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Aus der Not fast eine Tugend gemacht

Löws neue Formation überzeugt nur 60 Minuten. Tore durch Gnabry und Havertz

Serge Gnabry (Zweiter von rechts) überwindet Argentiniens Torhüter Marchesin zur 1:0-Führung. Foto: dpa
Serge Gnabry (Zweiter von rechts) überwindet Argentiniens Torhüter Marchesin zur 1:0-Führung. Foto: dpa
Serge Gnabry (Zweiter von rechts) überwindet Argentiniens Torhüter Marchesin zur 1:0-Führung. Foto: dpa

DORTMUND. Das hatte sich der neue Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) irgendwie anders vorgestellt, aber die Not vor dem Länderspiel gegen die Argentinier hätte größer kaum sein können. Der Bundestrainer hatte nach den vielen Absagen Mühe, eine konkurrenzfähige Mannschaft auf den Platz der Dortmunder Fußball-Arena zu bringen. Aber Joachim Löw machte aus seiner Not fast eine Tugend, am Ende sahen Präsident Fritz Keller und nur 45 197 Zuschauer ein 2:2 (2:0). Die Tore erzielten Serge Gnabry in der 15. Minute und Kai Havertz (22.), den Gegentreffer markierte der eingewechselte Leverkusener Lucas Alario (66.) per Kopfball, den Ausgleich Lucas Ocampos kurz vor dem Ende.

»Wir waren erst sehr mutig und beherzt. Die zweite Halbzeit war Argentinien dann doch stärker«, lautete Löws Fazit. »Am Ende hat man gemerkt, dass wir eine neue Mannschaft waren. Da kann noch nicht alles klappen«, sagte der Dortmunder Julian Brandt. Noch bei keinem Länderspiel in Dortmund waren weniger Zuschauer im Stadion, alle Oberränge blieben nahezu unbesetzt, dennoch kam schnell Stimmung auf, weil die B-Elf von Joachim Löw mächtig Druck machte und Argentinien von Beginn an unter Druck setzte. Marcel Halstenberg scheiterte nach den beiden Toren mit einem Freistoß (30.) an der Querlatte des von Agustin Marchesin gehüteten argentinischen Tores.

Debüt von Koch

Niklas Stark von Hertha BSC sollte spielen, musste aber mit Magen-Darm-Problemen auch noch passen. Für ihn kam der nachnominierte Freiburger Robin Koch zum ersten Einsatz und machte seine Sache gut. Kochs Freiburger Teamkollege Luca Waldschmidt stand wie angekündigt ebenfalls in der Startelf. »Ich kann mich nicht erinnern, dass wir schon einmal derart viele Absagen vor einem Länderspiel gehabt hätten.« Löw war, wie die Queen sagen würde, sichtlich »not amused« in Dortmund: »Wir haben ohnehin sehr wenig Zeit und befinden uns im Umbruch, die Absagen machen alles für 2020 schwieriger.« Der Torwartstreit beschäftigte Löw dagegen gar nicht: »Ich habe momentan wirklich andere Sorgen.«

Nur noch Erinnerung, wie das in der Vergangenheit ausgesehen hat. Auch der Bundestrainer schwelgt da nur in Erinnerungen. »Natürlich steht das Finale in Rio de Janeiro an erster Stelle, aber auch 2010, als wir 4:0 gegen Argentinien gewonnen haben. Unvergessen für mich auch 2006 der Erfolg im Elfmeterschießen«, schwärmt Löw. Aber die Vorzeichen in Dortmund waren ganz andere. Und aus seinen Worten war die Verstimmung immer wieder herauszuhören. Aber auch die Argentinier und Nationaltrainer Lionel Scaloni, der seinen Job nur der Fürsprache von Lionel Messi verdankt, präsentierten in Dortmunds Fußball-Tempel lediglich eine B-Elf.

Superstar Messi ist gesperrt, weil er den Funktionären Korruption vorwarf, Agüero blieb auf Bitten von City-Teammanager Pep Guardiola in Manchester und Angel di Maria in Paris. Auf die Spieler der Boca Juniors und von River Plate musste Scaloni wegen der Copa Libertadores verzichten.

Koch stand in der Innenverteidigung neben Niklas Süle, außen spielten Lukas Klostermann und Marcel Halstenberg, im Mittelfeld der überragende Kapitän Joshua Kimmich neben Emre Can, offensiv Kai Havertz, Julian Brandt, Serge Gnabry und Waldschmidt. Also B-Elf gegen B-Elf, Formationen, die so nicht wieder auflaufen werden. Und trotzdem sahen die Zuschauer in Dortmund eine unterhaltsame Begegnung. Testcharakter konnte das alles nicht haben, auch Experimentiercharakter nicht wirklich.

Aber die deutsche Mannschaft machte es zunächst gut, spielte schnell, und kombinierte nach den frühen Toren von Gnabry und Havertz weitgehend sicher und geriet erst ab der 46. Minute mehr unter Druck. Die argentinische Mannschaft kam dagegen zunächst kaum zu Chancen, Marc-André ter Stegen wurde erst im zweiten Durchgang ernsthaft geprüft. Ein Pfostenschuss in der 33. Minute von Rodrigo de Paul blieb die einzige gefährliche Situation im ersten Durchgang, Paulo Dybala von Juventus Turin war in der Offensive weitgehend wirkungslos, das galt auch für Lautaro Martinez von Inter Mailand und Angel Correa von Atlético Madrid.

Löw ging es nur darum, eine konkurrenzfähige Mannschaft auf das Spielfeld zu bringen. Und das ist dem Bundestrainer gelungen, was auch als Hinweis darauf gelten darf, dass die Republik über ausreichend ambitionierte Nationalspieler verfügt – auch wenn die erste Reihe nicht zur Verfügung steht, das vielleicht die wichtigste Erkenntnis des regnerischen und kalten Abends in Dortmund, Löw brachte auch noch Nadiem Amiri und Suat Serdar. »Wir müssen es akzeptieren wie es ist, ich will auch gar nicht lamentieren«, sprach der Bundestrainer, das Spiel sei eben eine Chance für die, die sonst eher selten eine bekommen. Und eine Kursabweichung wird es für Löw nicht geben: »Wir setzen unseren eingeschlagenen Weg mit den jungen Spielern fort.« Unterhaltsame 90 Minuten und der eine oder andere Fingerzeig für den Bundestrainer, Sonntag geht es in der Qualifikation für die Europameisterschaft in Tallinn gegen Estland. (GEA)

 

SPIELSTATISTIK

Deutschland – Argentinien 2:2 (2:0)

Deutschland:

ter Stegen – Can, Koch, Süle – Klostermann, Kimmich, Havertz (83. Rudy), Halstenberg – Brandt (67. Amiri), Gnabry (72. Serdar), Waldschmidt

Argentinien:

Marchesin – Foyth, Rojo (46. Acuna), Tagliafico – Pereyra (76. Saravia), de Paul (90.+3 Rodriguez), Parades, Correa (46. Ocampos) – Dybala (62. Alario), Martinez

Tore:

1:0 Gnabry (15.), 2:0 Havertz (22.), 2:1 Alario (66.), 2:2 Ocampos (85.) –

Schiedsrichter:

Turpin (Frankreich) –

Zuschauer:

45 197