BACKNANG. »Der Kopf ist im Saison-Endspurt die größte Herausforderung«, stellte Philipp Reitter unmittelbar nach dem Schlusspfiff im Backnanger Etzwiesenstadion fest. 1:1 (0:0) endete das Duell zwischen der gastgebenden TSG und dem in der Fußball-Oberliga ganz tief im Abstiegsschlamassel steckenden SSV Reutlingen. War das für die Nullfünfer ein gewonnener Punkt im Kampf um den Ligaverbleib? Oder waren es zwei verlorene Zähler? Reitter machte aus seinem Herzen keine Mördergrube: »Unser Ziel waren drei Punkte, jetzt fehlen uns zwei Zähler.«
Die Reutlinger Spieler waren nach dem nächsten Dämpfer im Abstiegskampf enttäuscht, richteten den Blick aber angriffslustig nach vorne. »Wir müssen positiv bleiben und dürfen den Kopf nicht hängen lassen«, sagte Riccardo Gorgoglione, der für den SSV in der 58. Minute nach Vorarbeit von Ole Deininger und Denis Lübke das 1:1-Ausgleichstor markierte. »Wir sind mal nach einem Rückstand zurückgekommen«, pickte Kapitän Lübke einen positiven Aspekt aus dem Spiel heraus. Gentian Lekaj hatte Backnang in der 48. Minute per Konter nach einer Fehlerkette und unglücklichen SSV-Aktionen in Führung gebracht. »Nach so einem blöden Gegentor haben wir viel Energie und Willenskraft gezeigt und uns den Punkt verdient«, so Lübke.
Der Wille war in der Tat keinem Reutlinger Spieler abzusprechen. Doch auch in Backnang verfestigte sich der Eindruck, dass dem SSV im Überlebenskampf eine kräftige Brise Durchsetzungsfähigkeit gut tun würde und dass vor dem gegnerischen Gehäuse die Entschlossenheit und der Mut fehlt. Lediglich der stark spielende Gorgoglione ist derzeit in der Lage, das gegnerische Gehäuse mit einem Schuss aus der zweiten Reihe in Gefahr zu bringen. Der große Rest des Teams sorgt in der Nähe des gegnerischen Gehäuses allenfalls für ein laues Lüftchen. Es ist die große Angst vor dem Versagen.
In Backnang musste Reitter kurzfristig auf Mattia Trianni (krank) und Tom Schiffel (verletzte sich beim Aufwärmen) verzichten. Im Angriff wurde Vladan Djermanovic in die Startformation beordert, auf der rechten Außenbahn durfte Ole Deininger ran. »Backnang hat uns das Spiel überlassen und auf Fehler von uns gelauert«, beschrieb Reitter das Geschehen vor 220 Zuschauern. In Durchgang eins hatte der SSV ein deutliches Plus in puncto Ballbesitz, aber nicht eine Tormöglichkeit. Die Bilanz von Backnang: Ebenfalls null Chancen.
Das Führungstor für Backnang spiegelte die derzeitigen Reutlinger Spielverläufe wider. Im Angriff kam bei der Reitter-Elf der letzte Ball nicht an. Beinahe wäre Luca Plattenhardt freigespielt worden. Aber eben nur beinahe. Backnang erkämpfte sich am eigenen Strafraum den Ball, startete einen Konterangriff, der SSV hätte in Person von Marvin Jäger klären können, doch das Spielgerät landete in Billard-Manier beim Ex-Göppinger Lekaj, der mit seinem Schuss Torhüter Enrico Piu keine Abwehrchance ließ.
Was dem SSV für den Saison-Endspurt Mut machen darf, ist die prompte Reaktion nach dem Gegentreffer. Dass Flankengeber Deininger und Torschütze Gorgoglione am Ausgleichstreffer beteiligt waren, spricht für diese beiden Akteure, die mit ihren filigranen und dynamischen Einzelaktionen für Gefahr beim Kontrahenten sorgen. Derzeit hat man den Eindruck, dass den restlichen Akteuren das Herz in die Hose rutscht, wenn ein Torabschluss angesagt ist. Das wiederum macht wenig Mut. Eine Hoffnung: Vielleicht platzt bei Trianni noch der Knoten. Der 31-Jährige verfügt über gute Schuss- und Abschlussqualitäten. Nur hat er die im Jahr 2024 noch nicht gezeigt.
David Zenner hätte in Backnang zum Matchwinner werden können. Der A-Jugendliche tauchte in der 79. Minute nach Vorarbeit von Gorgoglione fatzenfrei vor Torsteher Enrico Caruso auf - und vergab diese glasklare Möglichkeit. In den Schlussminuten übernahm Backnang das Zepter und hätte den Siegtreffer markieren können. Ein Kopfball von Lekaj landete auf der Oberkante der Latte, ein Drehschuss des ehemaligen SSV-Jugendspielers Tim Pöhler verfehlte knapp das Gehäuse und bei einem Schuss von Flavio Santoro war Piu zur Stelle.
Bekommt der SSV im Abstiegskampf die Kurve und sichert sich den Oberliga-Verbleib? »Der Kopf ist die größte Herausforderung«, weiß Reitter vor den letzten vier Begegnungen. (GEA)

