Melbourne (dpa) - Julia Görges strebt mit »Spaß« das Achtelfinale an, für Philipp Kohlschreiber fanden die Australian Open nach einer schlaflosen Nacht ein ebenso abruptes wie überraschendes Ende.
Der 36-Jährige musste in Melbourne auf das Match gegen den griechischen Tennis-Shootingstar Stefanos Tsitsipas verzichten. Der Grund: ein eingerissener Bauchmuskel. Es sei bei jeder Bewegung schmerzhaft, meinte Kohlschreiber. »Die ganze Nacht liege ich eigentlich wach und denke, kacke, mir tut alles weh da.«
Anzutreten habe keinen Sinn gemacht - außer: »Wenn es jetzt ein Grand-Slam-Finale gewesen wäre, wo man weiß, da kann man sich in dem Match abschießen und danach ist es vielleicht erst mal egal.« Aber für eine zweite Runde wollte Kohlschreiber keine längere Zwangspause und eine schlimmere Verletzung riskieren. Dabei weiß er im Gegensatz zu Görges nicht mal genau, wie es mit seiner Karriere weitergeht.
Wenn am Freitag ihre prominente Turnier-Weggefährtin Serena Williams dem 24. Grand-Slam-Titel weiter entgegeneilen und Roger Federer ein sensationelles Aus gegen seinen einstigen US-Open-Bezwinger John Millman vermeiden will, dann spielt auch die Bad Oldesloerin um den Einzug in die Runde der besten 16. Gegnerin der ehemaligen Wimbledon-Halbfinalistin wird Alison Riske aus den USA sein.
»Ich versuche weiter, mein Spiel zu spielen. Das ist das Wichtigste«, sagte Görges nach ihrem 4:6, 6:3, 7:5 und einem Auf und Ab mit Happy End gegen die Kroatin Petra Martic. Als sie in der Melbourne Arena nach ihrem erfolgreichen Comeback nach dem verlorenen ersten Satz die Arme hoch riss, schien sie ebenso überrascht wie ungläubig.
Es ist schon fünf Jahre her, dass sie in Melbourne die Chance auf die Runden mit der Endung Finale hatte und auch tatsächlich im Achtelfinale stand. Dass sie anders als ihre kommende Gegnerin Riske (18) nicht zu den gesetzten und damit nicht zu den favorisierten Spielerinnen zählt, nimmt sie mit einem Schulterzucken hin. »Ob man gesetzt ist oder nicht, macht nicht so einen großen Unterschied«, erklärte die deutsche Nummer zwei - ganz so, als wolle sie auch sagen: Wartet doch mal ab, was alles in mir steckt.
Im direkten Vergleich mit Riske führt Görges mit 2:1-Siegen und beförderte in Runde zwei eine Gesetzte aus dem Turnier: Martic, die Nummer 13. »Ich gehe mit sehr viel Spaß ran. Das ist das Einzige, was mir gut tut«, kündigte die Schleswig-Holsteinerin an.
Am bislang windigsten Tag der diesjährigen Australian Open trotzte die Weltranglisten-39. den schwierigen Bedingungen und biss sich ungeachtet einer teilweise hohen Fehlerquote durch. Im letzten Satz hatte Görges mit einem Break geführt, lag aber wieder 4:5 hinten. Nur vier Punkte mehr für ihre Martic, und sie wäre raus gewesen. »So ein Match auf so einem Platz mit so einer Atmosphäre, das sind die Matches für die man Tennis spielt«, sagte Görges.
Kohlschreiber verpasste ein solches Match. Ihn hätte wohl eine außergewöhnliche Kulisse gegen den in Melbourne von griechischen Fans stark unterstützten 15 Jahre jüngeren Tsitsipas erwartet. Es ging einfach nicht. Ein weiterer Schritt Richtung Karriereende?
Einst führte Kohlschreiber die deutschen Tennis-Herren an. Nun ist der Bayer so weit abgerutscht, dass er sich bei einem zweitklassigen Challenger-Turnier auf die Australian Open vorbereitet hatte. In Bendigo gewann er dann jedoch sogar den Titel - und hatte sich vorgenommen, für Tsitsipas ein »unangenehmer« Gegner zu sein.
Und nun das. Auf die Frage nach seinen Zielen für diese Saison antwortete Kohlschreiber: »Tja. Ich habe eigentlich keine mehr. Ich weiß, dass mein Ende naht.«
Er wisse nicht, ob er die weltweite Tour von Turnier zu Turnier noch bis Ende 2021 durchhalte, wenn er sich so oft mit Blessuren quäle wie in den vergangenen Monaten. Sein Karriereende will er irgendwann spontan beschließen. »Wenn ich irgendwann aufwache und sage, ich mag nicht mehr, dann ist es so«, sagte Kohlschreiber: »Ich bin keiner der sagt, ich mache meine Abschiedstour.«