HECHINGEN. Olympia-Sieger Christoph Harting war vom Stadionsprecher als »Highlight des Tages« angekündigt worden, dem Diskus-Riesen stahlen aber die paralympischen Kugelstoßer Niko Kappel und Lara Baars vom VfB Stuttgart die Show. Beim 14. Internationalen Jump & Fly-Meeting in Hechingen verbesserten die beiden Leichtathleten bei ihrem finalen Test vor der Weltmeisterschaft in Japan am kommenden Wochenende die Weltrekorde ihrer Klassen.
So war es nicht verwunderlich, dass am Donnerstagnachmittag Schlangen an Zuschauern nicht bei Harting, sondern an der Anlage der Kugelstoßer standen. Sie feierten mit den Stars des Tages, klatschten ab und wollten Autogramme. Die beiden kamen gar nicht hinterher. Der Andrang war so groß, dass Kappel seine Freundin glatt zum Auto schicken musste, um Nachschub seiner Autogramm-Karten zu holen. »Ich bin mega stolz. Krass«, meinte der 29-jährige, alte und neue Weltrekordhalter nach seinem letzten Versuch, den er auf die Bestmarke von 15,07 Meter stieß, bevor er zuerst hüpfte und sich dann auf den Boden warf und dort mit beiden Händen am Kopf liegen blieb. »Ich habe lange daran gearbeitet, die 15 Meter zu knacken«, erzählte der Paralympics-Goldmedaillengewinner von 2016.
Nudeln mit Tomatensoße dürfen nicht fehlen
Zum Dank war er seiner besseren Hälfte gleich doppelt verpflichtet, denn sie organisierte nicht nur die Karten für die Fans, sondern fuhr Kappel auch mit dem Auto nach Hechingen, damit der noch schnell seine Portion Nudeln mit Tomatensoße essen konnte. »Die dürfen vor keinem Wettkampf fehlen«, meinte er mit einem Augenzwinkern. Und wo schon über das Essen geplaudert wurde, verriet er auch gleich noch: »Heute gibt es drei Bier.« Beim Jump & Fly im Vorjahr hatte er sich selbst noch ein Bierverbot verordnet, weil er mit seiner Leistung unzufrieden war.
In Feierlaune war auch Baars, die die Kugel auf 9,25 Meter stieß. »Unfassbar. Ich kann das noch gar nicht glauben«, kommentierte sie den Weltrekord-Tag der deutschen Kugelstoßer. Die Form vor der WM stimmt. »Am Samstag geht es nach Japan«, erzählte sie: »Mit einer breiten Brust.« Bei den Paralympics in Paris peilen beide Medaillen an. Zunächst feierten sie aber einmal die Atmosphäre im Weiherstadion. Hunderte Fans verfolgten das Spektakel um Baars und Kappel und freuten sich mit ihnen um die Wette. »Die Stimmung ist übel geil«, meinte Kappel, bevor seine Freundin angespurtet kam und er selbst wieder zum Stift griff.
Harting weit weg von Olympia-Form
Von einer Olympia-Medaille ziemlich weit weg ist derweil Christoph Harting, der zwischen seinen Versuchen immer wieder mit sich selbst haderte und den Kopf schüttelte. Am Ende reichte es dank eines guten letzten Wurfes zu Platz drei im stark besetzten Feld. Die Weite von 59,13 Meter dürfte den Olympiasieger von 2016 nicht zufriedenstellen, der um die Norm für die EM in Rom und Olympia kämpft. Ein Interview geben wollte er nicht. Das sei Tradition in einem Olympia-Jahr. Dafür unterschrieb der Hüne von der LG Nord Berlin fleißig T-Shirts und Mützen. Während sich die deutsche Spitze abmühte, schnappte sich der Tscheche Marek Barta den Sieg (62,05 Meter) und konnte es genauso wenig glauben wie viele Fans. »Das ist eine schöne Überraschung«, meinte er. Als Belohnung wollte er sich ein Schnitzel gönnen. Denn »das gibt es so nur hier.« Zum Jump & Fly würde er gerne nächstes Jahr zurückkehren, meinte er.
Die lokalen Asse der ausrichtenden LG Steinlach-Zollern gingen im Weitsprung an den Start. U20-Europameisterin Sandrina Sprengel testete für das renommierte Mehrkampf-Meeting in Götzis am kommenden Wochenende und zeigte mit 6,06 Metern und Rang fünf eine ordentliche Leistung. Teamkollege Joshua Kommer landete in der Weitsprung-Konkurrenz mit 6,46 Metern auf dem sechsten und damit letzten Platz.
Meetingrekorde gab es für Diskus-Werferin Antonia Kinzel (MTG Mannheim) mit 60, 33 Metern und Kugelstoßer Wictor Petersson aus Schweden mit 20,10 Metern. Das mit der deutschen Spitze besetzte Stabhochspringen gewann der an Nummer eins gesetzte Torben Blech (TSV Bayer Leverkusen) mit übersprungenen 5,60 Metern. Im internationalen Feld der Frauen siegte die Griechin Ariadni Adamopoulou (4,40 Meter). Sie verpasste den Meetingrekord damit um nur zwei Zentimeter. (GEA)