HAMBURG. Die neue Fußball-Bundesliga-Saison wird am 23. August (20.30 Uhr) mit der Partie Borussia Mönchengladbach gegen Meister Bayer Leverkusen eröffnet. Der GEA stellt in den nächsten Wochen alle Mannschaften vor. Heute: Aufsteiger FC St. Pauli.
Als die Kiez-Kicker am 12. Mai um 15.33 Uhr mit 3:1 gegen den VfL Osnabrück gewonnen hatten, war der sechste Erstliga-Aufstieg perfekt. Am Millerntor startete die wilde Party, die letztlich in die große Meisterschaftsfeier eine Woche später mündete, als am letzten Spieltag in Wiesbaden ein 2:1 gelang. Ganz St. Pauli lag sich freudetrunken in den Armen. Aufstiegstrainer Fabian Hürzeler wurde auf den Schultern seiner Spieler durch das Stadion getragen. Noch ahnte niemand das drohende Unheil.
Erfolgstrainer nach England
Der 12. Juni folgte der Tag der Ernüchterung. Der »Aufstieg des Aufsteigers« führte regelrecht zur Schockstarre bei den Paulianern. Dass Fabian Hürzeler den Verein trotz Vertrag gen England verlassen wird, wurde als herber Rückschlag gewertet, denn der Trainer hatte die Mannschaft als Nobody vom Co-Trainer in eineinhalb Jahren in die Bundesliga geführt. Ohne Hürzeler in das Abenteuer Bundesliga starten zu müssen, war schon ein schwerer Schlag, dass aber ausgerechnet der St. Pauli-Trainer seine Jungs wegen des Geldes in der englischen Premier League im Stich lässt, hat die Fans tief in der Seele getroffen. Dass sein neuer Verein Brighton & Hove Albion geschätzte sechs Millionen Euro für den jungen Trainer zahlte, hat die Trübsal bei den Fans ein wenig geschmälert.
Pokalsieger in Belgien
Nachfolger Alexander Blessin, ein gebürtiger Stuttgarter, war bisher ein weitgehend unbeschriebenes Blatt im Profi-Fußball. Zuletzt trainierte der 51-Jährige Saint-Gilloise in Belgien. Völlig überraschend führte er den Club zur Vize-Meisterschaft und wurde Pokalsieger. Für Sportchef Andreas Bornemann gab es aber noch ein weitaus stärkeres Argument für die Verpflichtung: Alex Blessin hat acht Jahre im Nachwuchsbereich unter Ralf Rangnick bei RB Leipzig gearbeitet und favorisiert eine Spiel-Philosophie, die zu St. Pauli passt: Starke Defensive, schnelles Umschalten. Allerdings übernimmt der Altenrieter nur bedingt die erfolgreiche Truppe, denn der Wechsel von Marcel Hartel zu St. Louis City (USA) tut extrem weh, denn mit 17 Toren und 13 Vorlagen war der 28-jährige Mittelfeldspieler einer der wichtigsten Protagonisten für den Aufstieg. Auch seine Standards werden Pauli fehlen.
Die Paulianer haben dennoch eine realistische Chance, den Abstieg zu verhindern, muss nur da weitermachen, wo sie in der vergangenen Saison aufgehört haben: Auf eine starke Defensive setzen und die Heimspiele gewinnen. Die Stärke des Teams liegt im Spielaufbau aus der 3-er Kette. Mit Eric Smith, Karol Mets und Hauke Wahl blieben die Abwehrrecken an Bord. Zudem verpflichteten die Hamburger im zweimaligen walisischen Nationalspieler Fin Stevens vom englischen Drittligisten Oxford United noch einen Außenverteidiger. Bei den Neuzugängen dürfte Robert Wagner vom SC Freiburg als klassischer 8-er eine sofortige Verstärkung neben Kapitän Jackson Irvine sein. Vorne liegen viele Hoffnungen auf Elias Saad, während Publikumsliebling Johannes Eggestein eher zweite Wahl sein dürfte, denn mit Morgan Guilavogui wurde vom französischen Erstligisten RC Lens eine Sturmkante geholt.
Klare Haltung
Der FC St. Pauli ist ein Proficlub im Fußballgeschäft. Punkt. Aber einer, der seinen Mythos pflegt und mit seiner klaren Haltung für soziale Gerechtigkeit und Antidiskriminierung durchaus weiterhin als Fossil gelten kann. Das Motto des Vereins: »Kein Mensch ist illegal«, und im Stadion hängt ein Banner mit der Aufschrift »Respekt, Toleranz, Vielfalt«. Wer die AC/DC-Hymne beim Einlauf hört, kommt unweigerlich zu der Erkenntnis, dass dies immer noch ein etwas anderer Club zu sein scheint. (GEA)