Logo
Aktuell Doping

Ein Zeichen der Hoffnung

BERLIN/REUTLINGEN.Man hat sie schon mit Jeanne d'Arc verglichen. Und das nicht ohne Grund. Ines Geipel steht auf den Barrikaden im Kampf gegen Doping im Hochleistungssport. Und sie muss sich vorkommen, als würde sie meist allein auf den Barrikaden stehen. Ines Geipel ist ehemalige Weltrekordsprinterin und als DDR-Dopingopfer anerkannt. Die Professorin führt seit Jahren den Dopingopfer-Hilfeverein in Berlin (DOH).

Als sie jetzt in Berlin Whistleblowerin Julia Stepanowa ausgezeichnet haben, muss sich Ines Geipel vorgekommen sein, als habe sie ihre kongeniale Mitstreiterin endlich gefunden. Wegen Sicherheitsbedenken konnte Julia Stepanowa, die mit ihrem Mann Witali systematisches Doping in der russischen Leichtathletik aufdeckte, nicht nach Berlin kommen. Sie muss weltweit weiter um ihr Leben fürchten. Seit sie zur russischen Doping-Kronzeugin wurde, ist sie nirgends mehr sicher und wohnt mit ihrer Familie weiter an unbekanntem Ort.

»Ich bereue nichts. Ich bin mit der Zeit immer überzeugter, dass wir das Richtige getan haben«
»Ich bereue nichts. Mit der Zeit bin ich immer überzeugter, dass wir das Richtige getan haben«, sagte die 30-Jährige bei der Verleihung der Heidi-Krieger-Medaille, per Video zugeschaltet. Mit dem erstmals mit 10000 Euro dotierten Preis zeichnet der Verein Persönlichkeiten aus, die sich für einen dopingfreien Sport einsetzen.

Dass kein Geringerer als Hans Wilhelm Gäb als ehemaliger Vorsitzender der Stiftung Deutsche Sporthilfe die Laudatio auf Stepanowa hält, kann nicht überraschen. Stepanowa sei »eine moralische Siegerin«, sagt Gäb. »Der Anlass führt uns auf die dunkle Seite des Sports, wo der Sieg um jeden Preis die Parole ist. Doch die Haltung und die Tat eines einzelnen Menschen können die Dunkelheit erhellen. Julia Stepanowa hat im Kampf gegen Betrug unter persönlichen Opfern ein Zeichen der Hoffnung gesetzt.«

Ein Opfer der Stepanows war die Flucht mit ihrem Sohn aus Russland. Neunmal musste die Familie in den letzten eineinhalb Jahren umziehen, in ihrer Heimat gelten sie als Verräter und Staatsfeinde. Die Leichtathletin berichtet, dass ihre Mails gelesen worden sind: »Das spricht dafür, dass sie versuchen, mich zu verfolgen.« Stepanowas Enthüllungen hatten dazu geführt, dass der russische Leichtathletik-Verband von allen internationalen Wettbewerben suspendiert ist. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte ihr allerdings die Teilnahme an den Spielen in Rio als neutrale Athletin verweigert, da sie als ehemalige Dopingsünderin nicht die »ethischen Anforderungen« erfülle. Ein Skandal. Inzwischen hat das IOC eingelenkt und unterstützt die Athletin mit einem Stipendium.

Witali Stepanow sagt: »Wichtig war, dass Julia und ich die Wahrheit gesagt haben. Das andere ist Vergangenheit. Wir versuchen, nach vorne zu schauen.« Stepanowa sagt: »Wir versuchen, nicht daran zu denken, dass wir verfolgt werden. Dort, wo wir leben, interessiert sich niemand für uns. Daher fühlen wir uns sicher.«

Durch die Feierstunde in Berlin ist der Verein von Ines Geipel einmal mehr in den öffentlichen Fokus gerückt. Und damit auch die Tatsache, dass Ines Geipel mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) immer noch im Clinch liegt. Geipel wirft DOSB-Präsident Alfons Hörmann eine »Offensiv-Lüge« vor, weil dieser immer wieder behauptet, die Initiative für eine Hilfszahlung aus der Politik sei auf den DOSB zurückzuführen.

Was Hörmann in diesem Zusammenhang offenbar wissentlich zu verschweigen sucht: Der DOSB hat nach dem jüngsten Vorstoß der Politik noch immer keinen Cent an den DOH gezahlt, obwohl ihn auch das Innenministerium in schöner Regelmäßigkeit dazu auffordert.

Ohne die zehn Millionen Euro des Bundesinnenministers würde es die Opferhilfe gar nicht mehr geben. Und trotzdem reicht auch diese Unterstützung vorne und hinten nicht. Weil sich in Berlin immer mehr Opfer der Hochleistungsmaschinerie melden. Und die kommen nicht nur aus staatsplanmäßig dopingverseuchten ehemaligen DDR, sondern mehr und mehr auch aus dem Spitzensport der ehemaligen BRD. (GEA/SID)