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»Brauchen nicht panisch zu werden«: Unsicherheit statt WM-Form bei den deutschen Frauen

Beim Comeback mit einer Gesichtsmaske: Melanie Leupolz.  FOTO: MEMMLER/EIBNER
Beim Comeback mit einer Gesichtsmaske: Melanie Leupolz. FOTO: MEMMLER/EIBNER
Beim Comeback mit einer Gesichtsmaske: Melanie Leupolz. FOTO: MEMMLER/EIBNER

NÜRNBERG. »Das sollte für alle ein kleiner Wachrüttler sein. Jede muss sich an die eigene Nase fassen«, sagte Sydney Lohmann nach der 1:2 (0:2)-Niederlage der deutschen Fußballerinnen gegen Brasilien. Die Münchner Offensivspielerin hätte auch das Bild von einer Alarmsirene verwenden können – es hätte allemal zugetroffen. Die Spielerinnen sehr selbstkritisch, Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg mit einer langen Mängelliste: Drei Monate vor der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland läuft es beim Vize-Europameister alles andere als rund. »Mit der Art und Weise, wie wir heute gespielt haben, wird es bei der WM nicht reichen«, stellte Mannschaftsführerin Alexandra Popp fest.

Wenige Offensiv-Aktionen, fehlende Zweikampfstärke, mangelnde Pass-Qualität und eine Defensive, die bei schnellen brasilianischen Angriffen oft unsortiert und sehr anfällig wirkte, verwunderten angesichts der fortgeschrittenen Phase der WM-Vorbereitung.

Auch in dieser Szene ist das brasilianische Team zweikampfstärker: Antonia Silva (rechts) stoppt Klara Bühl.  FOTO: MARR/WITTERS
Auch in dieser Szene ist das brasilianische Team zweikampfstärker: Antonia Silva (rechts) stoppt Klara Bühl. FOTO: MARR/WITTERS
Auch in dieser Szene ist das brasilianische Team zweikampfstärker: Antonia Silva (rechts) stoppt Klara Bühl. FOTO: MARR/WITTERS

»Da fehlten vielleicht auch ein paar Prozent «, monierte die Frankfurter Verteidigerin Sara Doorsoun Defizite in der Einsatzbereitschaft. Voss-Tecklenburg formulierte das Ganze noch schärfer: »Wir sind gewarnt, dass wir Spiele auf diesem Niveau nicht mit 80, 90 Prozent gewinnen.« Man müsse »in allen Bereichen« eine Schippe drauflegen. Dass die Brasilianerinnen mit ihrer Härte, die internationales Niveau darstellt, und ihrem frühen Pressing die deutsche Elf »vielleicht ein stückweit überrumpelten«, wie Lohmann sagte, darf einem Team, das bei der WM um den Titel mitspielen will, nicht passieren. Doorsoun: »Wir waren überrascht, wie schnell wir angelaufen wurden.«

Fehlte der Biss, die mentale Stärke, um dem Südamerika-Meister auf Augenhöhe zu begegnen? Doorsoun verwies auf die derzeitige Belastung der Spielerinnen in Meisterschaft, Pokal und Champions League. »Wir müssen an der Intensität und der Aggressivität arbeiten, damit wir besser gegenhalten können«, unterstrich Melanie Leupolz, die mit Gesichtsmaske als Folge des Nasenbeinbruchs eingewechselt wurde und »sehr froh« über das erste Länderspiel nach ihrer Babypause war. Wenigstens hatte die 28-Jährige in dieser Hinsicht Grund zur Freude. Popp dagegen musste neben der Niederlage auch noch eine Fußverletzung hinnehmen. Man habe es »definitiv verpasst«, über die Zweikämpfe ins Offensivspiel zu kommen, hob die Anführerin einen der Schwachpunkte des deutschen Spiels hervor.

Lohmann überzeugt

Die fehlende Entlastung sprach auch Lena Oberdorf an. Weil nach vorne wenig ging und das Team immer wieder unter Druck stand, waren Abstimmungsprobleme in der Defensive unverkennbar. In der Abwehr konnte nur Kathrin Hendrich Pluspunkte sammeln, offensiv die eingewechselten Sydney Lohmann und Torschützin Jule Brand.

Unsicherheit wurde deutlich, als mehrere Spielerinnen einräumten, dass »derzeit ein bisschen der Wurm drin« sei. Das Selbstvertrauen muss sich das Team erst wieder in zwei Trainingslagern in Herzogenaurach ab Ende Juni erarbeiten. Dort geht es auch darum, laut Doorsoun »wieder den Spirit zu bekommen«, die Eingeschworenheit, die im Vorjahr ein wesentlicher Erfolgs-Faktor war. Zwei weitere Testspiele sind geplant.

Trotz aller Kritik wollten die Spielerinnen die schwierige Situation nicht ausschließlich negativ sehen. »Wir brauchen nicht panisch zu werden«, betonte Doorsoun. Popp sah es ähnlich: »Uns ist weiterhin bewusst, was wir können. Und wir haben noch ein bisschen Zeit.« (GEA)