METZINGEN. Es wurde eine lange Nacht. Der Feier-Marathon der Metzinger Handballerinnen im Anschluss an den Pokal-Triumph dauerte bis in die frühen Morgenstunden. Nach der Rückkehr aus Stuttgart in die Öschhalle genossen die neuen Heldinnen den großen Coup mit etwa 50 Fans, auch einige Sponsoren feierten mit. Selbst Oberbürgermeisterin Carmen Haberstroh kam vorbei, gratulierte dem Team und ließ wissen, dass sie stolz auf die »TusSies« sei.
Die Party-Klassiker »Tage wie diese«, »YMCA« und »Goldmarie« tönten aus den Boxen, unzählige Fotos wurden geschossen, während immer wieder der Pokal kreiste und von manchen Spielerinnen am liebsten gar nicht mehr hergegeben wurde. Noch ist der Metzinger Name in die Siegerliste am Sockel des Pokals nicht eingraviert, das wird noch kommen. Ebenso wie der Standort des großen Kelchs, den sich die Metzinger Macher erst noch überlegen müssen, so unerwartet war der Triumph über sie hereingebrochen.
Raketen erhellen Metzinger Nachthimmel
Nicht nur in der »Öschhölle« war Feiern angesagt. Nach Mitternacht wurden das Ganze kurzzeitig nach draußen auf den Vorplatz verlagert, wo unter lautem Hallo einige Raketen in den Metzinger Nachthimmel schossen, während das Team dazu sang: »Deutscher Pokalsieger Metzingen«. Es war der Abend der speziellen, bleibenden Momente. »Wir haben's so oft versucht, einmal waren wir im Finale. Dass es im letzten Anlauf geklappt hat, ist für mich das größte Geschenk überhaupt«, sagte Co-Mannschaftsführerin Maren Weigel, die nach zwölf Jahren im Metzinger Dress am Saisonende ihre Karriere beenden wird. Ex-Nationalspielerin Isabell Klein hatte die 30:28-Sensation im Finale gegen Top-Favorit SG BBM Bietigheim treffend auf den Punkt gebracht. »Emotionen und eine geschlossene Mannschaftsleistung haben gewonnen gegen individuelle Stärke«, sagte die Eurosport-Expertin in Stuttgart.
Stolz war man im Metzinger Lager nicht nur über den Pokal-Coup. Dass man die Endlos-Serie der Bietigheimerinnen, die hierzulande seit knapp 100 Spielen nicht mehr verloren hatten, beendet hatte, kommentierte Christoph Kalf vom Management mit den Worten: »Wir haben die Unschlagbaren geschlagen.« Den Metzingerinnen fiel es auch Stunden nach der Siegerehrung nicht leicht, den großen Coup zu realisieren. Torhüterin Marie Weiss konnte es »noch nicht richtig glauben«und Rückraumspielerin Viktoria Woth sagte nur versonnen: »Es ist schön, dass wir den Pokal haben.«
Unfassbare Siebenmeter-Stärke
Eine der unglaublichen Geschichten dieses Turniers war die fast unfassbare Siebenmeter-Stärke der eingewechselten Torhüterin Kamilla Kantor. Die nur 1,74 Meter große Ungarin, die ein abgeschlossenes Management- und Psychologie-Studium in der Tasche hat, sagt über dieses Duell gegen den Schützen: »Das ist Psychologie. Ich mag das.« Dass sie bei Strafwürfen einmal ein paar Meter aus dem Tor kommt, beim nächsten Mal wieder auf der Linie bleibt, gehört zu ihrer Trickkiste. Sie rechnete im Halbfinale damit, dass sie beim entscheidenden Siebenmeter der Oldenburgerin Lisa Borutta gute Chancen haben würde, zu halten: »Das ist eine Panik-Situation für die Schützen.« Kantor spekulierte darauf, dass, wenn sie hinten bliebe, Borutta flach werfen würde. Genau so kam es, Kantor hielt den Ball.
Edina Rott, die einstige langjährige Trainerin der »TusSies«, die 2012 mit dem Team in die Bundesliga aufgestiegen war, hatte bei Siebenmetern besonders mitgefiebert - wenn Tochter Rebecca im Finale bei fünf Strafwürfen zur Tat schritt und eiskalt verwandelte. »Sie ist viel stärker, als ich es früher war«, sagte Edina. Besonders gefeiert wurde in dieser denkwürdigen Nacht Julia Behnke. Die Co-Mannschaftsführerin, Abwehrchefin und Kreisläuferin, die teilweise nur mit Blickkontakten ihre Mitspielerinnen beruhigte, war die Leitwölfin, ohne die es im Finale nicht gegangen wäre. »Wir haben immer gesagt, wir haben keine Anführerin. Heute hatten wir sie«, sagte Trainer Werner Bösch. Geschäftsführer Ferenc Rott ging noch weiter und rief vor der jubelnden Mannschaft: »Jule muss ein Denkmal bekommen - in Lebensgröße.«
Krönung eines Lebenswerkes
Für Ferenc Rott und seine Ehefrau Edina bedeutet der Pokal-Triumph die Krönung ihres Lebenswerkes. 2009 waren sie nach Metzingen gekommen, als der Club wirtschaftlich am Abgrund stand, und hatten die damals zweitklassige TuS in der Folge in die Bundesliga gebracht, zu den »TusSies« gemacht und dort als Top-Team etabliert. »Da stecken 15 Jahre Arbeit drin. Immer haben wir verloren. Immer. Und nun das«, sagte der temperamentvolle Ungar diesmal ganz nachdenklich im Rückblick auf verpasste Titel-Chancen in den Jahren 2016 und 2017.
Er hoffe, dass der Pokal-Sieg »für Aufbruchstimmung sorgt - auch bei den Sponsoren«. Bei der TuS ist man sich des gestiegenen Marktwerts bewusst und will bei künftigen Gesprächen zum Ausdruck bringen, »dass wir die beste Mannschaft Deutschlands sind«, wie Ferenc Rott betonte. Der Titelgewinn hat den Pink Ladies in jedem Fall viel Aufmerksamkeit gebracht. Auf dem Instagram-Kanal gingen unzählige Glückwünsche ein. Für die Spielerinnen ist nach dem Feier-Marathon nun Trainingspause angesagt. Erst am Donnerstag geht's weiter. Verdient haben sie es sich allemal. (GEA)