BRATISLAVA. 380,6 in der Slowakei, 376,6 in Ungarn: Die Sieben-Tage-Inzidenz in den Ausrichterländern der Handball-Europameisterschaft lag am Mittwoch noch in dem Bereich der Bundesrepublik (375,7). Weil die Omikron-Variante des Covid-Erregers zu Jahresbeginn aber den gesamten Kontinent in Atem hält, überschattet sie den Jahreshöhepunkt der Handballer. Vor den ersten Partien der Veranstaltung am heutigen Donnerstag wird weniger über Favoriten oder Sprungwürfe diskutiert, sondern über Hygienekonzepte und Quarantänezeiten.
»Wir haben an verschiedenen Stellen noch einmal nachgeschärft«, sagt Martin Hausleitner, Generalsekretär des europäischen Verbandes (EHF). Die EHF vertraut den Maßnahmen der Ausrichternationen und der jeweiligen Regierungen. Die haben beschlossen, trotz der hohen Inzidenzen Zuschauer in den Arenen zuzulassen. In der Slowakei, wo die deutschen Handballer in der Vor- und einer möglichen Hauptrunde in Bratislava antreten, ist eine Auslastung von 25 Prozent in den Hallen erlaubt, dabei gilt eine 2G-Regelung sowie die Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske.
In Ungarn gibt es hingegen keinerlei Einschränkung hinsichtlich der Kapazitäten, für den Einlass ist eine 3G-Regelung vorgesehen. Wie bei der Fußball-EM im vergangenen Sommer dürfen laut Entscheid der Regierung von Viktor Orban alle Plätze belegt werden, sodass es für die TV-Zuschauer unerwartete Bilder von vollen Arenen und Euphorie geben wird, wenn die ungarische Mannschaft antritt. Mit den Akteuren, die zum Turnierstart wegen einer Corona-Infektion fehlen, könnte man eine Mannschaft zusammenstellen, die zu den Titelkandidaten zählt. Die kroatischen Superstars Domagoj Duvnjak und Luka Cindric sind zunächst ebenso zum Zuschauen verdammt wie Jannick Green (Dänemark), Hampus Wanne (Schweden), Valentin Porte (Frankreich) oder das halbe serbische Nationalteam. Bei elf von 24 Nationen sind im Vorfeld der EM offiziell Infektionen aufgetreten, bei drei weiteren gibt es »unbekannte Gründe« für den Ausfall von Spielern. Dieser Stand hatte Dienstagmittag noch Gültigkeit.
Ohne Infektion ist bislang der deutsche Tross geblieben. Wie bereits bei der Männer- und Frauen-WM im vergangenen Jahr scheint die Hygienestrategie innerhalb des Deutschen Handballbundes (DHB) zu greifen. »Ich fühle mich manchmal wie der Karl Lauterbach des deutschen Handballs«, sagt DHB-Sportvorstand Axel Kromer. Lieber würde der Mössinger über die sportlichen Aussichten der umformierten deutschen Mannschaft sprechen, aber der Fokus der Öffentlichkeit ist auf Omikron und die Gefahren einer Ansteckung ausgerichtet.
»Von einem auf den anderen Tag kann das Turnier für jeden von uns schon vorbei sein«
»Wir müssen den Sport in den Mittelpunkt rücken«, wünscht sich Kromer. Er hofft darauf, dass weitere Infektionen ausbleiben, sobald das Turnier gestartet ist. Bei der Weltmeisterschaft vor einem Jahr in Ägypten gab es im Vorfeld der Veranstaltung Horror-Meldungen, währenddessen aber kaum noch Ansteckungen.
Auf einen ähnlichen Ablauf hoffen nun alle Beteiligten. Sicher ist sich dessen aber niemand. »Von einem auf den anderen Tag kann das Turnier für jeden von uns schon vorbei sein«, sagt der deutsche Nationalspieler Julius Kühn. Jeder Corona-Test kann das Ende des EM-Traums bedeuten, für jeden einzelnen Akteur, auch wenn die Mindestquarantänezeit für die Spieler von 14 auf fünf Tage reduziert wurde. Es dürfte wohl zu unerwarteten Resultaten kommen, sofern eine oder mehrere Mannschaften durch einen Corona-Ausbruch im Team geschwächt werden. Dennoch werden den Franzosen als aktuellem Olympiasieger und Dänemark als amtierendem Weltmeister die größten Chancen eingeräumt, am 30. Januar nach dem Endspiel in der 20 000 Zuschauer fassenden Arena in Budapest den EM-Pokal überreicht zu bekommen. Neben den Ungarn, die beim Turnier im eigenen Land überraschen wollen, sind Norwegen, Kroatien und wieder einmal Spanien favorisiert. Der Europameister von 2018 und 2020 hat einen personellen Umbruch hinter sich, könnte aber im Laufe des Turniers über sich hinauswachsen. Zumindest dann, wenn das Team von Corona-Infektionen verschont bleibt. (GEA)
EINZELZIMMER
Die deutschen Handballer sind am Mittwochnachmittag bei eisigen Temperaturen in ihrem EM-Vorrundenspielort Bratislava angekommen. Unmittelbar nach der Ankunft mussten die Spieler einen PCR-Test absolvieren. »Wir haben für jeden Spieler ein Einzelzimmer organisiert, was nochmal ein Riesenaufwand war für uns, weil das Hotel ja relativ voll war und das nicht vorgesehen war«, sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer vor dem Hotel im Zentrum der slowakischen Hauptstadt. Erster Gegner der DHB-Auswahl ist am Freitag (18 Uhr/ARD) Belarus. Zudem trifft das deutsche Team in der Vorrunde auf Österreich und Polen. Die zwei besten Mannschaften der Gruppe ziehen in die Hauptrunde ein. (dpa)