REUTLINGEN. Ein großer Moment des deutschen Fußballs und ein Elfmeter für die Ewigkeit – ohne Andreas Brehme wäre die deutsche Nationalmannschaft im Finale vom Rom 1990 nicht Weltmeister geworden.
Rückblende: Es brauchte damals einen, der bei aller Verantwortung, die in der 85. Minute auf seinen Schultern lastete, unbekümmert bleiben konnte, um gegen Argentinien unhaltbar zu treffen. Torwart Sergio Goycochea war an jenem Abend des 8. Juli chancenlos.
Wie oft musste Brehme diese Geschichte erzählen. Der Mann, der Deutschland zum Weltmeister krönte, starb in der Nacht zum Dienstag in München nach einem Herzstillstand. Guido Buchwald, Weltmeister 1990 wie Brehme, reagierte »geschockt. Ich kann momentan gar nichts denken, ich bin nur geschockt. Wir hatten zuletzt wieder engen Kontakt, Andi war immer positiv, er hat das pure Leben ausgestrahlt«.
Brehme war auf seine Art ein Lebenskünstler, einer, dessen Leben nach der Karriere nicht immer schillernd verlief, schlecht gelaunt sah man ihn dennoch nie. Und nie um eine Antwort verlegen, wenn man ihn fragte. Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger nannte Brehmes Tod einen »tragischen Verlust, er war ein Idol meiner Jugend und später mein Co-Trainer beim VfB Stuttgart. Ein Fußballer durch und durch und ein Pfundskerl«. Stuttgarts ehemaliger Vorstandsvorsitzender reagierte wie Buchwald sehr betroffen, als die Kunde von Brehmes Tod die Runde machte.
»In Rom unser Held«
In Erinnerung bleibt nicht nur Brehmes größter Erfolg, auch seine Tränen an der Brust von Rudi Völler, als der Abstieg des 1. FC Kaiserslautern 1996 nicht mehr zu verhindern war. Brehme stieg mit Trainer Otto Rehhagel aber direkt wieder auf und wurde 1998 sensationell deutscher Meister mit dem FCK . »Er war in Rom unser Held, aber für mich noch viel mehr – er war mein enger Freund und Begleiter bis zum heutigen Tag«, sagte Rudi Völler, der Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).
Durch den Erfolg von Rom avancierte Brehme, der lange für den 1. FC Kaiserslautern und auf großer Bühne für den FC Bayern München und Inter Mailand spielte, zu einer bedeutsamen Figur in der Fußball-Historie. Der deutsche Sport verliert nur wenige Wochen nach dem Tod von »Kaiser« Franz Beckenbauer eine weitere Schlüsselfigur aus der damaligen Nationalmannschaft.
Erinnerung an triumphalen Tag
Der Abend im Olympiastadion prägte das Image des Defensivspielers wie kein anderer Moment. Wie die Namen von Helmut Rahn (1954), Gerd Müller (1974) oder Mario Götze (2014) wird der Name von Brehme für ewig mit einem triumphalen Tag des deutschen Fußballs in Erinnerung bleiben. »Man muss davon überzeugt sein, sonst wäre ich nicht zum Elfmeter hingegangen. Gedacht habe ich gar nichts in dem Moment.« Brehme nahm sich den Ball, den Lothar Matthäus an diesem Tag nicht wollte.
Die Jahre bei Inter Mailand prägten ihn mehr als der Titel von Rom. Von 1988 bis 1992 stand er bei Inter unter Vertrag, Italien wurde seine zweite Heimat, immer wieder zog es ihn dorthin. Sehr berührt hatte Brehme Anfang des Jahres der Tod von Franz Beckenbauer. Das Verhältnis zwischen Brehme und dem Teamchef war sehr eng. Auch 1986 stand er mit Deutschland im verlorenen Finale gegen Argentinien.
Assistent von Trapattoni
Seine Karriere begann im Arbeiterstadtteil Barmbek-Uhlenhorst. Trainer war über viele Jahre sein Vater Bernd Brehme, eine Trainer-Institution in Hamburg: »Ich bin durch ihn Profi und Nationalspieler geworden, nur wegen meinem Vater habe ich es so weit geschafft.« Die Verbundenheit zum kleinen HSV blieb, auch bei seinen Profi-Stationen Saarbrücken, Kaiserslautern, Bayern, Inter und Real Saragossa. Weniger erfolgreich verlief Brehmes Karriere als Trainer in Kaiserslautern, Unterhaching und als Assistent von Giovanni Trapattoni beim VfB Stuttgart.
Trapattoni brachte ihn als Co-Trainer seinerzeit mit nach Stuttgart. Und Brehme musste auch mit ihm wieder gehen, ehe der VfB unter Trainer Armin Veh 2007 Meister wurde. Brehme blieb zeit seines Lebens ein gut gelaunter Mensch, nie um einen Spruch verlegen, ein emotionaler Fußballer, der seine Möglichkeiten kannte und nutzte, seine Grenzen aber auch nie aus dem Auge verlor. Was seine Glaubwürdigkeit begründete und ihn zu einer bedeutsamen Figur in der Geschichte des deutschen Fußballs werden ließ. Philipp Lahm, Weltmeister 2014 in Rio de Janeiro und Propagandist der Europameisterschaft 2024, schrieb: »Andreas Brehme wurde bei der WM in Italien eins meiner Idole. Er war ein früher, moderner Außenverteidiger, der auf der rechten wie auf der linken Seite spielte, er war prägend auch für meine Karriere.«
Brehme, der 86 Länderspiele für die deutsche Nationalmannschaft bestritt, wurde nur 63 Jahre alt. Der Fußball trägt wenige Wochen nach dem Tod von Franz Beckenbauer erneut Trauer. (GEA/dpa)