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Andrei Ratiu: Der Blaue unter den Gelben

Verteidiger Andrei Ratiu ist nicht nur wegen seiner Haare einer der auffälligsten Figuren beim Außenseiter

Seine Frisur sticht ins Auge: Rumäniens Verteidiger Andrei Ratiu. FOTO: HALISCH/DPA
Seine Frisur sticht ins Auge: Rumäniens Verteidiger Andrei Ratiu. FOTO: HALISCH/DPA
Seine Frisur sticht ins Auge: Rumäniens Verteidiger Andrei Ratiu. FOTO: HALISCH/DPA

MÜNCHEN. Eine riesige Schar fröhlicher Fans hat eigentlich jede Nation zu dieser Fußball-Europameisterschaft gebracht. Aber nur wenige waren wirklich so lautstark und so leuchtend wie die Anhängerschaft Rumäniens. Klar, die Tartan Army aus Schottland galt als noch zahlreicher und trinkfester, aber ganz gleich wie dieses Turnier für die »Tricolorii« mit ihrem EM-Achtelfinale am Dienstag in München gegen die Niederlande (18 Uhr/ARD und Magenta TV) ausgeht: ihre in sonnengelben Trikots einlaufende Armada war ein fröhlicher Farbtupfer, der sich zusammen mit ihren Lieblingen den Vorstoß in die K.o.-Runde allemal verdient hat.

Dabei hat einer entscheidend mitgeholfen, der nicht nur wegen einer blau gefärbten Haar zur auffälligen Figur avancierte. Andrei Ratiu hat in allen Gruppenspielen auf seiner rechten Abwehrseite mächtig Dampf gemacht. Hinten hat der 26-Jährige resolut aufgeräumt, dazu vorne entschlossen Akzente gesetzt.

Der bei Rayo Vallecano spielende Profi ist einer von jenen Rumänen, die sich auch die Bundesliga-Scouts ganz genau anschauen. Sein Vertrag läuft bei einem stets in La Liga um den Klassenerhalt kämpfenden Klub zwar bis 2028, aber sein Marktwert liegt bislang nur bei 1,5 Millionen Euro. Ist da vielleicht noch ein Schnäppchen zu bekommen? Rumänische Medien bringen ihn bereits mit einem Wechsel nach Deutschland in Verbindung. Ein K.o.-Duell ist die beste Bühne, in einer Sache zu werben.

Sein Tatendrang beeindruckt, sein Tempo ist ordentlich – seine sieben Klärungsversuche in der Gruppenphase gerieten teils spektakulär. Elf Bälle hat er erobert, 87 Prozent der Pässe zum Mitspieler gebracht. Und ein Topspeed von 34,7 km/h ist auf seiner Position stark – Joshua Kimmich kommt bloß auf 32,7. Intern wird der forsche Rumäne übrigens nur »Sonic« genannt, in Anlehnung an den Videospiel-Helden »Sonic the Hedgedog«, der es in der japanischen Serie mit einer zackigen blauen Frisur auch mit allen Erzfeinden aufnimmt. Ähnlich unerschrocken gibt sich gerade Ratiu.

Lange unter dem Radar geflogen

Dass bei diesem Aktivposten erst 20 Länderspiele in seiner Vita stehen, ist leicht erklärt: Weil seine Eltern bereits in seiner Kindheit nach Spanien zogen, wuchs er dort auf – und der rumänische Verband hatte ihn lange gar nicht auf dem Radar. Erst vor knapp drei Jahren durfte er debütieren. Bei Nationaltrainer Edward Iordanescu hat die Nummer zwei längst einen Stein im Brett.

Der 46-Jährige schätzt Spieler, die mit so viel Herzblut bei der Sache sind, weil es ohne die Leidenschaft gar nicht gelungen wäre, die Landsleute mitzureißen. »Den Fans und dem Land widmen wir alles, was wir bei dieser EM erreichen«, sagt auch Kapitän Nicolae Stanciu. »Die Rumänen waren schon lange nicht mehr in einem solchen Zustand der Freude vereint«, teilte Nationalcoach Iordanescu über die Website seines Verbandes mit. Mit den »Oranjes« in München ein riesiges buntes Bild erzeugen zu können, ist eine Aussicht, von der vorher nicht mal kühnste Optimisten zu träumen gewagt hätten. Vor der historischen Herausforderung gegen dem zumindest auf dem Papier als Fußball-Großmacht geltenden Gegner hat der Trainer vorsorglich noch um göttlichen Beistand gebeten.

Bei einem Gottesdienst einer rumänisch-orthodoxen Gemeinde in Würzburg schaute er am Sonntag vorbei. Vielleicht hilft es ja, die Wahrscheinlichkeit auf eine Überraschung zu steigern. 30 Jahre nach dem größten Erfolg bei der WM 1994 mit dem furiosen Achtelfinalsieg gegen Argentinien träumt wieder ein ganzes Land von einem Coup, der nicht nur das Selbstwertgefühl vieler Rumänen erhöht, sondern seine Spieler ein Stück weiter auch von der Generation eines Gheorghe Hagi emanzipieren würden. (GEA)