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Aktuell INTERVIEW

»Ukraine-Besuch wie Ferien für mich«

Die Hochspringerin Jaroslawa Mahutschich über ihren Saisonstart, ihre Lieblingsorte und ihre Heimat

Triumphiert in Cottbus mit einer starken Flugshow: Die ukrainische Hochspringerin Jaroslawa Mahutschich.  FOTO: NEUTHE
Triumphiert in Cottbus mit einer starken Flugshow: Die ukrainische Hochspringerin Jaroslawa Mahutschich. FOTO: NEUTHE
Triumphiert in Cottbus mit einer starken Flugshow: Die ukrainische Hochspringerin Jaroslawa Mahutschich. FOTO: NEUTHE

COTTBUS. Jaroslawa Mahutschich, eine Hochspringerin zwischen Krieg und Frieden, sandte beim Hallenmeeting in Cottbus mit 2,04 Metern starke Signale (»Ich bin sehr stolz auf diesen Saisonstart«) in die olympische Saison. Die 22-jährige Ukrainerin war in den vergangenen zwei Jahren als Welt- und Europameisterin in der Halle und im Freien zu den Weltstars der Leichtathletik und damit zur Botschafterin ihres Landes aufgestiegen. Mit ihrer Bestleistung von 2,06 Metern ist sie in der Halle drittbeste Athletin aller Zeiten hinter Kajsa Bergqvist (Schweden, 2,08 Meter) und Heike Henkel (Leverkusen, 2,07 Meter). Mahutschich untermauerte in Cottbus ihre Forderung, dass russische und belarussische Athleten bei den Olympischen Spielen in Paris nicht zugelassen werden dürfen. GEA: Frau Mahutschich, dritter Sieg in Cottbus mit einer starken Flugshow, Weltjahresbestleistung mit 2,04 Meter, Verbesserung des Meetingrekords um zwei Zentimeter – ein erwartet starker Einstand in die Olympiasaison?

Jaroslawa Mahutschich: Ich bin sehr stolz über dieses Ergebnis, und dass mich hier so viele Menschen unterstützt haben. Man möchte sich ja immer in die Geschichte eines Meetings mit Rekorden eintragen. Das ist mir hier mit dem Rekord gelungen.

»Die Ukraine ist mein Land, da ist meine Kultur«

 

Was ist bei Ihnen nach dem Gewinn der WM in Budapest im vergangenen Sommer alles passiert?

Mahutschich: Ich war sehr viel unterwegs in dieser Zeit: in China, Belgien, USA, dann bin ich in meine Heimat nach Dnipro in die Ukraine geflogen, um meine Familie zu besuchen. Von dort ging es ins Trainingslager in die Türkei nach Belek und zuletzt bin ich aus Estland nach Deutschland gekommen.

Was planen Sie für die Hallensaison?

Mahutschich: Ich werde am 11. Februar bei den Milrose Games in New York springen und voraussichtlich Ende Februar in Madrid.

Starten Sie bei der Hallen-WM Anfang März in Glasgow?

Mahutschich: Ja, ich möchte dort meinen Titel, den ich 2022 in Belgrad unter extrem emotionalen Bedingungen nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine gewonnen habe, verteidigen.

Denken Sie manchmal an Belgrad 2022 und die Goldmedaille zurück, wo Sie zuvor 2.000 Kilometer quer durch Europa zur WM gefahren sind?

Mahutschich: Das waren drei Tage nach Kriegsausbruch schreckliche Dinge, ich war wie in einem Burnout. Der WM-Titel hat mir aber viel Motivation gegeben.

Seitdem sind Sie auf einer langen Reise durch Städte, Stadien und Länder unterwegs. War dies eine schwierige Reise für Sie?

Mahutschich: Oh ja. Ich war zwischendurch zuhause in Dnipro bei meiner Familie, konnte dort viele zerstörte Häuser und Straßen sehen. Trainieren war nicht möglich. Der Ukraine-Besuch war dennoch wie Ferien für mich. Ich habe meinen Vater 2023 nur zweimal gesehen, aber wir hatten Kontakt per Telefon und Video. Meine Mutter konnte mich in Europa immerhin noch zweimal besuchen.

Sie sind in Stadien zuhause, wie erleben Sie den Krieg?

Mahutschich: Die Menschen zuhause leben mit Angst, Luftalarm und Raketenangriffen. Aber nicht alle sind ja im Krieg, unterstützen das Land von zuhause. Das Leben geht weiter in der Ukraine.

Wenn Sie durch die Welt reisen, fühlen Sie sich dabei in Freiheit?

Mahutschich: Ich fühle mich zuhause tatsächlich frei. Meine letzten beiden Besuche dort im Oktober und Dezember waren die beste Zeit meines Lebens in den zurückliegenden zwei Jahren. Da bin ich geboren, das ist mein Land, da ist meine Kultur, wir haben dieselben Probleme. Meine Landsleute geben mir die Möglichkeit, ins Ausland zu gehen, und Europa kennenzulernen.

Gibt es einen Lieblingsort für Sie?

Mahutschich: Das ist die Ukraine. Ich liebe aber New York, das war schon ein Kindheitstraum. Der war aber zu teuer für meine Eltern. Inzwischen war ich schon dreimal dort, habe gemodelt, und fühle in dieser Stadt eine gute Schwingung. Ich würde gerne wieder hingehen.

»Ich bin mir selber meine eigene Motivation«

 

In Ihrer sportlichen Bilanz fehlen noch zwei Dinge: der Olympiasieg und der Weltrekord, der seit 1987 mit 2,09 Metern von Stefka Kostadinova gehalten wird. Sie sind mit Ihrer Bestleistung von 2,06 Meter dieser Marke schon näher gekommen und Sie haben sich in Brüssel sogar schon einmal an 2,10 Metern versucht.

Mahutschich: Ja, ich möchte den Titel bei den Olympischen Spielen gewinnen, er ist sehr wichtig für mich, aber der Weg dorthin ist sehr lang. Der Weltrekord ist natürlich eine interessante Sache. Auch dies ist sehr hart. Aber ja: irgendwann ist es mein Ziel.

Haben Sie ein Vorbild? Kostadinova, Vlasic, Henkel?

Mahutschich:Nein. Ich bin mir selber meine eigene Motivation. Ich möchte mich jeden Tag für mich verbessern.

Wie sieht Ihr Weg zu den Olympischen Spielen nach Paris aus?

Mahutschich: Natürlich ist 2024 wegen der Olympischen Spiele eine sehr wichtige Saison. Ich denke derzeit aber noch nicht an Paris. Mein Fokus ist auf die Hallen-WM in Glasgow gerichtet. Ab April, Mai gehen meine Gedanken dann Richtung Paris.

Die Diskussion, ob russische und belarussische Athleten bei den Spielen in Paris starten dürfen, ist in vollem Gang. Sie haben sich vor über einem Jahr klar dagegen positioniert. »Russland begeht unmenschliche Taten, auch viele ukrainische Sportler sind im Krieg getötet worden«, sagten Sie. Hat sich daran etwas geändert?

Mahutschich: Ich habe noch immer dieselbe Meinung: russische und belarussische Athleten dürfen auf internationaler Ebene nicht teilnehmen. Auch wenn sie unter neutraler Flagge starten, weiß doch jeder, woher sie kommen, und sie ändern auch nicht ihre Meinung. Ich bin sehr dankbar, dass Sebastian Coe und der internationale Leichtathletik-Verband seine Einstellung diesbezüglich nicht geändert hat. (GEA)

 

ZUR PERSON

Jaroslawa Mahutschich, am 19. September 2001 im ukrainischen Dnipro geboren, holte im Hochsprung Gold bei den Weltmeisterschaften 2023 und bei der Hallen-WM 2022. Bei den Europameisterschaften 2022 in München triumphierte sie ebenfalls. In Tokio, bei den Olympischen Spielen 2021, wurde Mahutschich Dritte. (GEA)