REUTLINGEN. Deutschlands führender Fan-Forscher Dr. Gunter A. Pilz hält den Umgang mit dem Fall Clemens Tönnies auf Schalke für »ein buchstäblich fatales Zeichen«. »Es erschüttert mich, wie der sogenannte Ehrenrat des Vereins mit Clemens Tönnies umgegangen ist. Das widerspricht allen Idealen, die dieser Club in seiner Arbeit für sich reklamiert, die die Fan-Szene im Übrigen ganz entschieden und zu Recht für sich reklamiert. Ich kann und darf nach Aussagen, wie sie Clemens Tönnies getätigt hat, nicht zur Tagesordnung übergehen« sagte Pilz im Exklusivgespräch mit dem Reutlinger General-Anzeiger (Donnerstagausgabe).
Tönnies, Aufsichtsratsvorsitzender beim FC Schalke, hatte beim Tag des Handwerks in Paderborn als Festredner Steuererhöhungen im Kampf gegen den Klimawandel kritisiert. Dabei stellte er aber auch einen angeblichen Zusammenhang von Energieversorgung, Klimawandel und Überbevölkerung in Afrika her. Statt Steuern zu erhöhen solle man lieber jährlich 20 Kraftwerke in Afrika finanzieren. »Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn's dunkel ist, Kinder zu produzieren«, sagte Tönnies.
Pilz hofft auf entsprechende Reaktion des DFB
Pilz hofft auf eine entsprechende Reaktion des Ehrenrates des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der sich am Donnerstag (15. August) mit dem Fall beschäftigt: »Der Sitzung des Ehrenrates des Deutschen Fußball-Bundes kommt eine Signalfunktion zu. Sollte sich der Ehrenrat des Verbandes äußern wie der des Vereins, können wir uns die Implementierung der Menschenrechts-Charta in die Satzung des DFB beim Bundestag im September sparen.« Das Problem des Rechtsextremismus im Fußball sei weiter existent, aber das sei eben nicht nur ein Problem des Fußballs, erklärte Pilz in dem Interview weiter: »Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass rechte Politik dabei ist, Mehrheiten zu übernehmen. Wir stehen vor richtungsweisenden Landtagswahlen in den neuen Bundesländern. Und so lange die Alternative für Deutschland eine demokratisch akzeptierte Partei ist, wird sich daran kaum etwas ändern. Der traditionell eher konservative Fußball ist und bleibt eine Plattform.«
Pilz nennt es Besorgnis erregend, »was wir in Cottbus oder Chemnitz erleben. Das hat mit den Vereinen zu tun, aber eben auch mit der konkreten gesellschaftlichen und politischen Situation. Um keinen falschen Eindruck zu erwecken, das gilt nicht nur für Vereine im Osten Deutschlands. Borussia Dortmund ist ein Verein, der hohes Engagement zeigt gegen Rechtsradikalismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, deshalb gibt es in der Dortmunder Fanszene aber trotzdem Phänomene, die wir nur aus Ostdeutschland zu kennen glauben.«
Trotz aller Negativtendenzen, trotz Rassismus und Fremdenhass, glaubt der Soziologe aus Hannover weiter an die Kraft des Fußballs: »Fußball ist und bleibt ein Massenphänomen. Mich fasziniert Fußball wie am ersten Tag. Trotz aller kritischen Stimmen, die sich erheben, ich habe nicht den geringsten Zweifel an der Zukunft des Fußballs.« (GEA)
Das ganze Interview mit Gunter A. Pilz Sie morgen, Donnerstag, bei GEA+, im E-Paper und in der gedruckten Ausgabe des Reutlinger General-Anzeigers.