TÜBINGEN. Wenn der Headcoach eines Basketball-Bundesligisten, in diesem Falle Tübingens Danny Jansson, davon spricht, dass ein solch bescheidener und hart arbeitender Spieler in jeder Mannschaft dieser Welt automatisch großen Respekt und Ansehen genießen würde. Wenn er selbst nach reichlicher Überlegung ergänzt, dass es tatsächlich keinen einzigen Kritikpunkt gebe, den er über jenen Profi anführen könne. Und wenn dieser stets als Erster den Arm heben würde, so erzählt Jansson, wenn irgendwelche Hilfe abseits des Platzes innerhalb des Clubs benötigt werde. Spätestens dann ist klar: Hier dreht es sich um keinen normalen Bundesliga-Spieler.
Und genau das ist Joshua Schwaibold von den Tigers Tübingen auch nicht. In keinster Weise. Der 24-Jährige ist das einzige Eigengewächs im Kader des Aufsteigers. Dass von ihm in der Öffentlichkeit nicht viel erzählt wird, liegt wohl daran, dass sein Name am Wochenende nur sehr selten auf dem Spielberichtsbogen auftaucht. Und dennoch schwärmen die Verantwortlichen vom gebürtigen Tübinger, der seit Sommer als Trainingsspieler fester Bestandteil der Bundesliga-Truppe ist, in den höchsten Tönen.
»Wenn ich mir mal ein Ziel gesetzt habe, dann tue ich auch wirklich alles dafür, um dieses zu erreichen«
Schon seine Geschichte auf dem Weg zum Trainingsspieler bei den Tigers ist eine ungewöhnliche. Schwaibold beginnt erst in der U 14 beim SV 03 Tübingen mit dem Basketball. »Ich habe das damals gar nicht so ernst genommen«, berichtet er im Gespräch mit dem GEA. Weil er nebenbei noch den Tübingen Red Knights American Football spielte. Selbst in der U 18 beim TV Derendingen in der Bezirksliga ließ er es noch ruhig angehen. Richtig ambitioniert wurde es erst im Jahr darauf, als der Wechsel zurück zu den Young Tigers folgte, für die der 1,96 Meter große Modellathlet in der Nachwuchs-Basketball-Bundesliga (NBBL) auf Körbejagd ging. »Das hatte ich mir als Ziel gesetzt«, erzählt der Sportmanagement-Student im neunten Semester, der allerdings nun den Weg in die medienwissenschaftliche Richtung einschlagen möchte, über den großen sportlichen Sprung damals und ergänzt: »Und wenn ich mir mal ein Ziel gesetzt habe, dann tue ich auch wirklich alles dafür, um dieses zu erreichen.« Diese Hartnäckigkeit wurde mit einem festen Platz in der Tübinger Bundesliga-Mannschaft belohnt.
»Ich muss mich mehr fokussieren, als alle anderen«
Schwaibold kennt seine Rolle, identifiziert sich voll mit dieser und sagt selbst: »Ich muss mich mehr fokussieren, als alle anderen. Das ist das, was auch die Coaches immer wieder zu mir sagen. Wenn ich das mache, dann kann ich auch gut mithalten.« Es sei schon eine coole Sache, jeden Tag die Chance zu bekommen, mit einem Bundesliga-Team zu trainieren, gibt er zu. Aber, das betont sein finnischer Trainer an dieser Stelle mit Nachdruck: »Er kommt nicht ins Training und denkt: Ich sollte etwas geschenkt bekommen, nur weil ich von Tübingen bin. Er erwartet nicht, dass er irgendetwas umsonst bekommt. Joshi arbeitet extrem professionell. Wie ein Profi.« Ihm kam in der bisherigen von für die Tübinger verletzungsgebeutelten Saison bereits durchaus eine entscheidende Rolle zu. »Ohne Joshi hätten wir schon mehrfach keine zehn Spieler im Training gehabt« sagt Jansson. Dabei mache es einen generell einen Riesenunterschied, ob man Fünf-gegen-Fünf spielen könne oder eben nicht. »Dann einen solchen Spieler im Kader zu haben, der zulässt dass wir normal trainieren können, ist wirklich Gold wert. Wir schätzen sehr, was er für uns tut.«
Und dennoch: Trotz seiner klar definierten Rolle als Trainingsspieler darf sich Schwaibold seit dem 7. Oktober offiziell den Begriff Bundesliga-Spieler in seine Vita schreiben. Bei der 72:103-Niederlage im Aufsteigerduell gegen Rasta Vechta, das aufgrund einer beispiellosen Verletzungsmisere der Tübinger im Prinzip keinen sportlichen Wettbewerbscharakter besaß, feierte der 24-Jährige sein Debüt in der deutschen Beletage. Schwaibold wurde von Headcoach Jansson drei Minuten vor Schluss aufs Parkett geschickt. Und sammelte prompt noch den ersten Rebound und Assist seiner BBL-Karriere ein. Wie sich dieser Abend für ihn angefühlt hat? »Am Ende des Tages ist es auch nur Basketball. In dieser Situation habe ich alles ausgeblendet. Danach kam dann aber schon der Gedanke: Krass, jetzt hast du Bundesliga gespielt. Das kann dir keiner mehr nehmen. Das macht einen natürlich extrem stolz«, sagt er und strahlt dabei wie immer über beide Backen.
»Er ist super bescheiden, extrem liebenswert und sehr hilfsbereit«
Betritt Schwaibold den Raum, macht sich gute Laune breit. Ein echter Menschenfreund. Nicht ohne Grund beschreibt er sich als eine »sehr, sehr offene Person«, die praktisch mit jedem und jeder klarkomme und immer eine positive Einstellung zum Leben habe. Was im eineinhalbstündigen Gespräch mit ihm bereits offensichtlich wird, lässt sich so auch auf das Basketball-Feld übertragen.»Ich bin ein Spieler, der über die Energie kommt«, betont Schwaibold. Was Jansson über den Charakter seines Spielers zu sagen hat? Offenbar ganz schön viel: »Super bescheiden, extrem liebenswert und sehr hilfsbereit.«
Dass bislang nicht noch weitere Einsätze in der Bundesliga dazugekommen sind, das erklärt Tigers-Coach Jansson, liege an einer einfachen Regel. Absolviert ein Spieler mehr als fünf BBL-Spiele in einer Saison, dann darf er nicht mehr in der Regionalliga auflaufen. Und genau dort sind die SV 03 Tigers Tübingen seit 2009 beheimatet, die mit nur einem Sieg auf dem letzten Tabellenplatz überwintern. Mit aller Macht soll die Klasse gehalten werden. Damit dieses Unterfangen gelingt, ist das Team von Trainer Sergey Tsvetkov, der im Sommer von Manu Pasios übernahm, auf Joshua Schwaibold angewiesen. Der 24-Jährige ist mit durchschnittlich 16 Punkten (Platz 13 ligaweit) unverzichtbarer Leistungsträger. Sein voller sportlicher Fokus - so wollen es auch die Club-Verantwortlichen - soll deshalb am Wochenende auf der Regionalliga-Mannschaft liegen.
»Die besten Jahre für mich als Basketballer kommen noch«
Und was bringt die Zukunft für Schwaibold? Es sei sehr schwierig, die Zukunft eines 24-Jährigen vorherzusagen, meint Jansson. »Der Markt in der Bundesliga tendiert häufig zu jungen, oft zwischen 18 bis 23 Jahre alten deutschen Spielern.« Doch warum sollte er nicht irgendwann den Sprung als Rotationsspieler auf den hinteren Plätzen in einem Bundesliga-Team - im besten Fall in Tübingen - schaffen? »Wenn du die ganze Zeit die Energie und Arbeit investierst, dann wäre es ja blöd zu sagen: Ich mache das aus Jux und Dollerei«, betont Schwaibold. So oder so, eines sei gewiss: »Die besten Jahre für mich als Basketballer kommen noch.« Völlig losgelöst davon, wo ihn seine sportliche Reise in den kommenden Jahren noch hinführen mag, die abschließende Einschätzung seines Coaches kann sich jedenfalls sehen lassen: »Es ist ein Traum für jeden Trainer, einen solchen Spieler im Team zu haben.« Genau das ist Tigers-Eigengewächs Joshua Schwaibold. Der heimliche Liebling beim Bundesliga-Aufsteiger aus Tübingen. (GEA)