Dortmund (dpa) - Borussia Dortmund ist zurück im Frust-Modus. Selbst Emre Can war die Freude über sein Traumtor gründlich vergangen. »So gewinnt man keine Spiele«, klagte der Neuzugang nach dem 3:4 (2:2) in Leverkusen.
Dass sein neues Team in der Offensive mal wieder wie ein Meister, in der Abwehr aber zum wiederholten Male eher wie ein Abstiegskandidat auftrat und den Sieg in der furiosen Schlussphase binnen nur 81 Sekunden verschenkte, stimmte den Nationalspieler nachdenklich: »Die Mannschaft hat viel Potenzial, aber muss noch eins lernen: Wenn man in Führung geht, muss man - auf gut Deutsch gesagt - dreckiger sein.«
Obwohl Can noch keine zwei Wochen das schwarzgelbe Trikot trägt, hat er das Hauptproblem des BVB erkannt. Wie schon vier Tage zuvor beim Pokal-Knockout in Bremen (2:3) musste die Borussia nach zuvor drei Siegen mit jeweils fünf Treffern auch im Bundesliga-Titelkampf einen empfindlichen Rückschlag hinnehmen - als die eigentlich bessere Mannschaft. Nicht nur der ehemalige Fußball-Profi von Juventus Turin, sondern auch Sebastian Kehl wirkte mächtig verärgert. »Das war insgesamt eine Woche zum Vergessen«, klagte der Lizenzspielerchef und warf der Mannschaft vor, sich »doof angestellt« zu haben.
Auch der spektakuläre Schuss von Can (33.) aus rund 30 Metern in den Torwinkel zum 2:1 oder die zweite Führung durch den Treffer von Raphael Guerreiro (65.) zum 3:2 brachten keine Sicherheit. »Das bringt mir auch nichts, wenn wir am Ende verlieren«, kommentierte Can sein erstes Bundesligator seit Mai 2014, damals noch für Leverkusen.
Die nackten Zahlen dokumentieren das Dilemma. Beachtliche 20 Treffer hat der BVB in den ersten fünf Pflichtspielen der Rückrunde erzielt, aber auch elf kassiert. Selbst der Drittletzte aus Düsseldorf musste in diesem Zeitraum drei Gegentore weniger hinnehmen. Sportdirektor Michael Zorc wirkte ratlos: »Das begleitet uns schon ein bisschen länger. Wir sind in den entscheidenden Momenten zu passiv und kriegen zu viele Gegentore. Deshalb stehen wir aktuell nicht besser da.«
Dass sich zudem Spielmacher Julian Brandt einen Anriss des Außenbandes im Sprunggelenk zuzog und wie der Kapitän Marco Reus vorerst ausfällt, verstärkte den Frust. »Dieses Spiel ist schwer zu verdauen«, bekannte Trainer Lucien Favre, der in den kommenden Wochen wieder verstärkt in die Kritik geraten könnte.
Selbst die Rückkehr zu einer Viererkette und der Einsatz von zwei defensiven Mittelfeldspielern verhalf nicht zu mehr defensiver Stabilität. »Wir können eine internationale Topmannschaft sein, aber das sind wir nicht, wenn wir dem Gegner jedes Mal wieder das Spiel überlassen«, zürnte Abwehrchef Mats Hummels.
Beim so beschenkten Tabellennachbarn aus Leverkusen herrschte dagegen Hochstimmung. Es passte ins Bild eines mit großem Engagement, aber auch mit reichlich Glück erkämpften Sieges, dass ausgerechnet der angeschlagene und deshalb kurz vor der Auswechslung stehende Lars Bender mit seinem Kopfball zum 4:3 (82.) den Schlusspunkt setzte. »Er hat mir gesagt, gib mir noch eine Minute, und dann macht er das Tor«, sagte Trainer Peter Bosz nach seinem ersten Sieg über seinen ehemaligen Club aus Dortmund.
Wie die meisten Zuschauer geriet der niederländische Fußball-Lehrer angesichts des Spektakels auf dem Rasen ins Schwärmen. »Wenn man Fußball liebt, war es ein Spiel, das man genießen kann«, schwärmte Bosz. Treffend fügte er an: »Es sei denn, man ist Fan von Borussia Dortmund.«
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