Comeback, aber vom zentralen Stürmer von heute wird enorme Vielseitigkeit verlangt.
FAKTEN: Auf den ersten Blick sind die alten Neuner wieder da: Brecher wie Bas Dost (Eintracht Frankfurt), Sebastian Andersson (Union Berlin), Patrik Schick (RB Leipzig), Wout Weghorst (VfL Wolfsburg), Jhohn Cordoba (1. FC Köln) - und nicht zuletzt Borussia Dortmund Jungstar Erling Haaland. Große und kräftige Mittelstürmer.
Einen Offensiv-Mann alter Schule kann man gelegentlich in der 2. Liga beim VfB Stuttgart beobachten: Dort überzeugte Ex-Nationalstürmer Mario Gomez zuletzt als Joker. Gefragt sind inzwischen allerdings vor allem Typen, die das Gesamtpaket liefern - Robert Lewandowski ist der Prototyp dafür: Durchsetzungsfähig, treffsicher, kopfballstark, vielseitig - und vor allem auch spielstark. Außerdem arbeitet er auch nach hinten. Ein Modellathlet, den man einst in Dortmund »The Body« nannte. Der polnische Stürmer des FC Bayern München führt nicht umsonst die Torschützenliste mit 21 Treffern an und könnte im Mai zum fünften Mal die Torjäger-Kanone gewinnen.
Auch Newcomer Haaland gilt - zumindest nach seinen fünf Toren in den ersten beiden Spielen für den BVB - als ein kompletter Angreifer. Mit 1,94 Meter hochgeschossen, für seine 19 ziemlich abgeklärt beim Abschluss und mit feinem Füßchen im Zusammenspiel.
Derzeit zweitbester Schütze hinter Lewandowski ist allerdings mit dem Leipziger Timo Werner (20) ein pfeilschneller Raumeroberer - ein ganz anderer Typ als der Mittelstürmer aus dem Lehrbuch. Allerdings profitiert der Nationalstürmer auch von einem zentralen Angreifer wie Schick, der Lücken für seinen Nebenmann reißt. Und Frankreich ist 2018 Weltmeister geworden mit einem Olivier Giroud als Prellbock im Angriff. Nicht einen einzigen Torschuss gab er während des Turniers ab, geschweige denn, dass er getroffen hätte.
Als Prototyp des flotten Offensiv-Dreiers gilt der Paradesturm des FC Liverpool unter Jürgen Klopp mit Mohamed Salah, Sadio Mané und Roberto Firmino, die ständig die Positionen wechseln und unglaublich schwer zu verteidigen sind.
Und dann gibt es noch Neuner, die rennen und rackern, bis der Ball endlich im Netz ist - wie Augsburgs Florian Niederlechner. Und Knipser Nils Petersen, den Rekordtorjäger des SC Freiburg: mit großartiger Schusstechnik und dem perfekten Gespür. »Du brauchst vorne die Knipser, die sterben nie aus«, sagt Miroslav Klose. Der Weltmeister ist mit 71 Treffern erfolgreichster Schütze der Nationalmannschafts-Historie und war wie heute Lewandowski ein oft perfekter Alleskönner im Strafraum.
Die Mittelstürmer von einst verteidigen ihre Position vehement. »Im heutigen Fußball braucht es, um international konkurrenzfähig zu sein, in der Offensive beide Modelle, das spielerische wie das mit hohen Bällen«, erklärt Horst Hrubesch, das frühere Kopfballungeheuer, in seiner »Kicker«-Kolumne. Auch für ihn ist Lewandowski »das Maß aller Dinge. Er verkörpert beide Typen, die klassische wie die mitspielende 9.«
Für die Nationalmannschaft müsste man einen Keilstürmer erst wieder erziehen, so der frühere U21-Nationaltrainer. »Umso mehr freue ich mich, dass diese Stürmertypen in der Bundesliga wieder vermehrt kommen. Der echte Mittelstürmer ist wieder da.« Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic, einst Europameister mit der DFB-Auswhal auf dieser Postion, bekam schon immer »Juckreiz«, wenn jemand von einer hängenden Spitze oder einer falschen 9 sprach. Mit dem Niederländer Dost steht jetzt ein Baum von Stürmer im Eintracht-Sturm.