Mönchengladbach (dpa) - Ihr erneutes Last-Minute-Glück feierten Spieler und Fans von Borussia Mönchengladbach fast schon titelreif.
Nach dem 2:1 (0:0) im Bundesliga-Topspiel gegen den nun deutlich distanzierten FC Bayern München kommt der Dauer-Spitzenreiter kaum noch aus der (Mit-)Favoriten-Rolle auf die Meisterschaft heraus. Minutenlang ließen sich die euphorisierten Borussen nach dem späten Elfmeterglück mit dem in der Nachspielzeit von Rami Bensebaini verwandelten Strafstoß (90.+2) von ihrem Anhang feiern.
Der Großteil der 54.022 Zuschauer im ausverkauften Borussia Park legte dabei einen alten Gassenhauer aus den glorreichen 70er Jahren mit fünf deutschen Meisterschaften wieder auf. »Die Borussia ist wieder da, Deutscher Meister wie jedes Jahr«, schallte es den Nachfolgern der damaligen Fohlen-Elf entgegen, die bereits zum vierten Mal in dieser Saison mit einem späten Tor gepunktet hatten.
»Das kommt aus der Mannschaft. Ich will mich da gar nicht zu sehr in den Vordergrund stellen«, sagte Borussen-Coach Marco Rose zur in dieser Saison neu entwickelten Qualität am Niederrhein. Im Überschwang gab der 43-Jährige seine Zurückhaltung im Hinblick auf die mögliche erste Meisterschaft seit 43 Jahren zumindest ein Stück weit auf. »Wir haben gegen den deutschen Meister gespielt. Jeder hat gesehen, wo wir hinwollen«, sagte Rose, ohne das Wort Meisterschaft in den Mund zu nehmen. Das tat indes der Gegner. Für die Bayern ist Gladbacher nun Titelfavorit. »Das ist momentan die Benchmark. Wer vorne ist, der hat den Anspruch darauf«, sagte Bayerns Sportchef Hasan Salihamidzic.
Er hatte mitansehen müssen, wie das Spiel nach dem 1:0 durch Ivan Perisic (49.) kippte. Erst köpfte Bensebaini nach einer Ecke zum Ausgleich ein (60.). Und danach stürmte die Borussia plötzlich nach vorne und belohnte sich in der Nachspielzeit. Münchner Proteste nach dem Elfmeterpfiff von Schiedsrichter Marco Fritz und der Gelb-Roten Karte für Javier Martinez nach dessen Einsteigen gegen Marcus Thuram gab es keine.
Gladbachs neue Mentalität, bis zum Ende an sich zu glauben, brachte Rose vor der Saison vom österreichischen Dauer-Meister Red Bull Salzburg mit an den Niederrhein. Erst nach dem Rückstand wachten die Borussen auf - aber wie! Aus der drückenden Überlegenheit der Bayern mit 14:1 Torschüssen zur Pause entwickelte sich nach dem 0:1 eine klare Dominanz des Tabellenführers. »Nach dem 1:1 hat Gladbach uns gezeigt, warum sie oben stehen. Sie haben richtig Power nach vorne«, sagte Bayerns Interimscoach Hansi Flick.
Nach der zweiten unglücklichen 1:2-Pleite am Stück nach der Niederlage gegen Leverkusen in der Vorwoche dürften die Stimmen, dass die Bayern nun unbedingt mit Flick als Trainer weitermachen sollten, etwas leiser werden. 24 Punkte nach 14 Spielen bedeuten die schwächste Ausbeute der Bayern seit neun Jahren. Die Herbstmeisterschaft ist praktisch nicht mehr erreichbar. »Nach zwei Niederlagen in Folge ist die Stimmung hier natürlich nicht brillant«, kommentierte Angreifer Thomas Müller.
Salihamidzic sieht sich in der Trainerfrage nach der Beurlaubung von Niko Kovac vor einem Monat nun aber nicht zusätzlich unter Druck. »Wir haben auch heute in der ersten Halbzeit gesehen, dass es läuft. Nein, da hat sich nichts verändert«, sagte Salihamidzic in Bezug auf den Fahrplan, nach dem 17. Spieltag Bilanz ziehen und in der Trainerfrage entscheiden zu wollen.
Trotz des nach 14 Spieltagen schon deutlichen Rückstands auf die Borussia (31 Punkte) und den Zweiten Leipzig (30) geben die Bayern (24) ihr Meister-Ziel naturgemäß nicht auf. »Selbstverständlich, es sind noch 20 Spiele. Darum muss man Ruhe bewahren«, sagte Salihamidzic.