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Aktuell Kommentar

Das EM-Turnier als Mutmacher

Wie bei der Fußball-EM Fans verschiedenster Länder feierten, hatte etwas Aufbauendes. Europa lebt, meint GEA-Sportredakteur Frank Pleyer.

Deutschland-Fans sehen sich das in der Fan-Zone auf dem Schlossplatz ein Spiel an. Foto: Christoph Schmidt/dpa
Deutschland-Fans sehen sich das in der Fan-Zone auf dem Schlossplatz ein Spiel an.
Foto: Christoph Schmidt/dpa

REUTLINGEN. Es war die vorerst letzte Gelegenheit, sich als Gastgeber eines großen internationalen Turniers zu präsentieren. Die Europameisterschaft 2024 dürfte zumindest die Macher des Deutschen Fußball-Bundes zufrieden zurücklassen. Das Nationalteam hat die Kurve bekommen, mit erfrischendem Offensivspiel die Fans im Land zurückerobert und sich nach Jahren der Düsternis wieder als ernstzunehmender Gegner positioniert. Dass Bundestrainer Julian Nagelsmann mit seinem ungewöhnlichen Appell an die Bedeutung der Gemeinschaft über den Fußball hinaus von sich reden machte, darf als Überraschungs-Plus verbucht werden. Was das alles wert ist, ob sich der Umschwung verfestigt, werden allerdings erst die Nations-League-Spiele im September zeigen.

Andere Schwächen offenbart

Der Gastgeber zeigte dagegen in anderen Bereichen Schwächen. Das Chaos bei Bahn und öffentlichem Personennahverkehr ist für alle, die hier leben, nichts Ungewöhnliches, für das Ausland indes schon. Den Ruf des »Organisations-Weltmeisters« sind wir erst einmal los. Und es wirft einen Schatten in Sachen Fairness, dass deutsche Fans absurderweise Marc Cucurella selbst im Finale noch für einen nicht gegebenen Handelfmeter im Viertelfinale auspfiffen, für den statt des spanischen Außenverteidigers der dortige Schiedsrichter die richtige Adresse gewesen wäre.

Cucurella hatte das bessere Ende für sich. Mit der spanischen Elf setzte sich die Mannschaft durch, die den gleichermaßen sehenswertesten wie effektivsten Fußball spielte und sich damit dem vorherrschenden Trend zur Defensiv-Taktiv und Torverhinderung erfolgreich widersetzte.

Erfolgreich und ehrgeizig wollte sich auch das Turnier bei der Reduzierung der Umweltbelastung präsentieren. Von der nachhaltigsten EM war im Vorfeld die Rede. Gewiss wurde einiges auf den Weg gebracht, aber allein der völlig unterschiedliche Umgang der Ausrichter-Städte mit Park-Möglichkeiten in Stadionnähe und die immer noch massenhaft eingesetzten Einweg-Plastik-Becher in Stadien und Fan-Zonen machen deutlich, dass dies bestenfalls ein Anfang gewesen sein kann.

Hoffnung hat sich verbreitet

Diese Erkenntnis war genauso wenig überraschend wie die Europameisterschaft als Schauplatz von Nationalismen und rechtsextremen Positionen. Der Europäische Fußball-Verband Uefa muss bei solchen Vorkommnissen immer wieder feststellen, dass sich Wolfsgruß und andere Symbole oder Parolen auch durch Sanktionen nicht verhindern lassen.

Und dennoch verbreitete diese EM Hoffnung. Im ersten Turnier nach der Corona-EM 2021 und der aus jeglichem Raster gefallenen WM in Katar war dies international die erste Gelegenheit, wieder vier Wochen unbeschwert zu feiern. Wie sich Fans verschiedenster Länder umarmten, gemeinsam sangen oder sich zuprosteten, hatte etwas Aufbauendes. Europa ist mehr als ein theoretisches Konstrukt. Es lebt. Allen Problemen in Krisen-Zeiten zum Trotz. Dass dazu der Fußball als völkerverbindende Kraft beigetragen hat, ist seine größte Qualität.