KAISERAU. Joshua Kimmich kennt da keine zwei Meinungen. Nach dem Abstieg in die Zweitklassigkeit der Nations League und vor dem Spiel gegen die Niederlande in Gelsenkirchen am Montag (20.45 Uhr/ARD), dem letzten Spiel im Jahre des Debakels von Russland, ist Kimmich schlicht und ergreifend sauer. »Diese Ausgangsposition haben wir uns selbst zuzuschreiben, wir stehen als Gruppenletzter fest. Das Jahr war schlecht, wir können uns nicht mehr mit den Besten messen, das ärgert mich, das betrifft mich schon, weil wir uns mit den Besten messen wollen. Wir wollen die Besten unter den Besten sein«, sagt Kimmich fast kämpferisch.
Der junge Mann vom FC Bayern wird schon als der kommende Kapitän der Nationalmannschaft gehandelt. »Ich will mit meiner Leistung vorangehen. Aber es geht nicht nur um die Leistung auf dem Feld, es geht auch darum, dass die Dinge alle Hand und Fuß haben müssen, wenn man Führungsspieler sein will. Was man sagt, muss Sinn machen.« Kimmich hat in der Sportschule in Kaiserau einen großen Aufritt. »Joshua ist von den Nachwuchsleuten am weitesten«, sagt der Bundestrainer. »Die älteren Spieler profitieren von uns, und wir von ihnen«, sagt Kimmich. Man beachte die Reihenfolge. Die Nachwuchskräfte in der Nationalmannschaft wissen schon, welche Rolle ihnen in Gegenwart und Zukunft zugewiesen werden wird. Kimmich sagt: »Wir haben keine Chance mehr, den Abstieg zu verhindern, aber deshalb ist das Spiel gegen die Holländer keine Larifari-Begegnung.«
Der Bundestrainer rechnet mit dem Nachwuchs. »Natürlich sind wir enttäuscht, es ist schade für uns, dass wir gegen die Niederlande nichts mehr zurechtbiegen können«, sagt Löw vor dem Spiel in Gelsenkirchen. »Der Abstieg ist ärgerlich, aber auch kein Beinbruch, es gilt jetzt, die richtigen Lehren aus diesem Jahr zu ziehen. Ganz klar, 2018 war eine richtige Ohrfeige. Über fast ein Jahrzehnt waren wir auf dem Weg nach oben. Aber in diesem Jahr fehlte uns die Dynamik, der Killerinstinkt, unser Spiel muss wieder zielstrebiger werden. Die Spiele gegen Frankreich und Russland haben gezeigt, wie es gehen kann.«
Löw weiß, dass er auf den Nachwuchs zählen kann. »Joshua Kimmich ist sicher am weitesten von allen, er ist extrem wissbegierig, extrem professionell, er und andere sind auf dem Weg, das sind schon Spieler mit Einfluss.« Auch der Leverkusener Kai Havertz »ist ein bewundernswerter Spieler, er hat eine große Zukunft vor sich, Kai hat alle Möglichkeiten für eine große Karriere.« Wie Serge Gnabry, Timo Werner, Thilo Kehrer, Julian Brandt, Leon Goretzka, Leroy Sané und Niklas Süle.
Aber Löw betont immer auch die Rolle der Etablierten. »Toni Kroos ist ein absoluter Führungsspieler. Wie Mats Hummels und Thomas Müller.« Überhaupt Thomas Müller. Der Münchener steht in Gelsenkirchen vor seinem 100. Länderspiel. »Da kann ich nur sagen, höchsten Respekt, noch keine 30 und 100 Länderspiele. Thomas Müller hat sich nie geschont, hat sich für diese Mannschaft immer den Arsch aufgerissen. Müller ist einer, von dem andere lernen können. Ich werde ihm eine großes Dankeschön sagen, er kriegt ein Weizenbier von mir.« Löw lacht.
Gegen die Niederlande, einfach wird das nicht. »Eine Mannschaft, die den alten und neuen Weltmeister geschlagen hat, kann nicht schlecht sein. Das ist eine Mannschaft mit einer Spielidee, aggressiv, durchschlagskräftig, jung und körperlich robust. Ronald Koeman hat große Erfahrung.« Ob Marco Reus spielen wird, ist offen. »Er klagt noch über Schmerzen«, sagt Löw. Mats Hummels und Toni Kroos werden zurückkehren.
Der Bundestrainer versucht, auch als Absteiger aus der Nations League einen entspannten Eindruck zu machen. In seiner Mannschaft ist Bewegung, das nimmt er zur Kenntnis. »Wir haben große Enttäuschungen hinter uns, es war ein richtig schlechtes Jahr.« Und dann sagt Löw: »Ich freue mich auf das nächste.« (GEA)