Frankfurt/Main (dpa) - Noch nicht 18 und nur beschränkt geschäftsfähig, aber schon ein hoch bezahlter Star? Das könnte in der Fußball-Bundesliga bald keine Ausnahme mehr sein. Borussia Dortmund treibt eine Senkung der Altersgrenze im Profi-Fußball voran.
»Wir haben gegenwärtig einen großen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Ligen und internationalen Wettbewerben, weil wir sehr junge Spieler, die über außergewöhnliches Talent verfügen, in Deutschland nicht im Profiteam einsetzen dürfen«, sagte Lars Ricken, der ehemalige Champions-League-Sieger und einstige Jungstar des BVB.
Damit kommentierte Ricken einen Bericht von »Bild« und »Welt«, wonach die Deutsche Fußball Liga die Altersgrenze im Profibereich herabsetzen will. So könnte der ehemalige Dortmunder Nuri Sahin als jüngster Spieler der Bundesliga-Geschichte abgelöst werden - und das 15 Jahre alte Supertalent Youssoufa Moukoko vom BVB womöglich bald sein Debüt im Oberhaus geben.
Trainer Julian Nagelsmann von RB Leipzig sieht die Pläne sehr kritisch: »Spontan gesagt, bin ich davon nicht der allergrößte Freund. Es wird sich viel über mangelnde Entwicklungsmöglichkeiten von Führungspersönlichkeiten auf Spielerebene beklagt. Wenn ich die Spieler noch früher hoch schiebe, sind sie noch mehr Druck ausgesetzt, werden noch mehr beäugt.« Nur bei Ausnahmetalenten sehe er kein Problem.
Eine Regeländerung bedarf der Zustimmung der DFL-Mitgliederversammlung mit den 36 Clubs der 1. und 2. Liga. Der BVB wolle offenbar bei der nächsten Tagung Ende März einen entsprechenden Antrag stellen. Die DFL bestätigte den grundsätzlichen Entscheidungsprozess. Die Spielerlaubnis darf laut Spielordnung auch A-Junioren des jüngeren und älteren Jahrgangs sowie B-Junioren des älteren Jahrgangs nach Vollendung des 17. Lebensjahres erteilt werden. Bei Minderjährigen ist die schriftliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erforderlich.
»Grundsätzlich halten wir es für zielführend, jungen Spielern möglichst viel Zeit für ihre individuelle Entwicklung zu geben. In Ausnahmefällen kann es durchaus Sinn machen, Top-Talente früher an das höchste Level heranzuführen, das zeigen auch Beispiel aus dem Ausland«, sagte Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter Nationalmannschaften. Insofern halte der DFB eine Öffnung im Bereich in der 1. und 2. Liga »für vertretbar«.
»Die 16-Jährigen sind heute weiter als wir es in diesem Alter waren. Die Jungs werden gut vorbereitet auf Profi-Sport. Und wenn sie so gut sind, sollte man darüber reden«, sagte Max Eberl, Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach. »Aber wir Vereine müssen mit diesem Alter sehr sorgsam umgehen.« Auch der Mainzer Sportvorstand Rouven Schröder befürwortet eine Senkung der Altersgrenze, mahnte aber ebenfalls einen sensiblen Umgang mit den Talenten an: »Zu berücksichtigen ist aber dabei unsere pädagogische Verantwortung. Auf so junge und unerfahrene Jungs prasselt so viel ein.«
Moukoko ist am 20. November 2004 geboren und könnte nach der heutigen Regelung frühestens im August 2021 sein Profidebüt geben. In der Dortmunder U19 erzielte er in 21 Spielen 26 Tore. Sahin, heute bei Werder Bremen, kam in der Saison 2005/06 im Alter von 16 Jahren und 335 Tagen zum Einsatz. Durch eine Regeländerung könnte die Bundesliga ihren Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Ligen ausgleichen. Sie hätte aber auch die Chance, jüngere Spieler früher als bisher auf dem Markt zu positionieren.
Moukoko dürfte mit 16 theoretisch in der Champions League spielen - wenn er eine Lizenz für die Bundesliga hat. Beim FC Barcelona sorgt derzeit Ansu Fati, der im vergangenen Jahr im Alter von 16 Jahren, 9 Monaten und 25 Tagen sein Debüt in der Primera División gab, für Aufsehen. Der Belgier Romelu Lukaku debütierte im Profibereich für den RSC Anderlecht mit 16 Jahren, 3 Monaten und 9 Tagen. Der Norweger Martin Ödegaard ist mit 16 Jahren, 5 Monaten und 6 Tagen der bisher jüngste Spieler bei Real Madrid. Der Österreicher Michael Gregoritsch, inzwischen bei Schalke, spielte für den Zweitligisten SV Kapfenberg bereits kurz vor seinem 16. Geburtstag.
Ricken hofft auf ein positives Votum: »Es gibt gegenwärtig leider mehrere konkrete Beispiele dafür, dass Spieler sich gegen die Bundesliga entschieden haben, weil sie im Ausland schon wesentlich früher im Profiteam eingesetzt werden dürfen«, klagte der 43-Jährige.