ROM. Niklas Kaul hat klare Vorstellungen für die EM in Rom. »Eine der drei Medaillen möchte ich schon holen«, sagt der 26-jährige Mainzer Zehnkämpfer. Kaul ist Titelverteidiger und Hoffnungsträger des Deutschen Leichtathletik-Verbands. »Das wird ein großer Zehnkampf in Rom«, ist Kaul überzeugt. Zwei ganz große Zehnkämpfe hat er in seiner Karriere bestritten: bei der WM 2019 in Doha (Katar) und bei der EM 2022 in München.
Unmittelbar vor der EM ist Kauls Buch (»Die Magie des Zehnkampfs«) erschienen. Darin schildert er seine goldenen Speerwürfe auf dem Weg zum Welt- und Europameister genauso wie die Tiefs seiner Karriere.
Rückblende: 3. Oktober 2019. Nach einer grandiosen Aufholjagd von Platz 20 (über 100 Meter) gewinnt er in Doha mit einem überragenden 1.500 Meter-Lauf den WM-Titel, wird der König von Katar, und mit 21 Jahren der jüngste Zehnkampf-Weltmeister aller Zeiten. »Wenn ich mich an den Speerwurf und die 1.500 Meter erinnere, bekomme ich immer noch eine Gänsehaut«, sagt Kaul. Er ist der Athlet des zweiten Tages. Mit 79,05 Metern erzielte er mit dem Speer einen Weltrekord im Zehnkampf. Keiner hat je so weit geworfen wie der Jungspund aus Mainz.
16. August 2022: Niklas Kaul und der Schweizer Simon Ehammer liefern sich vor 50.000 Zuschauern im Münchner Olympiastadion ein großartiges Duell. Kaul krönt sich mit drei Bestleistungen und einem überragenden 1.500 Meter-Lauf zum König der Athleten. Er wurde zudem 2019 und 2022 zu Deutschlands Sportler des Jahres gekürt.
Bachelorarbeit aus dem Kopf
Als Welt- und Europameister steht Kaul in einer großen deutschen Zehnkampf-Tradition. Willi Holdorf (1964) und Christian Schenk (1988) als Olympiasieger, Kurt Bendlin, Guido Kratschmer und Jürgen Hingsen als Weltrekordler, Thorsten Voss als Weltmeister, Sigi Wentz als Vize-Weltmeister, Frank Busemann mit Olympia-Silber und einige mehr haben Erfolgsgeschichte geschrieben.
In Mainz passt für Kaul Sport und Studium (Lehramt Physik und Sport) bestens zusammen. Die Bachelorarbeit hat er hinter sich. Er ist zufrieden, dass er sein Studium mit dem Sport finanzieren kann. Verletzungen bremsten ihn sowohl bei den Olympischen Spielen in Tokio 2021 als auch bei der WM in Budapest im vergangenen Sommer aus. »Diese Enttäuschung möchte ich nicht noch einmal erleben«, kommentiert er flehentlich.
Der Zehnkämpfer kommt aus einer leichtathletik-begeisterten Familie. Vater Michael war Deutscher Meister über 400 Meter Hürden, Mutter Stefanie österreichische Staatsmeisterin über 400 Meter Hürden und 400 Meter. Und Schwester Emma wandelt erfolgreich in den Mehrkampfspuren ihres Bruders. Sie war bereits Deutsche Meisterin U 16 und U 18 (mit deutschem Rekord) im Siebenkampf.
Zwei Trainingslager in Stellenbosch (Südafrika) hat Niklas Kaul vor der EM absolviert. »Der Fuß hält«, signalisiert er, und seine jüngsten Leistungen geben Anlass zu (Medaillen)Hoffnungen. »Niklas ist athletisch noch nie so gut gewesen wie derzeit«, gibt sich Trainer-Vater Michael Kaul optimistisch. (GEA)