PEKING. Die Nachricht vom ersten Corona-Fall eines deutschen Athleten in Peking, ein Störmanöver aus der Heimat vom Vorgänger und eine mit Zweifeln behaftete Olympia-Prognose.
Der neue DOSB-Präsident Thomas Weikert musste sich bei der ersten Pressekonferenz des Team D zwei Tage vor Winterspiele-Eröffnung in Peking schon als Krisenmanager bewähren. »Ich hoffe, dass in den nächsten Tagen das Sportliche in den Vordergrund rückt«, sagte der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes und wünschte sich: »Wenn es geht, so wenig Kritik wie möglich zu haben und so viele gute sportliche Erfolge wie möglich.«
Die sportlichen Ziele rückten nach der Nachricht vom ersten deutschen Athleten, der in Peking positiv auf das Coronavirus getestet wurde, erst einmal in den Hintergrund. Ein zweiter PCR-Test bestätigte den Verdacht beim Eiskunstläufer Nolan Seegert, der mit Minerva Hase im Paarlauf-Wettbewerb antreten sollte. Der 29-Jährige sei symptomfrei und befinde sich in einem Isolations-Hotel, teilte der Deutsche Olympische Sportbund mit. Der weitere Prozess werde nun in engem Austausch mit dem Organisationskomitee begleitet.
Auch DEB-Team betroffen
Zudem reist das deutsche Eishockey-Team nach einem Corona-Fall vorerst mit einem Spieler später nach Peking. Einer der 25 Nationalspieler im Kader von Bundestrainer Toni Söderholm habe sich kürzlich mit dem Coronavirus infiziert und habe noch nicht die notwendigen vier Negativtests nacheinander vorweisen können, teilte der Deutsche Eishockey-Bund mit. Wer der betroffene Athlet ist, ließ der Verband offen. Der Spieler werde voraussichtlich am Freitag nach China fliegen.
Neben den Corona-Sorgen beschäftigten Weikert auch die kurz vor dem Olympia-Start platzierten Anschuldigungen seines Vorgängers Alfons Hörmann. Diese würden aber nicht für Unruhe im deutschen Olympia-Team sorgen, sagte Weikert. »Stören tun die nicht. Hier in Peking konzentriert sich jeder an seinem Wettkampfort auf den Sport«, betonte er. »Wir tun hier unsere Arbeit. Das ist zunächst das Wichtigste.«
Angesichts der neuen Attacke des von ihm abgelösten Hörmann blieb das sportpolitisch noch ein frommer Wunsch. Erneut sah sich Weikert mit dem Vorwurf konfrontiert, an Hörmanns Entmachtung aktiv mitgewirkt zu haben und schon vor seiner Wahl ins DOSB-Spitzenamt am 4. Dezember an einer Kampagne gegen den Ex-Präsidenten beteiligt gewesen sein. »Ich gehe aus guten Gründen davon aus, dass mein Nachfolger weit früher und auch aktiv an der gesamten Entwicklung beteiligt gewesen ist«, sagte Hörmann der »Augsburger Allgemeinen/Allgäuer Zeitung«.
Ziel: Top drei
Jurist Weikert konterte gelassen: »Ich kenne keine Kampagne.« Hörmann hatte nach einem anonymen Brief aus der Mitarbeiterschaft mit dem Vorwurf, es herrsche eine »Kultur der Angst« in der DOSB-Zentrale, seinen Rückzug angekündigt - sich aber als Opfer einer Intrige gesehen.
Dieses Scharmützel überlagerte ein wenig die nicht ganz neue Erwartungshaltung von Chef de Mission Dirk Schimmelpfennig vor den Peking-Spielen. »Wir haben grundsätzlich im Wintersport die Zielstellung, unter den ersten drei Nationen zu sein«, bekräftigte er. »Unser Ziel ist, in den Korridor zwischen dem Ergebnis von Sotschi 2014 und Pyeongchang 2018 einzulaufen.« In Russland reichte es in der Länderwertung mit 19 Medaillen nur zum 6. Platz, 2018 in Südkorea zu 31 Edelplaketten und Rang zwei. »Wenn es am Ende zu einem Platz unter den ersten drei kommt, würden wir uns freuen.«
Die Winterspiele in Chinas Hauptstadt sind nach Ansicht von Schimmelpfennig durch die Pandemie nicht mit vorherigen vergleichbar. Schon die Zahl der Teammitglieder, die negativ angereist seien und die große Chance hätten, in der Blase virusfrei zu bleiben, sei »sehr erfreulich«, sagte er, noch bevor der Corona-Verdacht bei Eiskunstläufer Seegert durch den zweiten PCR-Test bestätigt wurde.
»Quartiere haben Topstandard«
Abgesehen von der durch die Omikron-Variante hohen Infektionsgefahr konnte Schimmelpfennig auch Positives aus Peking berichten. »Die Wettkampfstätten und Quartiere haben Topstandard«, attestierte der Leistungssportchef des DOSB. »Auch die Stimmung ist gut. Sie freuen und konzentrieren sich auf die Wettbewerbe«, berichtete er mit Blick auf die Athleten. »Das ist eine ganz gute Ausgangsposition.«
Dass der psychische Druck durch die Corona-Gefahr oder die Debatte über Meinungsfreiheit und Menschenrechte Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit haben könnten, erwartet Weikert nicht. »Es ist immer so, wenn Schwierigkeiten von außen hineindrängen, hält man immer zusammen«, meinte er. »Wegen der Pandemie ist es kein Desaster, wenn man sagt: Wir zählen keine Medaillen und versuchen, so gut wie möglich abzuschneiden - ohne einen bestimmten Platz in der Nationenwertung im Auge zu haben.«
Trotz der möglichen Medailleneinbußen und der damit verbundenen Aussicht, möglicherweise nicht unter die ersten drei Nationen in der Länderwertung zu kommen, stellt Weikert den Status von Deutschland im Wintersport nicht infrage: »Ich denke, dass wir eine der führenden Wintersport-Nationen sind.«
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