Marbella (dpa) - Borussia Dortmund sorgte mit der Verpflichtung des europaweit begehrten Sturm-Talents Erling Haaland für den bislang spektakulärsten Transfer in diesem Winter.
Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht BVB-Sportdirektor Michael Zorc nach einer Woche Trainingslager in Marbella über die Erwartungen an Haaland, bisherige Probleme und mögliche weitere Transfers.
Was muss in der Rückrunde besser werden als im alten Jahr?
Michael Zorc: Nach einer Phase, in der es nicht gut lief, in der wir wenig gepunktet, aber auch nicht gut gespielt haben, hatten wir uns wieder berappelt. Was den Trainer und mich ärgert, ist der Hinrunden-Abschluss mit den Spielen gegen Leipzig und Hoffenheim. Da waren wir über weite Strecken besser, sehr dominant, haben es aber nicht zu Ende gebracht. Statt sechs Punkte haben wir nur einen geholt. Deshalb sind wir hinten dran. Wir sind nun wirklich nicht in der Pole Position. Wir haben insgesamt zu viele Gegentore bekommen und auch zu leichte Fehler gemacht. Wir haben oft Führungen nicht nach Hause gebracht. Das müssen wir besser machen in der Rückrunde.
Sie haben mit der Verpflichtung von Erling Haaland nachjustiert. Was versprechen Sie sich von ihm?
Zorc: Sein Profil passt sehr, sehr gut zu uns. Das ist ein anderer Entwurf als die Offensivspieler, die wir sonst haben. Er bringt eine besondere Wucht, Körperlichkeit, Schnelligkeit, aber auch Geradlinigkeit mit, spielt relativ schnörkellos und hat einen sehr guten Abschluss. Deshalb war er so begehrt und deshalb haben wir ihn auch verpflichtet. Im Moment ist mir der Hype allerdings viel zu groß. Erling ist ein 19 Jahre alter Spieler - ein Rohdiamant. Er ist noch in der Entwicklung. Seine Verpflichtung soll sich mittelfristig auszahlen. Natürlich hoffen wir aber auch, dass er uns schon in der Rückrunde hilft.
Es hieß, sie hätten ihre Vertragspolitik für ihn wieder geändert und ihm eine Ausstiegsklausel zugestanden - stimmt das?
Zorc: Wir äußern uns grundsätzlich nie zu Vertragsdetails. Gehen Sie davon aus, dass er über einen längeren Zeitraum bei uns Fußball spielen wird.
Mussten Sie Ihren Trainer von dem Transfer überzeugen?
Zorc: Überhaupt nicht. Lucien hat sich intensiv damit beschäftigt und war sofort begeistert von der Idee. Erling kann ja auch gut kombinieren. Es ist ja nicht so, dass er den Ball nimmt, losrennt und draufhaut. Sondern er ist ja auch in das Spiel mit eingebunden. Wir wollen ihn zu einem kompletten Spieler machen bei einer Mannschaft, die auch gerne Ballbesitz hat.
In der Hinserie schien Lucien Favre kurz vor dem Aus. Mit einer Systemumstellung kam die Stabilität zurück. Favre wirkt seitdem wesentlich lockerer und offener. Nehmen sie das auch so wahr?
Zorc: Er selbst wird das wahrscheinlich verneinen. Aber natürlich hatten wir eine Drucksituation, auch wenn der Trainer intern nie zur Debatte stand. Insgesamt waren wir natürlich mit der Ausbeute nicht zufrieden. Lucien ist dann der Mannschaft gegenüber etwas fordernder geworden, hat sich vielleicht auch noch etwas mehr geöffnet. Taktisch hat er etwas umgestellt. Vorher hatten wir immer mit einer Viererkette gespielt, das ist nun anders. Ich finde es gut, dass wir jetzt mehr Möglichkeiten haben. Das gibt der Kader auch her.
Könnte auf dem Transfermarkt noch was passieren?
Zorc: Wir schließen ja nie etwas aus. Warum sollte ich jetzt sagen, dass wir nichts mehr machen, und auf einmal ergibt sich eine Gelegenheit. Manchmal geht es ja auch einfach um diese Gelegenheiten. Es ist nicht so, dass wir drei, vier Sachen auf dem Tisch haben, über die wir entscheiden müssten. Aber es kann sein, dass es noch die ein oder andere Veränderung gibt. Wir limitieren uns nicht.
Mit der Haaland-Verpflichtung gingen Spekulationen über einen Abgang von Paco Alcácer einher. Könnte es sein, dass er noch geht?
Zorc: Natürlich ist er mit der Situation, die sich zum Ende der Vorrunde ergeben hat, unzufrieden. Da hatte Paco relativ wenig Spielminuten. Er war aber auch relativ häufig angeschlagen. Es gibt immer Spieler, die zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht richtig zufrieden sind. Das kann dann aber in drei Wochen schon wieder ganz anders aussehen. Damit leben wir alle in diesem Geschäft. Damit muss ein Spieler professionell umgehen, aber wir im Management und der Trainer müssen das genau so. Fakt ist: Uns liegt kein Angebot vor, über das wir diskutieren könnten.
Mario Götzes Vertrag läuft aus. Endet seine Zeit beim BVB?
Zorc: Das ist überhaupt noch nicht final entschieden. Auch bei ihm ist es natürlich so, dass er gerne mehr Einsatzminuten hätte. Wir sind mit Mario im Gespräch. Ich habe mit seinem Vater vor Weihnachten gesprochen. Ich habe mit ihm selbst in Marbella nochmal gesprochen. Wir werden uns sicher im Frühjahr zusammensetzen und dann auch eine finale Entscheidung treffen.
Es gab Gerüchte, dass Bayern München an Achraf Hakimi interessiert sei, der von Real Madrid ausgeliehen ist. Würde es dadurch schwieriger, Hakimi über den Sommer hinaus zu halten?
Zorc: Ich halte mich immer gerne an Fakten. Laut Vertrag geht er im Sommer zu Real Madrid zurück, weil dort sein Anschlussvertrag ab 1. Juli greift. Unsere Ansprechpartner sind er selbst und Real. Wir würden ihn natürlich gerne länger bei uns sehen, das ist auch klar. Wir können es aber nicht alleine beeinflussen. Ich glaube, dass Achraf sehr wohl weiß, welche Entwicklung er bei uns genommen hat. Die hat er eben bei uns genommen, nicht woanders. Er fühlt sich nach eigener Aussage auch sehr wohl. Alles andere wird sich im Frühjahr klären.
Bislang sind mehrere Teams im Kampf um die Meisterschaft vertreten. Wer ist der Favorit und was ist für den BVB noch drin?
Zorc: Grundsätzlich macht Leipzig einen sehr stabilen Eindruck, stabiler als in den Jahren zuvor. Sie haben es geschafft, sich für das Achtelfinale in der Champions League zu qualifizieren und trotzdem auch in der Liga gute Ergebnisse zu erzielen. Bayern München ist immer da. Auch Gladbach macht es sehr gut unter Marco Rose. Sie haben eine wirklich gute Mannschaft zusammen. Sie haben auf jeden Fall das Potenzial dazu, weit oben zu bleiben und Champions League zu spielen. Wir müssen einfach so viele Punkte wie möglich holen und schauen dann, was am Ende dabei raus kommt.
In der Champions League kommt es zum Vergleich mit Paris Saint-Germain und ihrem Ex-Trainer. Ein besonderes Duell für Sie?
Zorc: Das ist ein mediales Thema. Wir spielen gegen Paris, nicht gegen Thomas Tuchel. Ich freue mich auf die Begegnungen. Das ist ein fantastisches Los, extrem attraktiv, für uns, für unsere Fans, für unsere Spieler.
Wie sieht ihre Zukunft aus? Ist mit Ablauf Ihres Vertrages Schluss? Sie wollen ja vor dem gesetzlichen Rentenalter aufhören...
Zorc: Letzteres wird sicher passieren. Mein aktueller Vertrag läuft aber noch anderthalb Jahre. Ich stecke gerade so im Tagesgeschäft drin, dass ich mir noch keine abschließenden Gedanken gemacht habe.
ZUR PERSON: Michael Zorc ist ein Urgestein des BVB. Der 57-Jährige kam mit 15 Jahren in die Jugend der Dortmunder, wurde dort Profi und spielte in der Fußball-Bundesliga bis zu seinem Karriereende für keinen anderen Verein. 463 Bundesligaspiele bestritt Zorc für die Westfalen und ist damit Rekordspieler des Clubs, siebenmal spielte der einstige Mittelfeldspieler für Deutschland. Nach seiner aktiven Zeit wurde er Sportdirektor des Clubs.