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Aktuell SSV Reutlingen

Bestandsaufnahme beim Oberligisten

Es gibt nicht den einen Grund für die sportliche Krise

Enttäuschung nach dem Nöttingen-Spiel.  FOTO: EIBNER
Enttäuschung nach dem Nöttingen-Spiel. FOTO: EIBNER
Enttäuschung nach dem Nöttingen-Spiel. FOTO: EIBNER

REUTLINGEN. Triumphe, Krisen, Höhenflüge, Abstürze – die Fußballer des SSV Reutlingen haben in den vergangenen Jahrzehnten viele Schlagzeilen geliefert. In der laufenden Saison, die für den SSV heute (14 Uhr) mit dem Oberligaspiel beim 1. CfR Pforzheim endet, gab es lange Zeit Grund zum Jubeln, ehe es den sportlichen Abstieg, Funktionärs-Rücktritte und die Trennung vom Trainer gab. Eine Bestandsaufnahme.

- Der Höhenflug

Der SSV legte einen Traumstart hin, blieb in den ersten neun Spielen ungeschlagen, stand mehrmals auf Platz eins. Am 2. März triumphierten die Mannen um Kapitän Pierre Eiberger im Topspiel beim SGV Freiberg mit 1:0. »Spitzenreiter, Spitzenreiter« skandierten die Fans. Aufstiegsträume blühten. Dann gab’s den Absturz. Acht Spiele mit fünf Niederlagen und drei Unentschieden – der SSV fand sich im grauen Tabellen-Mittelfeld wieder. Derzeit ist der SSV Neunter.

Cristian Giles (links) und Dominic Sessa bejubeln einen SSV-Treffer.  FOTO: BAUR
Cristian Giles (links) und Dominic Sessa bejubeln einen SSV-Treffer. FOTO: BAUR
Cristian Giles (links) und Dominic Sessa bejubeln einen SSV-Treffer. FOTO: BAUR

- Die Krise

Erklärbar ist der Einbruch nicht. Selbst Volker Grimminger, der nach der Trennung von Teodor Rus vom Co- zum Cheftrainer befördert worden war und wegen seiner Funktion immer ein Ohr an der Mannschaft hat, kann sich die schwachen Leistungen über mehrere Wochen hinweg nicht erklären. Möglicherweise haben dem Team Führungsspieler gefehlt, die das Schiff auf Kurs hätten halten können. Einige Akteure haben sich nach bis dahin starken Auftritten vielleicht überschätzt, einige beschäftigten sich mit Anfragen anderer Clubs. Manche sagen, die Mannschaft wäre dem Druck nicht gewachsen gewesen. Dann soll die Talfahrt von den Verantwortlichen schlecht moderiert worden sein. Der mittlerweile zurückgetretene Fußball-Vorsitzende Michael Schuster deutete an, dass sich die Spieler nicht geöffnet und keine konkreten Aussagen gemacht hätten. Das Vertrauensverhältnis war offenbar in die Brüche gegangen.

- Der Trainersturz (1)

»Ich hatte beim SSV 14 fantastische Monate und sechs schlechte Wochen«, formulierte Teodor Rus nach seiner Beurlaubung am 29. April. Einige Spieler sollen den Sturz von Rus forciert haben. Während seiner erfolgreichen Zeit bei den Nullfünfern im Jahr 2018, in dem er das Team vergangene Runde aus dem Tabellenkeller auf Position sieben und in der laufenden Spielzeit in die Spitzengruppe führte, habe Rus die nötige Distanz zu seinen Schützlingen gehabt. In diesem Jahr allerdings sei er nicht mehr die Autoritätsperson gewesen, habe zu sehr die Nähe zu den Spielern gesucht.

Ratlos: Pierre Eiberger (links), Luca Wöhrle.  FOTO: BAUR
Pierre Eiberger (links), Luca Wöhrle. FOTO: BAUR
Pierre Eiberger (links), Luca Wöhrle. FOTO: BAUR

- Der Trainersturz (2)

Der Württembergische Fußballverband (WFV) habe dem SSV wegen der fehlenden Trainer-Lizenz von Rus die Pistole auf die Brust gesetzt. Wie Funktionäre des SSV bestätigen, gab es in der Tat Druck vom WFV. In der laufenden Runde hätte das aber keine Auswirkungen mehr gehabt. In der Oberliga müssen die Trainer einen B-Trainer-Schein haben. Den hat Rus nicht. Noch nicht. Demnächst will er ihn in der Sportschule Karlsruhe-Schöneck erwerben. Nächste Runde hätte Rus ohne Lizenz nicht mehr als SSV-Cheftrainer arbeiten dürfen.

- Die Finanzen

Seit der Insolvenz im Jahr 2010 kam der SSV zumeist mit einer schwarzen Null über die Runden. Es gab jedoch auch einige schlechte Jahre, sodass der Club Verbindlichkeiten im mittleren fünfstelligen Bereich vor sich herschiebt. In den zurückliegenden Jahren hat Michael Schuster bei finanziellen Engpässen in die eigene Schatulle gegriffen. In der aktuellen Saison betrug der Etat für die Oberliga-Mannschaft etwa 320 000 Euro. Nächste Runde muss er reduziert werden.

Hoffnungsträger: Tim Schwaiger.  FOTO: NIETHAMMER
Hoffnungsträger: Tim Schwaiger. FOTO: NIETHAMMER
Hoffnungsträger: Tim Schwaiger. FOTO: NIETHAMMER

- Die Gerüchte

Michael Schuster hat immer wieder durchklingen lassen, dass alles zu überdenken wäre, wenn im Erfolgsfall keine Sponsoren auf das SSV-Boot aufspringen würden. Möglicherweise wurden Spieler von solchen Aussagen verunsichert. Bei aller aufkommenden Kritik an Schuster muss festgestellt werden, dass während seiner Amtszeit die Gehälter immer pünktlich bezahlt wurden. Es hat ihn verständlicherweise stark getroffen, dass einige Nestbeschmutzer immer wieder unwahre Behauptungen in die Welt geschleudert haben.

- Die Regionalliga

In den vergangenen Tagen wurde kolportiert, dass der SSV die Regionalliga gar nicht angepeilt habe, weil er diese finanziell nicht hätte stemmen können. Eine solche Aussage ist bei logischem Überlegen großer Unsinn. Die strukturellen Voraussetzungen (Stadion) sind für die Nullfünfer in der 4. Liga kein Problem. Die Einnahmen steigen in der Regionalliga definitiv, die Ausgaben auch, allerdings wären die zu steuern. Es gibt keine Vorschrift, dass die Spielergehälter bei einem Aufstieg explodieren müssen. »Die Regionalliga wäre für uns sogar leichter zu stemmen als die Oberliga«, glaubt Norbert Brendle, der im Vorstand für den Bereich Marketing zuständig ist.

- Die Sponsoren

Der SSV benötigt auch in der Oberliga dringend einen Sponsor, der einen sechsstelligen Betrag, zumindest einen sehr hohen fünfstelligen zuschießt. In früheren Jahren hatten Sponsoren des Vereins häufig eine persönliche Verbundenheit zum SSV. »Dieses Emotionale ist weg«, so Brendle. Zu bedenken ist, dass es vor einiger Zeit in Reutlingen und der näheren Umgebung mehr als zehn Firmen mit über 1 000 Mitarbeitern gab, derzeit gibt es nur eine (Bosch). Der SSV müsste mit seiner Tradition und seinen Möglichkeiten überregionale Sponsoren ins Boot holen. Leichter gesagt als getan. (GEA)

GRIMMINGER-ELF GASTIERT HEUTE IN PFORZHEIM

Philipp Reitter erhält als Co-Trainer einen Einjahres-Vertrag

»Wir möchten die 55-Punkte-Rekordmarke aus der vergangenen Saison einstellen und ein oder zwei Plätze nach oben klettern.« Diese Devise gibt Interimstrainer Volker Grimminger vor dem letzten Punktspiel des Fußball-Oberligisten SSV Reutlingen am heutigen Samstag (14 Uhr) beim 1. CfR Pforzheim aus. Der SSV ist mit 52 Zählern Neunter. Verzichten müssen die Reutlinger heute auf Pierre Eiberger, Tim Schwaiger, Jannick Schmitt, Jonas Vogler und Gökhan Gümüssu. Philipp Reitter wird (wie berichtet) nächste Saison Co-Trainer von Maik Schütt. Der 35 Jahre alte Reitter, derzeit beim SV Nehren tätig, erhält einen Einjahres-Vertrag. (kre)