PARIS. Nach Ausreden suchte niemand. Das 26:31 (13:15) der Handball-Nationalmannschaft gegen Kroatien war ein Rückschlag auf dem zum Weg zur erhofften Medaille bei den Olympischen Spielen in Paris. Und Bundestrainer Alfred Gislason wollte danach auch gar nicht drum herumreden. »Das war zu wenig, viel zu wenig«, sprach Gislason, »wir wussten, dass Kroatien ein sehr guter Gegner ist. Wir haben die letzten Spiele gegen Kroatien verloren und wussten, dass wir sehr gut spielen müssen. Das haben wir nicht getan«, sagte der Bundestrainer nach der Begegnung enttäuscht. Und kurz darauf: »Mit einer Leistung wie gegen Schweden hätten wir eine Chance gehabt, aber davon waren wir weit entfernt.« Was muss gegen Spanien besser werden? Gislason: »Abwehr, Gegenstoß, Rückzug, Angriff, Abschluss.« Alles.
Niederlage abhaken
Kapitän Johannes Golla wusste um die Gedanken seiner Kollegen und trommelte seine Mitspieler unmittelbar nach dem Schlusspfiff zusammen. »Wir haben verloren, okay, aber das ist nun nicht das erste Mal, dass wir verlieren. Und wenn wir gewonnen hätten, könnten wir jetzt die Füße auch nicht hochlegen. Wir hatten bisher eine sehr gute Zeit in Paris und haben gegen die Kroaten den ersten herben Dämpfer erhalten. Das tut schon weh, aber damit muss man sich nicht ewig beschäftigen, der nächste Gegner ist Spanien.«
Die Erzählung vom »Angstgegner« will Golla in der Arena Paris Sud nicht hören. »Wir sind bei Olympia, geschenkt wird dir nichts, ob gegen einen Angstgegner oder einen anderen.« Alle wussten, dass die Vorstellung gegen Kroatien das schwächste war, was sie bisher abgeliefert hatten. Und Gislason muss es irgendwie geahnt haben. Fuchsteufelswild machte ihn die Startphase: »Wir schenken denen einen Superstart, Tore vom Kreis, und wir bauen mit unseren Würfen den gegnerischen Torwart nur auf.« Stimmte auffallend, Dominik Kuzmanovic hielt fast alles. Gislason: »Aber egal, ob Sieg oder Niederlage, gegen Spanien braucht man eine Superleistung, und Selbstvertrauen kann man sich immer nur selbst aufbauen.«
In der Pause war der Isländer sehr laut geworden, erzählte Marko Grgic: »War ja auch nachvollziehbar, wir sollten körperlicher spielen gegen die Kroaten, diese Einstellung hat uns gefehlt, wir waren nicht auf ihrem Level, weder in der Offensive noch in der Defensive. Anderseits sind wir weiter im Turnier, es sind noch zwei Spiele.« Gegen die vom früheren Bundestrainer Dagur Sigurdsson betreuten Kroaten, gegen die Deutschland im Olympiajahr schon zwei Mal verloren hatte, fehlte es an Präzision im Abschluss, und die Abwehr vor Torhüter Andreas Wolff bekam nicht den Zugriff wie bei den Auftritten gegen Schweden (30:27) und Außenseiter Japan (37:26).
Mit 4:2 Punkten liegt die Mannschaft weiter auf Viertelfinalkurs, aber in den verbleibenden Vorrundenspielen gegen Spanien am Freitag, den Dritten der Weltmeisterschaft, und gegen Slowenien am Sonntag muss die Nationalmannschaft anders auftreten, um keine böse Überraschung zu riskieren, die besten vier der sechs Mannschaften erreichen die olympische K.o.-Runde. In der Olympia-Qualifikation im März hatte die Mannschaft gegen Kroatien mit 30:33 verloren, bei der Europameisterschaft in Deutschland im Januar mit 24:30. Zwar brachte Linkshänder Renars Uscins (»Wir waren zu lieb«) Deutschland in der zwölften Minute erstmals Führung (5:4), doch die war nach viereinhalb Minuten ohne eigenen Treffer wieder weg – und kam im gesamten Spiel nicht wieder.
Im zweiten Durchgang blieben die Kroaten vor 5.765 Zuschauern überlegen. Begünstigt durch zwei Treffer ins verwaiste deutsche Tor, eines davon durch Keeper Kuzmanovic, bauten sie ihren Vorsprung schnell auf 20:15 aus. Die Deutschen profitierten zwar von einer Roten Karte gegen Abwehrchef Zvonimir Srna, aber die Mannschaft von Sigurdsson brachte die Begegnung routiniert ins Ziel.
Auffällige Defensiv-Fehler
Gislason hatte sich das ganz anders vorgestellt. Die auffälligen Fehler in der Defensive machten den Kroaten in der Anfangsphase das Werfen leicht. Immer wieder Tore von den Halbpositionen, aber Andreas Wolf hielt seine Mannschaft durch acht Rettungstaten in höchster Not zunächst noch im Spiel. Auch die Offensive funktionierte nicht wie gewünscht. Nicht nur, dass Lukas Mertens schon in der Auftaktphase dreimal an dem überragenden Kuzmanovic scheiterte, auch Juri Knorr von den Rhein-Neckar Löwen und Julian Köster vom VfL Gummersbach erwiesen sich als ungewohnte Unsicherheitsfaktoren. Lediglich Kapitän Johannes Golla spielte in Normalform und erzielte acht Treffer.
Gislason war mit der Vorstellung unzufrieden, der Isländer gestikulierte wütend an der Außenlinie, resignierte, so schien es, im zweiten Durchgang aber früh. Keine Chance gegen Kroatien. Dabei hatte Regisseur Juri Knorr vor dem Spiel noch die beginnende Euphorie zu bremsen versucht. »Es fühlt sich so an, als würden wir ins Rollen kommen. Aber wir wissen auch, dass es bisher nur zwei Vorrundenspiele waren und der Weg noch weit ist.« Und nach der Niederlage: »Wir müssen anders auftreten, müssen uns zusammenreißen, wir werden in zwei Tagen besser sein.« (GEA)