»Gestatten, ich bin vom Reutlinger General-Anzeiger.« Die prompte Antwort von Engel: »Ich weiß.« Der Mann hat gute Erinnerungen an die Achalmstadt und kennt seine Pappenheimer. Damals in Reutlingen, das sei nicht nur 30 Jahre her, sondern war auch »30 Kilo früher«. Peter Engel wie er leibt und lebt - er war nie ein Temperamentsbündel, hatte aber immer einen Mutterwitz.
Und jetzt sitzt Engel in der Stuttgarter Schleyer-Halle auf der Bank und coacht die spanische Frauen-Nationalmannschaft. Platz elf springt für sein Team bei der EM heraus. Zufriedenstellend.
Peter Engel in Spanien, oder: Der Globetrotter ist am Ziel angekommen. »Es gibt schlechtere Lebensorte als Barcelona«, formuliert er mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht. Duisburg-Meiderich, Reutlingen, Saarbrücken, Steinhagen, Niederlande und nun Barcelona - der Blondschopf hat einige Tischtennis-Stationen hinter sich.
»Es ist ein Riesengefühl, wenn man aufsteht und täglich scheint die Sonne«
Während seiner Nationaltrainer-Zeit in den Niederlanden war’s, als Engel bei einem Turnier drei Zehnjährige aus Spanien entdeckte: Sara Ramirez, Galia Dvorak und Marc Duran. Für Engel stand sofort fest: Das sind Riesentalente, mit denen kann man etwas erreichen. »Ich wollte einfach mal ausprobieren, wie weit man mit Spielern kommen kann, wenn man bei Null anfängt.«
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Alle drei kletterten in ihrer Jugendzeit unter die ersten Zehn in der Weltrangliste, vier Mal gab’s bei Europameisterschaften Mannschafts-Gold, bei den Welt-Titelkämpfen sprang Platz drei heraus, und nun sind Ramirez, Dvorak und Duran bei den europäischen Titelkämpfen der Erwachsenen im Einsatz.
In Kataloniens Hauptstadt fühlen sich der 55-Jährige und seine Frau Judith Magos (eine aus Ungarn stammende ehemalige Europameisterin) pudelwohl. »Es ist ein Riesengefühl, wenn man aufsteht und täglich scheint die Sonne«, so Engel. Zudem stimmen die Rahmenbedingungen. Der Ex-Nationalspieler, der an Welt- und Europameisterschaften teilnahm, leitet das vor den Olympischen Spielen 1992 erbaute Tischtennis-Zentrum in Barcelona. Dort trainieren täglich mehr als 2 000 Sportler. Engel: »Da ist alles vorhanden. Uns fehlt es an Nichts.« So ganz stimmt das nicht. Der Sportart Tischtennis fehlt es an Anerkennung im Land der Fußballer, Basketballer und Handballer. »Wir arbeiten daran.«
Über das Tischtennis-Geschehen in Deutschland und der Region Reutlingen ist Engel bestens informiert. Über das Internet. Und über Besuche. Als seine Tochter Stefanie, die sechs Sprachen beherrscht, drei Monate in Tübingen studierte, wohnte Engel einige Zeit bei der Familie Grumbach in Reutlingen. »Denen habe ich spanischen Schinken mitgebracht«, bemerkt Engel.
Überhaupt: Wenn die Sprache auf den SSV Reutlingen kommt, dann gerät er ins Schwärmen. Zahlreiche Erfolge heimste er mit den »Heinzelmännern« ein. Gerne erinnert er sich auch an die Skatrunden nach den schweißtreibenden Trainingseinheiten.
Peter Stellwag, Heinz Schlüter, Manfred Baum, Rudi Böttinger, Harijanto Listijosuputro, Günther Werkmann - mit diesen Mitstreitern gewann der 30-malige Nationalspieler, der seine internationale Karriere nach einem Zwist mit Bundestrainer Christer Johansson beenden musste, 1977 die deutsche Meisterschaft. »Großen Anteil« an seinem Wechsel aus dem Westen zum SSV hatte Schlüter, der den Kontakt herstellte.
Peter Engel und der SSV Reutlingen - das war vor 30 Jahren und »30 Kilo früher«. Jetzt lebt und arbeitet er in Barcelona. Und das dürfte noch lange so bleiben. »Es gibt schlechtere Lebensorte«, sagt er. Und grinst. (GEA)